Dating: Intelligente Frauen haben es besonders schwer
Partnersuche Laut einer Partnerbörse sollten sich intelligente Frauen dümmer stellen, als sie sind, um ihren Traummann zu halten. Dieses jahrhundertealte Konzept sollte endlich entsorgt werden
Lieber den Doktorandinnenhut in der Luft als den Ring am Finger!
Foto: Peter Marlow/Magnum Photos/Agentur Focus
Das Internetportal Elitepartner hat einen dieser Slogans, die für immer im Kopf bleiben: „Für Akademiker und Singles mit Niveau“. Angeblich trifft sich hier die Crème de la Crème der Alleinstehenden, um sich gegenseitig zu finden und dann womöglich über den Schriftsteller François Rabelais zu diskutieren. Ich habe keine Ahnung – oder was tun niveauvolle Singles sonst?
Doch offensichtlich kann man auch für Elitepartner zu klug sein – zumindest, wenn man eine Frau ist. In ihrem Online-Magazin bietet die Singlebörse verschiedene Artikel zu den Themen Partnersuche, Dating und Beziehungen. Bis vor Kurzem gab es dort noch Artikel wie „So findest du als intelligente Frau einen passenden Mann“. Ein wichtiger Artikel, d
Artikel, denn die Partnersuche ist schwer. Es schwimmen zwar viele Fische im Meer, doch wissen Sie, was auch im Meer ist? Abfall.Diese vermeintlichen Tipps haben es in sich: „Zeig dich von deiner lockeren Seite“ oder „Nörgle nicht“. Doch mein Liebling ist mit Abstand: „Übe dich in Bescheidenheit“. Wenn sie ihren Master in Cambridge gemacht, den Doktor mit summa cum laude abgeschlossen hat und generell erfolgreich ist, wird ihr empfohlen, „mit Bedacht“ damit umzugehen und auf „Zwischentöne zu achten“. Sonst – so die deutliche Drohung – „bleibst du als intelligente Frau Single“. Offensichtlich gilt die Methode „Sei schlau, stell dich dumm“ auch für Singles mit Niveau auf Partnersuche. Nach einem kleinen Shitstorm auf Twitter entschuldigte sich Elitepartner mit den üblichen Worten: „Entspricht nicht unseren Werten, wissen nicht, wie es dazu kommen konnte, entschuldigen uns für den entstandenen Eindruck“. Sie löschten den Artikel dann rasch von der Seite.Dabei könnten wir es eigentlich belassen, doch dieser Tipp ließ mich nicht los. Denn streng betrachtet war der Inhalt leider nicht falsch. Eine Studie der Universität Buffalo in New York, der Universität Thousand Oaks in Kalifornien und der Universität in Austin in Texas besagt, dass Männer häufig von sich behaupten, dass sie klügere Frauen bevorzugen.„Gender Dating Gap“: Männer daten nach „unten“Doch das Gegenteil stimmt: Intelligente Frauen waren für Männer weniger begehrenswert. Auch die Themen Geld und Erfolg bergen Konfliktpotenzial: Eine Studie der britischen Universität Bath belegt: Wenn eine Frau mehr verdient als ihr Mann, fühlt er sich gestresst. Am wohlsten fühlt Mann sich, wenn sie zum Familieneinkommen bis zu 40 Prozent beiträgt. Männer daten also lieber nach „unten“. Auch vermeintlich feministische Männer bevorzugen es, wenn in der heterosexuellen Partnerschaft die traditionellen Geschlechterrollen gelten. Die Journalistin Anne-Kathrin Gerstlauer hat dafür sogar einen Begriff geprägt: „Gender Dating Gap“.Mit diesen deprimierenden Fakten im Hinterkopf kann man Elitepartner eigentlich gar nicht böse sein. Wir können toben, wie wir wollen. Doch offensichtlich sind wir nicht so weit und intelligente