Jeder kennt solche Sätze. Sie sind leer. Und was sie behaupten, ist tautologisch. Zum Beispiel: Gott ist Gott. Das Subjekt des Satzes ist identisch mit seinem Objekt. Man erfährt nichts, was man nicht schon wüsste. Der Satz Gott ist Gott scheint nichts auszusagen. Und trotzdem handelt es sich um einen Satz, mit dem man eine Aussage macht. Indem man nichts aussagt, sagt man dennoch etwas aus. Man sagt Nichts aus. Und zwar ein ganz bestimmtes Nichts. Denn was der Satz leistet, ist der Leere eine fassbare Gestalt zu geben. Zum Beispiel: Gott.
Als Kind hat man solche Sätze immer dann gehört, wenn das Nachfragen beendet werden sollte. Wenn einem keine Antwort mehr einfällt, kann man immer noch auf die Sache selbst verweisen. Auf die Frage nach Gott lässt sich zwar eine unendliche Anzahl von Eigenschaften aufzählen, aber die Frage als solche kann niemals beantwortet werden. Es sei denn, man beendet das Nachfragen mit dem einzig adäquaten Satz: Gott ist Gott. Zumindest eine Funktion solcher Tautologien scheint darin zu bestehen, eine Grenze zu ziehen. Wie in den zahlreichen Alltagsgesprächen, die früher oder später darauf hinauslaufen, dass die Welt nun mal so ist, wie sie eben ist.
Gott ist Gott
Was sich zunächst wie eine leere Floskel anhört, dient tatsächlich dem Zweck, das Feld möglicher Aussagen zu begrenzen und dadurch zu aller erst als Feld zu etablieren. Im theologischen Feld der Schöpfung markiert Gott das zugleich volle und leere Element, das alle anderen Elemente erst als der Schöpfung zugehörig ausweist. Ohne dieses Element wäre kein kohärentes Sprechen über die Schöpfung möglich. Nur weil es ein Element gibt, das der Leere jenseits der Begrenzung des Feldes eine Gestalt gibt, indem es sie auffüllt, kann das Feld als geschlossen erscheinen. Dass die Frage nach Gott nur mit einer Tautologie beantwortet werden kann, liegt nicht daran, dass Gott als ein übernatürliches Wesen unfassbar wäre, sondern dass jede kohärente Sicht der Dinge von einer Schließung lebt, die das leere Jenseits selbst verkörpern muss. Tautologien wie Gott ist Gott erfüllen eine unvermeidlich ideologische Funktion. Denn was bei jeder Ideologie auf dem Spiel steht, ist nichts Geringeres als die Möglichkeit einer kohärenten Sicht der Dinge.
Niemand hat sich so intensiv mit der Frage beschäftigt, was eine Ideologie eigentlich ausmacht, wie der slowenische Philosoph und Psychoanalytiker Slavoj Zizek. Seine beeindruckende Fähigkeit, sowohl die akademischen Register der Philosophie und der Psychoanalyse als auch die der Populärkultur zu beherrschen, hat ihm zwar vor allem in Deutschland den etwas zweifelhaften Ruf eingebracht, ein "wilder Denker" zu sein. Aber eben dieser Umstand, in keiner Disziplin völlig beheimatet zu sein, scheint es Zizek zu ermöglichen, tiefer in die Paradoxien der Moderne einzudringen, als das seinen akademischen Kollegen mit ihren traditionellen Denkwerkzeugen vergönnt ist.
Paradigma der Identität
Während sich die überwiegende Mehrheit der deutschen Philosophen gegenwärtig damit begnügt, wenigstens die Aufklärung vor der zunehmenden Erosion des kulturellen Konsenses zu retten, hat sich Zizek im Anschluss an die unübersichtlichen Arbeiten des berühmten französischen Psychoanalytikers Jacques Lacan mit den Grundlagen der Identitätsphilosophie auseinandergesetzt. Denn trotz der massiven Kritik, der das Identitätsdenken der Aufklärung vor allem im 20. Jahrhundert ausgesetzt war, gibt deren wirkmächtiges Paradigma der Identität bis heute den maßgeblichen Rahmen unserer Orientierung und unseres Handelns ab.
Das Bestreben, sich eine Identität zu geben, sei es nun eine persönliche, soziale, unternehmerische, nationale oder auch supranationale, kann einem zuweilen vorkommen wie die Obsession unserer Kultur schlechthin. Offensichtlich stellt die Erzeugung von Identitäten das einzige Ordnungsinstrument dar, das uns seit der Aufklärung noch zur Verfügung steht. Während Philosophen wie Theodor W. Adorno und Max Horkheimer noch daran glaubten, man könne das Identitätsdenken einer kritischen Revision unterziehen, um dessen positive von den negativen Effekten zu trennen, finden sich bei Denkern wie Jacques Derrida, Michel Foucault oder auch Giorgio Agamben schon deutlichere Gesten eines Versuchs, den Bruch mit dem Projekt der Moderne zu vollziehen. Auf diese Gesten ist häufig mit aggressiver Kritik geantwortet worden, etwa von gegenwärtigen Hütern der Aufklärung wie Jürgen Habermas, weil dahinter die Sehnsucht nach vormodernen Zuständen vermutet oder, was vielleicht noch schlimmer ist, ein Hang zur Anarchie ausgemacht wird.
