Wie Rollen verteilt werden

Blackfacing Weiß nicht jeder: Was sich alles mit der rassistisch geprägten Theatertradition des "Blackfacing" verbindet. Ein Podiumsgespräch im Berliner Ballhaus Naunynstraße

Fern vom 49. Theatertreffen wurde anlässlich zweier Inszenierungen im Schloßparktheater und im Deutschen Theater in Berlin über eine problematische Theatertradition debattiert: das Blackfacing. Ein „Stilelement“ der szenischen Aufführung, bei der sich weiße Schauspieler das Gesicht mit schwarzer Farbe anmalen. Es geht zurück auf eine amerikanische Showtradition des 19. Jahrhunderts, in der weiße Schauspieler Schwarze stereotypisch und abwertend darstellten, etwa mit dicken, roten Lippen, affenartigen Bewegungen und brüchiger Artikulation. Es handelt sich also um eine rassistische Theatermaskerade.

Moderator Mekonnen Mesghena eröffnet den Abend im Ballhaus Naunynstraße mit der Überlegung: In welcher Gesellschaft leben wir? Und die Frage macht klar, dass es nicht allein um das bloße Anmalen mit Schminke geht – Blackfacing ist, wie der Schauspieler Michael Ojake sagt, nur ein Symptom. Symptom für ein Welt-und Menschenbild, von dem viele meinen, dass es gar nicht mehr existiere.

Mancher könnte (Konjunktiv!) nun sagen, die Betroffenen reagierten überzogen oder seien zu empfindlich. Dann liegt der Fehler aber schon darin, von „Betroffenen“ als einer separaten Gruppe zu sprechen: Denn Rassismus und dessen noch so vermeintlich kleine Auswüchse betreffen jedes Mitglied einer Gesellschaft – egal, ob schwarz oder weiß. Es lässt sich zwar nicht leugnen, dass wir den Unterschied bei Hautfarben prägnanter wahrnehmen als bei der Haarfarbe. Die Frage aber ist, wie wir damit umgehen; welche Bedeutung wir dem Unterschied zur eigenen Hautfarbe beimessen und welche Assoziationen wir damit verbinden.

„Positiver Rassismus“

Wenn Dramaturgen oder Schauspieler „schwarze Rollen“ mittels Blackfacing stereotypisch umsetzen, und es mit dem Argument begründen, das Stück sei insgesamt anti-rassistisch, darum sei die verwendete Schminke auf keinen Fall als Rassismus zu sehen, oder wenn auf den Brecht'schen Verfremdungseffekt verwiesen wird, dann geht diese Haltung an der Lebensrealität der dargestellten Menschen vorbei. Es mangelt hier nicht nur an Einfühlungs-, sondern auch an Vorstellungsvermögen: schwarze Hautfarbe ist kein Synonym für Fremdheit und sollte folglich auch nicht für die Markierung solcher verwendet werden. Wo dies aber so ist, wird ein verdeckter Rassismus deutlich, der den Menschen oftmals nicht bewusst ist, was aber keine Rechtfertigung ist.

Und genau hier liegt das Problem. Auch vermeintlich positiv geäußerte Klischees wie „Schwarze ficken besser, tanzen besser, rennen besser“, wie die Journalistin und Buchautorin Nadja Ofuatey-Alazard (Wie Rassismus aus Wörtern spricht, Unrast-Verlag 2011) es formuliert, sind diskriminierend. Man kann sich als Weißer in diesem Teil der Welt wohl nicht vorstellen, wie sich eine solche Abwertung anfühlen muss, das dauernde Verklumpt-Werden zu einer Gruppe aufgrund eines Differenzmerkmals. Aber es spielt eben keine Rolle, ob die Abwertung vorsätzlich böse, gutgemeint oder aus Unwissen geschieht: Es gibt keinen „positiven Rassismus“.

Perspektivenwechsel

Wie sich Gedankengut konstituiert, Begriffe fortleben, ist auch abhängig von Wortführern und Menschen in Machtpositionen. Die Veränderung dieser Schlüsselpositionen sind im Kampf gegen die Diskrimierung also ein politisches Ziel: Der Weg zu einem Perspektivenwechsel führt über Institutionenbildung für einen offen Diskurs und Veranstaltungen wie die gestrige. Aber auch über jeden Einzelnen einer Gesellschaft. Ein Besucher aus dem Publikum schlug etwa vor, die Verwendung rassistischer Begriffe zu kontern, nicht nur durch das Erklären von Empfindungen (dabei gerät man allzu leicht in die Gefahr als "subjektiv", "empfindlich", "Opfer" abgestempelt zu werden), sondern auch verbal den Spieß umzudrehen.

Die Podiumsdiskussion war im übrigen so gut besucht, dass sie mit Verzögerung begann, da im Ballhaus noch Platz für den enormen Andrang geschaffen werden musste. Das allein zeigt Aktualität und Brisanz des Themas „Rassismus“.

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