wie erfolgreiche Frauen müssen sich weiter verbiegen, um das männliche Ego nicht zu verletzen und dem Traum des „happily ever after“ näher zu kommen.Doch ich lasse mich von Fakten nicht vom Pöbeln abbringen. Wie glücklich kann eine Beziehung denn werden, wenn frau von Anfang an ihr Licht unter den Scheffel stellen soll? Wer seinen Doktor mit summa cum laude gemacht hat, weist neben Intelligenz auch noch andere Eigenschaften auf: Ehrgeiz, Zielstrebigkeit und Arbeitseifer. Es ist dann nicht unwahrscheinlich, dass sie dann auch im Job erfolgreich ist. Warum also jemanden daten wollen, der damit nicht zurechtkommt? War der Artikel nicht mit „So finden Sie als intelligente Frau einen passenden Partner“ betitelt? Offensichtlich stand da im Kleingedruckten: ohne Gewähr.Mir fiel eine Szene im Nibelungenlied ein – ich meine hier konkret das Heldenepos von Beginn des 13. Jahrhunderts. Lassen Sie es mich kurz zusammenfassen: Brünhild ist die Königin von Island, hat übernatürliche Kräfte und akzeptiert keinen Mann, der sie nicht besiegen kann. Gunther aus Burgund hat sich in den Kopf gesetzt, sie zu heiraten. Mithilfe seines Buddys Siegfried kann er sie bei den Wettkämpfen besiegen. Also heiraten sie. Nach der Hochzeitsnacht verliert Brünhild ihre Kraft und Macht, ist fortan eine gewöhnliche Frau. Kein guter Deal, wenn man mich fragt.Dieses Narrativ von der „gezähmten“ Frau, die sich dem Mann nach einem Kampf unterwirft und somit unterwürfig wird, zieht sich durch das gesamte Mittelalter. Es war auch ein beliebtes Thema für derbe Kurzgeschichten, die wahrscheinlich in einer Taverne vor versammelter Kundschaft erzählt wurden. Der Aufbau war dabei ziemlich simpel: Es gibt eine Umkehrung der Geschlechterrollen, die Frau ist zu Beginn beispielsweise ein zickiges Biest und ungehorsam. Der Mann muss sie mit List und Kraft unterjochen, um somit die gottgegebene Ordnung wiederherzustellen. Ein Brüller, der die Jahrhunderte überdauerte. An diese Tradition knüpft dann auch William Shakespeare mit Der Widerspenstigen Zähmung an. Und das Narrativ ist immer noch nicht ausgestorben. Viele romantische Komödien lassen sich zusammenfassen mit: Gestresste Businessfrau in New York lässt gesamtes Leben hinter sich, weil sie einen unterdurchschnittlichen Mann kennengelernt hat.Teilweise trägt es absurde Züge. In Kate & Leopold,einer US-Komödie mit Meg Ryan in der Hauptrolle, geht es um eine Marketingmanagerin, die einen Zeitreisenden aus dem 19. Jahrhundert kennenlernt. Nach einigem Hin und Her realisiert sie, dass ihr bisheriges Leben doof ist, und beschließt, mit ihm in der Vergangenheit zu leben und zu heiraten. Denn natürlich gibt Frau liebend gerne grundlegende Rechte und Möglichkeiten für die Liebe ihres Lebens auf. Bei Sweet Home Alabama,einer Liebeskomödie mit Reese Witherspoon in der Hauptrolle, ist es eine ähnliche, wenngleich nicht ganz so schlimme Situation. Da bricht Melanie ihre Zelte in New York ab, um in Alabama zu leben, von wo sie einige Jahre zuvor noch geflohen ist. Und alle frohlocken, dass der Süden sie wiederhat.Bewältigung dank PenisNatürlich wird nicht mehr gezeigt, wie es im Alltag weitergeht, wie Kate rausfinden muss, dass es 1876 keine Tampons gibt, oder Melanie merkt, dass es gute Gründe für die Flucht nach New York