Sophie Passmanns „Studio Orange“: Vielleicht doch genialer, als wir dachten?
Literatursendung Die erste Folge von Sophie Passmanns neuer Literatursendung war schwer zu ertragen. Warum die zweite Folge von „Studio Orange“ mit Michel Friedman und Mithu Sanyal so viel besser ist
Sophie Passmann, Mithu Sanyal und Michel Friedman: Die ganz große Einigkeit ist möglich!
Foto: Christiane Pausch/rbb
Vielleicht ist es alles viel genialer, als wir nach der ersten Folge dachten. Vielleicht musste es so sein, dass erstmal alles schiefgegangen ist. Studio Orange, die neue Literatursendung von Autorin/Schauspielerin/Comedian/Insta-Girl Sophie Passmann, bestand eigentlich größtenteils aus frechen Einwürfen, die zeigen wollten, wie witzig, wie klug, wie out-of-the-box Sophie Passmann ist, und vermutlich ist sie das wirklich, aber leider hat das Team alles dafür getan, die erste Sendung so zu schneiden, dass es so erschien, als hätte die Moderatorin weder Interesse an ihren Gästen, noch an den Büchern, die sie geschrieben haben oder die sie hier mitgebracht haben, um darüber zu sprechen – sondern vor allem an sich selbst.
darüber zu sprechen – sondern vor allem an sich selbst.Es war belastend. Sophie Passmann versuchte über Literatur zu reden, in dem sie darüber redete, dass sie nicht darüber redet. Ein anderes Sprechen über Literatur wurde angekündigt, ganz anders soll es sein, als die alten Menschen vor ihren Bücherregalen das machen, und für die junge Zielgruppe wurde dann eben alles personalisiert und ironisiert: das Interesse an Literatur, das Nicht-Interesse auch und man wusste dann gar nicht mehr, warum sich ständig alles von sich selbst zu distanzieren scheint. Was so schade ist, denn da war zum Beispiel Helene Hegemann zu Gast, eine der schlausten, interessantesten, besten Schriftstellerinnen, die wir in Deutschland haben, in der Passmann aber nur ihre eigenen Shitstorm-Erfahrungen im Literaturbetrieb gespiegelt haben wollte.Noch eine Pointe: So kämpfte Sophie Passmann um LiebeUnd der Schnitt grätschte in jedes Gespräch, so war man geradezu sauer beim Zuschauen. Auch weil man die ganze Folge über das Gefühl nicht loswurde, dass hier die Moderatorin um Anerkennung, um Liebe kämpft, in dem sie ständig noch einen Spruch, noch eine Pointe platzierte und man kennt es ja: Je mehr man das versucht, desto eher wird sich jemand dadurch an sich selbst erinnert fühlen, an das eigene Ringen danach und dann – um die Traurigkeit darüber zu vergessen – zuschlagen. Dementsprechend negativ waren die Kritiken. Aber jetzt kommt die gute Nachricht: Seit gestern Nacht ist die zweite von erstmal (?) drei Folgen online. Mithu Sanyal und Michel Friedman sind zu Gast. Und es ist wirklich schon sehr vieles besser in dem neuen Literatur-Format des RBB in der ARD-Mediathek. Nicht nur, weil Mithu Sanyal sich so sympathisch die Schuhe ausgezogen hat. Sondern vor allem, weil die Sendung 15 Minuten länger dauert, und diese Zeit endlich dafür genutzt wird, über Bücher zu sprechen, Passmann auch mal zuhört. Und weil es ein Thema gibt, das sich durch die Sendung zieht.Als Erstes braucht Passmann natürlich Wein, dann sagt sie wieder, was sie alles nicht machen möchte und bis das erste Mal über Bücher geredet wird, müssen wir erfahren, wann Passmann Friedmans Visitenkarte bekommen hat, welche Haarfarbe sie 2019 hatte, dass sie sie aus Liebeskummer umfärben musste. Aber dann geht es wirklich los!Verläuft bei „Studio Orange“ alles nach einem großen Plan?Ob es Friedman vor dem Schreiben seines Buches Fremd besser ging oder hinterher, fragt sie und muss gleich hinterherschreien, dass das ja eine gute Frage sei, was so schade ist, weil man dann vergisst, dass es ja eine gute Frage ist. Aber egal, denn Michel Friedman hat die wunderbare Angewohnheit, Sätze zu sprechen, die schon einzeln mehr hergeben als anderer Leute ganzen Bücher. „Der Preis an der Eingangstür zum Wir bedeutet einfach zu viel Ich“, sagt er später und das hätte man gerne genauer erklärt bekommen. Schmerz habe so viel Hunger, sagt er einen anderen schönen Satz, und: „Ich bin auf einem Friedhof geboren.“ Und wenn Passmann wieder dazwischen spricht, nur um etwas zu sagen, ruft Friedmann: „Wir wollen doch jetzt Kontexte bauen!“ Und damit ist die Sendung natürlich schon gelungen.Um Minute 14 herum bekommt man dann aber das Gefühl, dass bei Studio Orange vielleicht doch alles nach einem größeren Plan verläuft. Dass die erste Folge so unangenehm sein musste, weil wir nun erfahren, dass der Eindruck stimmte: Sophie Passmann kann schwer glauben, dass sie geliebt wird. Und genauso geht es Friedman. „Wenn du gedisst wirst, hat das Konsequenzen für deine Seele“, sagt Friedman und so liegt man sich gefühlt in den Armen, mit Moderation, Gästen und Mitschauenden. Denn so geht es ja uns allen! Die ganz große Einigkeit ist möglich.Um Mithu Sanyals neues Buch über die Schriftstellerin Emily Brontë geht es dann leider nur wenige Minuten, weil man der Autorin mit dem unheimlich großen Talent, Debatten zu befrieden und Standpunkte so zu erklären, dass sie weniger Menschen abschrecken, stundenlang zuhören möchte. Aber man bekommt auch hier gute Impulse zum Sendungsthema. Sanyal erzählt etwa, dass Partnerschaft funktioniere, wenn beide daran glaubten, dass es eine Liebe sei, die sich lohnte, beschützt zu werden. Oder wie sich die Menschen unterteilen, in jene, die sich für liebenswürdig halten und jene, die glauben, Liebe sei nur etwas für andere Menschen.Also, wenn wir Sophie Passmann noch ein bisschen mehr lieben, dann kann das alles wirklich gut werden hier.
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