Thorsten Hierse sitzt verloren in der Box des Deutschen Theaters Berlin. Das karge Bühnenbild beschränkt sich auf einen Stuhl und die Flasche Rosé, die der Schauspieler in den 90 Minuten seines „Transit“-Monologs leeren wird. Aus dem Hintergrund sorgt Tobias Vethake für einen Live-Musik-Klangteppich, der die Erinnerungen des Gestrandeten untermalt.
Hochkonzentriert arbeitet sich Hierse durch den Abend und nimmt die Perspektive des namenlosen Ich-Erzählers aus der Romanvorlage von Anna Seghers ein: er ist aus einem Zwangs-Arbeitslager bei Rouen entkommen und hat sich nach Südfrankreich durchgeschlagen. Mit vielen Leidensgenossen verbringt er seine Zeit vor allem mit Warten: in Konsulaten auf ein Visum, am Hafen auf ein Schiff, das die Flüchtlinge vor den Nazis in Sicherheit bringen soll, oder im Café auf eine interessante Begegnung, einen kleinen Flirt.
Während Hierse auf seinem Stuhl sitzt, einige Schritte geht, wieder zum Glas greift und aus dem Leben eines Flüchtlings berichtet, tänzelt Wiebe Mollenhauer in unregelmäßigen Abständen diagonal über die kleine Bühne: mal spielerisch tänzelnd, mal atemlos rennend. Sie spielt die Marie, ständig auf der Suche nach ihrem Geliebten, ständig zwischen mehreren Männern. Der Ich-Erzähler genießt ihre Nähe, bekommt sie aber nicht zu fassen.
Alexander Riemenschneider blieb in seiner Theaterfassung nah am Roman-Text und verzichtete auf Aktualisierungen. Das Programmheft referiert zwar Statistiken und Entscheidungsquoten des BAMF, das für die Bearbeitung von Asylanträgen zuständig ist, ansonsten vertraut der Abend aber ganz auf die Kraft der Vorlage.
„Transit“ ist ein kleiner, stiller Abend in der sehr gut besuchten „Box“, auch die nächste Vorstellung am 25. November ist bereits wieder ausverkauft.
Der Text ist zuerst hier erschienen: http://kulturblog.e-politik.de
Kommentare 1
Die Anna Seghers ist derzeit absolut aktuell. Nicht nur wegen ihrer Romane, die, weil sie eben gut sind, wieder wirken, sondern auch wegen ihrer hervorragenden Kurzgeschichten. Hinzu kommt ihr persönlicher Weg ins ferne Exil, der, so vermute ich, doch einigen Menschen hierzulande bekannt ist.
Gerade erschien das "Siebte Kreuz" mit den Illustrationen William Sharps (Leon Schleifers) neu. Das war 1942 in den USA wichtig und wird nun wieder aktuell. Die Ausgabe erscheint bei der Büchergilde und beim Aufbau- Verlag, zu einem sehr angemessenen, aber moderaten Preis.
Leon Schleifers Fähigkeit Räumlichkeit und eine Verbindung von Vordergrund und Hintergrund in der strengen Schwarz- Weiß- Grafik zu erzielen, half, das Buch in den USA durchzusetzen, denn seine Arbeiten ziehen Zeitungs- und Magazin- Seher in die Story und machen sie zu Lesern.
Beste Grüße
Christoph Leusch