Mit aufgerissenem Mund, vor Schreck geweiteten Augen und angekettet stampft dieser Woyzeck über die rotierende Scheibe, die ständig in Bewegung ist und den Spielern keine Ruhe gönnt. Wer sich nicht bewegt, droht abzustürzen und von der Scheibe herunterzufallen.
Böse Zungen könnten dem Regisseur Ulrich Rasche vorwerfen, dass er sein Konzept gigantischer Maschinen und Walzen, die sich unerbittlich im Kreis drehen und die Spieler als ohnmächtige Kreaturen erscheinen lassen, wie am Fließband ständig mit leichten Variationen recyclet. Für Georg Büchners „Woyzeck“ gelingt ihm jedoch eine sehr überzeugende Setzung. Wir erleben einen Hauptdarsteller, der von Marie als „hirnwütig“ beschimpft wird und sich als Getriebener in einen psychotischen Wahn hineinsteigert. Nicht nur die Autoritäten der Gesellschaft (der Tambourmajor, der Hauptmann) versuchen ihn, in ihr Korsett enger Moralvorstellungen und begrenzter Handlungsspielräume zu pressen, und werfen ihm vor, dass er keine „Tugend“ habe. Auch die Zug- und Fliehkräfte der kreisenden Drehscheibe, die anfangs leicht geneigt ist und am Ende fast senkrecht steht, machen ihm das Leben zur Tortur.
„Jeder Mensch ist ein Abgrund; es schwindelt einem, wenn man hinabsieht.“ Das Bemerkenswerte an Ulrich Rasches Inszenierung ist, dass sie diesen zentralen Satz aus dem „Woyzeck“-Fragment plastisch spürbar werden lässt. Anders als bei den Münchner „Räubern“ und seinem Dresdner „Das Große Heft“ gibt es diesmal keinen martialisch auftretenden Chor. Im Zentrum stehen klar erkennbare Individuen. Aber nicht nur der Woyzeck, sondern auch alle anderen, nur scheinbar so selbstsicheren Figuren sind an die rotierende, schwankende Drehscheibe gekettet. Ständig in Bewegung, den Abgrund und die Leere vor Augen, mühen sie sich ab, treten aber doch auf der Stelle und sind den Kräften der Physik ausgeliefert.
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