gab. Doch es zeigt sich eine interessante Dynamik: Alles, was die Singlefrau geleistet hat, und alles, was sie war, wird aufgegeben für eine Beziehung. Nicht nur das: Alles, was sie getan hat, bevor sie den Einen getroffen hat, ist falsch. Der Ehrgeiz wird zu einer zwanghaften Marotte, die Unabhängigkeit zum Bewältigungsmechanismus eines Traumas, das nur ein Penis durchbrechen kann.Nie werden Szenen gezeigt, in denen ein Kompromiss gelebt wird. Etwa: Die Protagonistin kündigt beim Arschlochchef, macht sich selbstständig und ist weiterhin erfolgreich plus Beziehung. Nope. Es gibt ein Leben als Single (falsch) und ein Leben als Paar (richtig). Wie bei Brünhild verlieren die weiblichen Charaktere in RomComs nach einer guten Hochzeitsnacht die männlichen Eigenschaften und werden gezähmt.Das zieht sich auch durch sämtliche Sitcoms und prägt unser Verständnis von Beziehungen stark. Eine Singlefrau wird nicht als mündiges Wesen wahrgenommen. Egal, was sie tut oder möchte, alles wird nur unter Vorbehalt geglaubt. Bis ein Typ um die Ecke kommt und sie endlich merkt, dass dieses ganze Stadtleben und Emanzipation total falsch sind. Oft wird der potenzielle zukünftige Partner auch zur Instanz für Entscheidungen.Wenn sie sagt, dass sie keine Kinder haben möchte, wird sie gefragt: „Aber was ist, wenn dein absoluter Traumprinz Kinder möchte?“ Wenn sie sich entscheidet, einen neuen Job anzufangen, kommt die Frage: „Aber was ist, wenn dein zukünftiger Partner ein Problem damit hat?“ Dass die Antwort ist: „Ja, dann passen wir nicht zusammen“, darauf kommen die Fragenden häufig nicht. Alle Wünsche und Träume des Singles scheinen etwas, was dieser beliebig abstellen kann. Das Konzept Traummann ist so abgekoppelt von den Bedürfnissen der Frau, dass eine tatsächliche Kompatibilität der Partner*innen kein Faktor für die Beziehung ist.Elitepartner gibt zwar vor, nicht zu wissen, wie jener Artikel veröffentlicht werden konnte. Doch eigentlich sollte es niemanden wundern. Die Vorstellung, dass jemand mit einem Doktor summa cum laude dann auch habilitiert und daher eine Beziehung mit einem Mann, der ein Problem mit intelligenten Frauen hat, suboptimal ist, scheint abwegig. Der Glaube, dass durch eine Beziehung die Frau schon auf den richtigen Weg geführt wird, sitzt tief. Deswegen kann sie sich auch ein bisschen verstellen und verbiegen. Das Wichtigste ist erst einmal ein Partner, der Rest findet sich schon. Mit dem Horrorszenario der vertrockneten Jungfer vor Augen gibt man Frauen das Gefühl, dass sie sich für die männlich konnotierten Eigenschaften schämen sollten.Dabei sollte das Gegenteil der Fall sein: Ein Mann mit Kinderwunsch ist eben nicht der beste Partner für jemanden ohne Kinderwunsch. Und ein Mann, der keine intelligente Frau möchte, sollte sich keine solche Partnerin suchen. Niemand sollte seine grundlegenden Charakterzüge verneinen, vor allem wenn diese eigentlich etwas Positives sind. Und seien wir ehrlich: Sie werden niemanden einschüchtern, der es wert ist.Aber vielleicht war der Artikel von Elitepartner auch nur ein Geschäftstrick. Als Singlebörse hat man ja eigentlich nicht das Interesse, dass die Kundschaft in glücklichen und langlebigen Beziehungen ist. Mit diesen Tipps wäre das auf jeden Fall erreicht.Placeholder authorbio-1