Sex in Nordafrika: „Beim Heiligenfest kann man in Zelten jeden Fetisch ausleben“

Interview Mohamed Amjahid hat sich für sein Buch „Let's Talk About Sex, Habibi“ auf Sex-Feldforschung in Nordafrika begeben. Deutsche werden staunen
Exklusiv für Abonnent:innen | Ausgabe 51/2022

Eigentlich beschäftigt sich der Journalist und Buchautor Mohamed Amjahid mit Themen wie Rassismus und Polizeigewalt. In seinem neuen Buch allerdings widmet er sich den Facetten der Sexualität in Nordafrika. Herausgekommen ist eine überraschende wie auch aufschlussreiche Reise in die sexpositive Tradition dieser Länder.

der Freitag: Herr Amjahid, als ich das erste Mal von Ihrem Buch „Let’s talk about Sex, Habibi“ gehört habe, erwartete ich eine populärwissenschaftliche Abhandlung über Sexualität in Nordafrika. Als Leser*in erhält man zwar Einblicke in Themen wie Scheidung, queeres Leben und Feminismus, aber auch viele persönliche und lustige Geschichten von Ihnen. Weshalb haben Sie sich entschieden, das Buch in dieser Form zu schreiben?

Mohamed Amjahid: In meinen ersten beiden Büchern, Unter Weißen und Der weiße Fleck, habe ich die deutsche Mehrheitsgesellschaft betrachtet. Diesmal wollte ich es umdrehen und die sogenannten „Anderen“ vorstellen. Die Frage war: Wie kann man ein breites Publikum dafür gewinnen, sich freiwillig mit der Lebensrealität der Menschen in Nordafrika auseinanderzusetzen? Als Menschen sind wir ja alle ein wenig voyeuristisch veranlagt, und so gelingt das am besten über Unterhaltendes und Emotionen. Als Autor geht mir aber das Herz auf, wenn mir Leute dann bestätigen, dass sie bei diesem Witz oder dieser Anekdote lachen mussten.

Gelacht habe ich auch, aber ich habe mich beim Lesen oft fremdgeschämt.

Ja, es ist cringey as fuck. Diese Emotionen zeigen ja, dass dich der Inhalt nicht kaltlässt. Natürlich sind viele Sachen zum Fremdschämen. Viele Geschichten könnten gerade für ein deutsches Publikum peinlich wirken, weil Stereotype in den Köpfen schlummern. Denn wenn man davon ausgeht, dass die Leute in Nordafrika prüde sind, dann ist es überraschend und auch unangenehm, von Orgien zu lesen.

Hatten Sie Sorge, dass die Leser*innen überfordert sein könnten?

Natürlich war im Schreibprozess die Frage präsent, wie viel ich den Leser*innen zumuten möchte. Die Antwort war dann: Alles, was geht. Wenn ich auf der Bühne aus meinem Buch lese, denke ich: „O Gott, wie peinlich. Kann ich das überhaupt machen?“ Aber die Reaktionen zeigen mir, dass es wichtig ist, nichts zu romantisieren.