Late-Night-Show „Reschke Fernsehen“: Wie jeder Witz garantiert stirbt

Das Erste Anja Reschke startete ihre neue Sendung mit dem Thema Bayern. Das war weder großes Kino noch knallharter Journalismus. „Reschke Fernsehen“ zeigte vor allem, wie traurig das Format Late-Night-Show im Grunde ist
Ausgabe 06/2023
Reschke Fernsehen: Typischer Late-Night-Monolog, nur irgendwie ohne Gags
Reschke Fernsehen: Typischer Late-Night-Monolog, nur irgendwie ohne Gags

Foto: Thorsten Jander/NDR

Die Journalistin und Moderatorin Anja Reschke macht jetzt eine Unterhaltungssendung in der ARD und das scheint eine große Nummer zu sein, schließlich berichteten die großen Zeitungen schon vorab, schickten ihre alten Herren vor den Bildschirm. Und das Ergebnis kann man gleich verraten: Die finden die Sendung, die als eine Late-Night-Show angekündigt wurde, gar als Konkurrenz zu Jan Böhmermann, nicht lustig. Dabei ist die Frage nicht, ob Anja Reschke lustig ist. Sondern viel mehr, ob Late-Night-Formate überhaupt noch lustig sein können? Beziehungsweise wollen?

Das Problem wird schon am Anfang der ersten Folge Reschke Fernsehen, die jetzt in der ARD ausgestrahlt wurde, deutlich. Denn die beginnt nicht mit einem Witz, nicht mit einem Showtreppen-Auftritt und dem darauf folgenden Late-Night-Monolog. Sie beginnt mit einem ernsten und ganz realen Ausschnitt aus einer Talkshow, bei der unter anderem Reschke und AfD-Gauland sitzen. Letzter führt den Begriff „Reschke Fernsehen“ ein, um eine angebliche „Propaganda pro Flüchtlinge“ der öffentlich-rechtlichen Medien zu behaupten. Denn Reschke wurde mit einem Tagesthemen-Kommentar so richtig berühmt, in dem sie Hetze gegen Flüchtlinge kritisierte und daraufhin viel Beleidigungen erfuhr. Und so heißt nun die Sendung Reschke Fernsehen. Eine Sendung also, für alle, die die AfD doof finden. Wir gegen die.

Der typische Late-Night-Monolog folgt dann trotzdem, nur irgendwie ohne Gags, sondern mit scheinbar nötigen Selbsterklärungen, die das ganze Stocken der Sendung noch deutlicher machen: „Was ist das eigentlich?“, fragt Reschke bezogen auf ihr Sendungsformat. „Eine Show!“, antwortet sie. Man mache hier „ganz großes Kino“. Aber das mit der Show, das sei nur Verkaufe an ihre Chefs. In Wirklichkeit würde man hier nämlich „knallharten Journalismus“ machen. Das solle man aber niemandem sagen. Reschke hat einen Schreibtisch, einen offenen und sie hat eine Big Band, aber macht eine Show, die keine Show sein will. Sondern dem Bildungsauftrag nachkommen, indem sie ihn unters Essen mischt.

Dirndl, CSU, Dialekt, Länderfinanzausgleich, Fracking

Nur dummerweise ist das auch kein knallharter Journalismus. In der ersten Sendung geht es um Bayern. Spezifischer kann man das jetzt leider nicht beschreiben, denn so richtig klar wird das Thema der Sendung auch nach der zweiten Sichtung nicht. Wo andere Late-Night-Formate einen Skandal aufdecken, ein Aufreger-Thema monologisierend behandeln, da geht es bei Reschke Fernsehen um gegensätzliche Aussagen von Markus Söder bezüglich erneuerbarer Energien, um Windkraftgegner, um die 10-Stunden-Regel, um Trassen und Freileitungen. Erdkabel. Aber dann bald auch schon um bayerische Identität. Dirndl. CSU. Dialekt. Um Bundesausgaben für bayerische Straßen. Bayerischen Einfluss in Berlin. Desaströse Verkehrsminister, die meist aus Bayern kommen. Länderfinanzausgleich. Und dann geht es wieder um Fracking.

Komplizierte Themen also, und dazwischen entsteht natürlich wenig Lustigkeit. Denn in der Zeit, in der man die 10-Stunden-Regel beschreibt, stirbt so ziemlich jeder Witz. Was die Frage aufwirft: Wenn Themen in Late-Night funktionieren, sind sie dann etwa sehr verkürzt dargestellt? Oft macht man sich in Reschke Fernsehen über Herkunft und Identität lustig, um dann aber schnell zu versichern, dass Reschke das darf, denn sie ist echte Bayerin. Um das zu beweisen, trägt sie ein Dirndl. Man bleibt also in den alten Schablonen, um sich über die alten Schablonen lustig zu machen.

Muss man das Menschen unter die Show-Snacks mischen?

Einen anderen großen Teil der Sendung macht man sich über Windkraftgegner lustig. Haha, die im Süden wollen, dass Windräder im Norden gebaut werden, aber nicht vor der eigenen Tür. Da kann man sich natürlich drüber lustig machen. Aber ist dieser Widerspruch nicht viel interessanter als der Witz darüber?

Der Erfolg der internationalen Late-Night-Formate der letzten Jahre scheint nachvollziehbar. Die Welt ist mies – und was da hilft, ist kein Humor, sondern ein gutes Gefühl. Solange Böhmermann noch bei Twitter ranted, sind wir doch nicht ganz alleine, nicht ganz verloren, oder? Einen gemeinsamen Feind zu haben, die AfD, Corona-Leugner, Windkraftgegner, das kann vielleicht tröstlich sein, jedoch nicht mehr so richtig lustig. Denn leider wird ja kein einziges Windrad aufgebaut, indem man sich über doofe Leute lustig macht.

Und so wird das Prinzip Late-Night nicht nur immer unlustiger, sondern sogar traurig, und zwar wenn man darüber nachdenkt, dass es Menschen gibt, denen Politik so vermittelt werden muss: schnell, päckchenhaft, schwarz, weiß. Oder ist es vielleicht noch trauriger, zu denken, man müsse es den Menschen so unter die Show-Snacks mischen?

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