Der "Arbeitgeber" und der "Arbeitnehmer"

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Schon Mark Twain hat sich über Marotten der deutschen Sprache mokiert und fragte sich, wieso das "Mädchen" -also ein weibliches Geschöpf- sächlich sein kann. Vor den Unsitten der Wirtschaftssprache hätte Twain vermutlich kapituliert. Und ich rede hier nicht mal von Ekelwörtern wie das "Humankapital". Schon der profane deutsche "Arbeitnehmer" und "Arbeitgeber" sind Musterbeispiele dafür, wie man mit einfachen Begriffen Propaganda machen kann. Diese Begriffe sind mittlerweile so in den allgemeinen Sprachgebrauch verankert, dass kaum noch ein Mensch über den flagranten Unsinn dieser Begriffe nachdenkt.

Menschen, die ihre Arbeitskraft zu Verfügung stellen - mithin hergeben- werden als Arbeitnehmer bezeichnet, während solche, die die Arbeit anderer Menschen in Anspruch nehmen(!), als "Arbeitgeber" bezeichnet werden. Wie es schon in der Bibel heißt: "Geben ist seliger denn Nehmen." Und so ist Dieter Hundt der Anführer aller Seligen, während diejenigen, die für ihn schuften dürfen kurz vor der ewigen Verdammnis stehen.

So unsinnig diese Begriffe an sich schon sind, setzen sie mit ihrer Betonung auf die Arbeit auch noch den falschen Schwerpunkt. Arbeit ist im Kapitalismus keine Tätigkeit die irgendeinen Sinn hat wie bspw. den, die eigene Reproduktion zu sichern. Ich verkaufe einfach meine Lebenszeit für Geld. Nichts von dem, was ich produziere konsumiere ich und nichts von dem, was ich konsumiere, produziere ich noch selber. Marx nannte das Entfremdung. Es geht also im Kapitalismus bei der Arbeit nur noch darum, Geld zu verdienen. Trivial, aber so ist es nun einmal.

Unsere Bundesregierung sieht das aber anders. Für die ist Arbeit eine sinnstiftende Tätigkeit. Wenn sie von Vollbeschäftigung redet, dann geht es nicht mehr darum, allen Leuten einen Job zu geben, von dem sie leben können. Nein, es geht in erster Linie darum, diese Leute zu beschäftigen, damit sie was zu tun haben und nicht auf dumme Gedanken kommen. Anders kann ich mir das angebliche Jobwunder durch die Hartz-Gesetze nicht erklären, denn dieses Jobwunder findet hauptsächlich in der Lohn- und Zeitarbeit statt. Man beschäftigt die Leute, auch wenn das einkommen nicht mehr zum Leben reicht.

Deswegen kann ich auch mit den ewigen Hartz-IV-Diskussionen anfangen. Ich weiß nie, ob es darum geht, mir einen Job zu beschaffen, von dem ich leben kann, oder ob es darum geht, mir eine Arbeit zu geben, die angeblich meinem Leben einen Sinn gibt.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

lebowski

Ein Leben zwischen Faulenzerei und Leiharbeit.

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