Ein unschuldiger Traum
Auch wenn sich Zizek den Vorwurf eines wilden Denkers gefallen lassen muss, anarchistische Tendenzen kann man ihm sicherlich nicht nachsagen. Denn als Lacan-Leser weiß er sehr genau, dass es sich bei der psychoanalytischen Theorie Freuds in weiten Teilen um eine Institutionenlehre handelt. Aus dieser Perspektive ist der Traum von einem ordnungslosen Zustand, der in manchen poststrukturalistischen Philosophien die kritische Reflexion motiviert, alles andere als ein unschuldiger Traum. Für Zizek kann es nicht darum gehen, ob es eine symbolische Ordnung gibt, sondern welchen Preis man für welche Ordnung zu zahlen hat. In seinem Buch Psychoanalyse und die Philosophie des deutschen Idealismus, das eine Reihe von zum Teil vergriffenen Texten zur Philosophie des deutschen Idealismus zusammenfasst, stellt Zizek die grundsätzliche Frage, welcher symbolischen Operation sich die Erzeugung einer Identität verdankt. Denn etwas ist nicht von sich aus mit sich selbst identisch, sondern kann dies nur in der Abgrenzung von etwas anderem sein. Jede Identität braucht einen Schlussstein, der als Markierung der Grenze zugleich Kontakt zu dem hält, was jenseits davon liegt.
Entscheidend für die Etablierung einer symbolischen Ordnung ist die Art und Weise der Grenzziehung. So ist zum Beispiel Gott der Schlussstein der Schöpfung (und nicht umgekehrt), der aus dem theologischen Feld ein totales macht, indem er die Leere jenseits der Schöpfung vollständig aufzufüllen vermag. Gott ist das Phantasma, mit dem wir uns erklären, dass die Welt so ist, wie sie ist, ohne wissen zu können, warum. Im Gegensatz dazu interpretiert Zizek die historische Epoche der Aufklärung als Entdeckung der Leere als Leere. Anhand der großen philosophischen Systeme von Kant und Hegel analysiert er, wie die Symbolisierung der Leere in der modernen Philosophie wirksam wird. Historisch kann man dabei natürlich an die Enthauptung des Königs während der Französischen Revolution denken. Im Zentrum der Macht steht von nun an kein übernatürlicher Körper mehr, sondern ein leerer Ort, um dessen Einnahme es seitdem bei allen ideologischen Schlachten geht. Und zwar selbst dann, wenn man der Leere den Namen der Freiheit gibt.
Negatives Nichts
Nach Zizek ist die Leere zum ersten Mal bei Kant und Hegel konsequent als konstitutives Element der modernen Ordnung gedacht worden. Etwa wenn Kant den Akt der Symbolisierung, durch den etwas Gegebenes überhaupt in den Bereich der wahrnehmbaren Phänomene gelangt, als Hinzufügung eines transzendentalen X zum Gegebenen versteht. In diesem Punkt hat Hegel die Auffassung Kants noch radikalisiert, wenn er die Vorstellung eines Wesens hinter den Erscheinungen mit der Negativität eines Nichts identifiziert. Wenn man den Vorhang der Phänomene beiseite schieben könnte, würde man nicht auf Gott oder eine andere Instanz stoßen, die den Zusammenhang unserer Welt stiftet, sondern auf ein leeres Nichts. Im Unterschied zum barocken Theater der Welt, bei der hinter jeder Repräsentation eine andere Instanz steht, ist die Moderne ein Theater der Leere, auf dessen Bühne es allein deshalb etwas zu sehen gibt, weil auch die Negativität eines Nichts niemals vollständig ist.
Während im theologischen Feld der Schöpfung jedes Wesen, ob Mensch, Tier oder Ding, seinen Ort in der Schöpfung einnimmt, weil es durch Gott bezeichnet ist, verdankt sich die moderne Kohärenz des Symbolischen einer Grenzziehung zu einem leeren Jenseits. Diese Grenzziehung setzt eine Dynamik von ungeheurer Produktivität und ungeheuerer Verzweiflung frei, die Leere wieder aufzufüllen. In dieser Logik muss sich das, was man als Freiheit feiert, zugleich als Zerstörung äußern. Denn das große Thema des Nihilismus und der Erosion der Gemeinschaft, das uns unaufhörlich heimsucht, lässt sich nicht nur als Problematik einer inneren psychischen Leere verstehen, sondern muss auf die Logik der Grenzverwaltung bezogen werden. In dieser Logik kann alles Gegebene nur zu einem wahrnehmbaren Phänomen werden, indem es dem Nichts ausgesetzt wird.
Besonders deutlich wird das am Beispiel der ökologischen Krise, bei der sich eine Gesellschaft selbst dem Risiko ihres Untergangs aussetzt, weil sie ihre natürlichen Voraussetzungen nur noch als Umwelt wahrnehmen kann. Natur kann es in der Moderne immer nur im Nachhinein ihrer Zerstörung als bewahrte Natur geben.
Mit der Entdeckung der Leere als konstitutives Element der eigenen Identität scheint daher auch ein neues Thema aufzutauchen, auf das Sigmund Freud angesichts des Ersten Weltkriegs gestoßen ist, nämlich der Todestrieb. Denn das Begehren, mit sich selbst identisch zu sein, kann sich nur im Tod vollständig erfüllen. Zwar betont Zizek die Beziehung zwischen Psychoanalyse und deutschem Idealismus, aber vielleicht muss man hier den entscheidenden Unterschied sehen. Aus psychoanalytischer Sicht kann es keine gelungenen Identitäten geben. Schließlich besteht das Projekt Freuds im Gegensatz zur Identitätsphilosophie darin, ein Wissen über die eigene Nicht-Identität zu generieren. Deshalb könnte der Postmoderne die Entdeckung vorbehalten sein, dass selbst die Leere niemals gänzlich leer ist.
Slavoj Zizek Psychoanalyse und die Philosophie des deutschen Idealismus. Neue Ausgabe der beiden Bände von 1991/92 und 1994/95. Aus dem Französischen von Isolde Charim und aus dem Englischen von Lydia Marinelli. Turia + Kant, Wien 2008, 424 S., 40 EUR
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