Man kann stutzig werden in der letzten Zeit und sich sorgen, ob Angela Merkel vielleicht jüngst wieder von den Skiern gestürzt ist und sich in einem längeren Krankenhausaufenthalt befindet. Krisenherde in der Ukraine, die IS- Terrororganisation in Kobane, Ebola, ja sogar die kürzlich begangene Feier zur Wiedervereinigung – all diese Ereignisse scheinen die Kanzlerin nicht wirklich aus der Reserve locken zu wollen. Richtlinienkompetenz hin oder her, Frau Merkel hat`s ja bekanntermaßen nicht so mit voreiligen Meinungsäußerungen und stringente politische Linien fahren heutzutage scheinbar auch nur noch die Loser. Das hat sie in den vergangenen neun Jahren vorbildlich unter Beweis gestellt. Ob nun bei der Rente, der Bankenregulierung, dem Euro, der Haltung Deutschlands im Uno-Sicherheitsrat im Libyen-Konflikt, dem NPD-Verbot, dem Betreuungsgeld, der Ökostromumlage oder der Homo-Ehe, stets hielt sich die Bundeskanzlerin mit klärenden Worten lange zurück, ließ mit Entscheidungen lange auf sich warten.
Merkel sitzt politische Themen mehr als nur aus
Dabei hat die Kanzlerin die Kohlsche Aussitzmanier perfektioniert. Sie wartet nicht einfach nur ab, dass unbequeme Themen verschwinden, oder sich gegebenenfalls von alleine lösen. Nein, sie bereichert sich außerdem am subjektiven Handlungsdrang ihrer parlamentarischen Mitbuhler. Sie schickt rote, grüne und früher auch mal gelbe Vorreiter ins Feld, zum allgemeinen Stimmungstest. Fällt dieser im mehrheitlichen Teil der Bevölkerung positiv aus, wie damals beim Mindestlohn, erst dann ist die Bundeskanzlerin gewillt, ein Thema entsprechend politisch zu besetzen. Ist die Stimmung allerdings unklar und diffus, oder können nicht alle involvierten Parteien mit einer Position befriedigt werden, wie jüngst beim NSA-Skandal der Fall, schweigt die Kanzlerin lieber - und mit ihr halb Deutschland. Nur wie kommt das? Warum fahren die großen Parteien mehrheitlich den Trend zur politischen Mitte und wirken dadurch rückgratlos und aalglatt? Die Antwort ist simpel. Frau Merkel und vielen anderen aktiven Politikern ist scheinbar auf ihrem Karriereweg eines abhandengekommen: ihre politischen Ideale.
Für wahr, die Geschichte hat viele Ideologien zum Scheitern verurteilt. Aber lebt nicht gerade die Politik von Idealen, von Menschen, die für ihre Überzeugungen bereit sind in heiße Diskussionen und Debatten zu ziehen? Und sind diese Ideale nicht auch der Nährboden parteipolitischen Engagements? Was ich derzeit leider zu oft erlebe, ist eine von Opportunismus und von Pragmatismus zerfressene Politik, die leider schon vor langer Zeit vergessen hat, dass Parteimitgliedschaft auch heißt, für politische und gesellschaftliche Ziele „Seit an Seit“ einzustehen. Aber vielleicht geht es ja auch gar nicht mehr ums Anpacken und Umsetzen gemeinsamer Ideen. Vielleicht sitzt die „Generation Merkel“ des Spiegels nicht nur in den blau-weißen Katakomben der Jungen Union, sondern ist zum Phänomen einer jungen Generation geworden, die gelernt hat, dass einem Ideale auf der Karriereleiter nur im Wege stehen. Man denkt einfach das, was der Chef, die Eltern, die Parteispitze oder der Uni-Professor denkt. Ist einfacher und erleichtert einen möglichen politischen und beruflichen Aufstieg ungemein. Außerdem wird meiner Generation dieses Verhalten tagtäglich vorgelebt. Eine nach Außen zufriedene (oder aber nach Innen resignierte), parteienübergreifende Übereinstimmung mit dem Status quo macht sich breit und Idealvorstellungen sind weitestgehend über Bord geworfen worden.
Ideologische Bataillen wollen nicht mehr geschlagen werden
Dadurch entsteht Bedarf, diese Lücke zu füllen – mit endlosen Diskussionen ohne Ziel und Verstand, mit politischen Floskeln und mit vorgeheuchelten Worten, in mangelnder Informationspolitik und gläsernen Bürgern, die zum Stimmvieh degradiert werden, damit eben unsere Generation mitschweigt und das Spielchen – wenn sie es durchschaut - am besten noch mitspielt. Und wer ganz schlau ist, bringt schon von Zuhause aus eine gewisse desillusionierte Persönlichkeit mit, um nicht die ideologischen Bataillen der Vergangenheit schlagen zu müssen – denn die Wahrheit einer politischen Idee bemisst sich heute sowieso nur noch am persönlichen Erfolg einzelner.
Dass man erfolgreich sein kann und von der Gesellschaft hofiert wird, ohne politisch für mehr einzustehen, als für den Besitz des eigenen Parteibuches, das beweist Angela Merkel seit fast zehn Jahren. Warum soll man sich auch die Finger schmutzig machen, wenn andere für einen in die Bresche springen. Wenn`s gefällt, springt Merkel halt schnell mit auf den Zug. Früher in der Schule nannten wir solche Kinder immer „Trittbrettfahrer“. Komischerweise wurden die von uns nie dreimal in Folge zum Klassensprecher gewählt. Naja, Ideale sind halt nicht mehr in, man zerreißt sich nicht mehr für politische Utopien. Und solange die Kanzlerin „ (..) will, dass es Deutschland gut geht“, ist ja sowieso alles in Butter. Allerdings, besonders anspruchsvoll war so ein Verhalten schon zu Schulzeiten nicht. Und auch auf Twitter sieht man das ähnlich, denn „wollen ist wie machen. Nur fauler.“
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