Neue Museumsbauten: Die kotzende Wucht einer Treppe

Meinung Ob die Kunstscheune neben der Neuen Nationalgalerie oder das Kunstmuseum Basel: Unsere Autorin findet, dass die Kunst bessere Bauten verdient hat. Und erklärt nebenbei, warum eine Petersburger Hängung nicht mehr geht
Ausgabe 20/2023
Kunstmuseum Basel: Schön ist das nicht, oder?
Kunstmuseum Basel: Schön ist das nicht, oder?

Foto: Imago/imagebroker

Man kennt’s ja im Kleinen: Wie und wo hängt man die Kunst (beziehungsweise Kunst-Poster) am besten auf? Wo ist sie sicher vor Kinderkotze? Bekommt sie über dem Sofa genügend Licht? Petersburger Hängung, ist das denn wohl noch erlaubt? Und neulich im Gespräch mit der sehr freundlichen und schlauen PR-Frau der Fondation Beyeler in Riehen bei Basel kam eben die Frage im Großen auf: In welchen Bauten sollte eigentlich Kunst gezeigt werden?

Wir kamen, glaub’ ich, drauf, weil wir über Berlin sprachen. Über das so schreckliche Humboldt-Forum, über das man ein ganzes Jahr durchgängig – auch im Schlaf – den Kopf schütteln könnte und immer noch nicht verarbeitet hätte, wie es zu dieser unglaublichen Zerstörung der Stadt hatte kommen können. Und über das sogenannte, sich derzeit im Bau befindende Museum der Moderne am Berliner Kulturforum von den Architekten Herzog & de Meuron, die ja in Basel ansässig sind. Wenn ein Haus einen Spitznamen hat, bevor es erbaut wurde, ist das meist kein so gutes Zeichen. Vor allem, wenn der Spitzname wie in diesem Fall „Kunstscheune“ ist. Und um es noch schlimmer zu machen, hat man sich von Seiten der Verantwortlichen einen anderen Namen ausgedacht: „berlin modern“. Die Entwurfsbilder jedenfalls sehen so aus, als solle hier in Zukunft Kunst deponiert werden, ein bisschen so wie in den Selfstorage-Boxen, die ja – nebenbei bemerkt – ein wirklich interessantes Symptom der neuzeitlichen Städtebaupolitik, weil Ausdruck von zu viel Besitz und zu wenig Raum, sind.

Jedenfalls: Derzeit liegt das Loch hinter Zäunen zwischen Nationalgalerie und St.-Matthäus-Kirche und reißt das Maul auf. Hinein fällt: Eine Menge Geld (jetzt schon doppelt so teuer wie geplant), Klimaschutz (vollkommen unzeitgemäße Energieverschwendung durch Glasfronten) und der Blick auf die heilige Philharmonie (Wie viel wird man von ihr noch sehen? Schon jetzt machen besorgte Bürger Blickachsentests). Es ist zum Mäusemelken.

Museen für Menschen bauen, die Kunst sehen wollen

So klagte ich der netten – selbstverständlich neutral bleibenden – Kunstfrau in einem schönen Schweizer Garten mein Leid. Und wir überlegten so grundsätzlich, in welcher Architektur Kunst eigentlich gezeigt werden könnte. Vielleicht – so überlegte ich laut – wird Kunst, solange sie auch Ausdruck von Besitz und Macht ist, eben auch in machteinflößenden, schrecklichen Gebäuden gezeigt, und folglich kann nur die Demokratisierung von Kunst zur guten Museumsarchitektur führen?

Am Nachmittag ging ich dann in den neuen Erweiterungsbau des Kunstmuseums Basel, der auch nicht mehr so neu ist, 2016 eröffnet worden, entworfen von Christ & Gantenbein Architekten, und ich war regelrecht angewidert. Von der Grauheit der Hauptmaterialien Beton, Marmor und feuerverzinkter Stahl, die deprimierte und einen einhüllte wie der tödlich kalte Atem irgendeines Harry-Potter-Bösewichts. Von der Schwerfälligkeit der Türen, der kotzenden Wucht der gerne als „monumental“ beschriebenen Treppe, den an Erlebnisgastronomie erinnernden Toiletten. Dann dieser kleinteilig verklebte Eichenparkettboden, der ganz wuschig macht. Der verloren platzierte Museums-Shop im Eingangsbereich. Hier war ja wirklich alles schiefgegangen!

Die Fondation Beyeler übrigens hat Renzo Piano entworfen. Nach vielen Seiten offen, zu weitem Feld, blühender Lupine und Seerosenteich. Kunst sollte sich nicht abgrenzen. Ein banaler Gedanke. Kunst sollte vor Diebstahl gesichert werden. Ein pragmatischer. Kunst sollte in Räumen sein, die ihr das rechte Licht spenden oder entziehen. Und Museen sollten vor allem nicht für die Kunst oder die Sammler gebaut werden, sie müssen für die Menschen gebaut werden. Und Petersburger Hängung geht übrigens nicht mehr, aber aus ästhetischen, nicht aus politischen Gründen.

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