„Schluss mit dem Geplapper von der russischen Seele“

Interview Die Soziologin Polina Aronson erforscht, wie sich in Russland der Hang zur Selbstoptimierung durchgesetzt hat und warum viele jetzt anfällig für die Slogans der Regierung sind
Exklusiv für Abonnent:innen | Ausgabe 21/2022
Viele Russen müssen nun mit Gefühlen von Schande und Trauer leben – da hilft kein Yoga oder Bauchatmen
Viele Russen müssen nun mit Gefühlen von Schande und Trauer leben – da hilft kein Yoga oder Bauchatmen

Foto: Kate Smuraga

Im postsowjetischen Russland sind neoliberale Vorstellungen von Eigenverantwortung und Selbstoptimierung seit Jahren tief in den Köpfen der Menschen verankert, sagt die Soziologin Polina Aronson. Doch jetzt debattiert die dortige PsychologInnen-Szene: Ist der Krieg ein Trauma für die Einzelnen? Oder hat der Fokus auf das Selbst ausgedient? Unterdessen entwirft der Kreml einen neuen Diskurs der Selbstaufopferung. Polina Aronson erklärt, wie in Russland zurzeit Individualismus und Propaganda aufeinandertreffen.

der Freitag: Frau Aronson, Sie stammen aus Sankt Petersburg und leben in Berlin. Sie arbeiten als Autorin und Soziologin der Emotionen. Womit beschäftigen Sie sich?

Polina Aronson: Ich habe in den letzten Jahren über die Einstellungen von jungen Menschen in Russ