Herr Watzke, können Sie ausschließen, dass...

Champions-League Leider haben die Bayern gewonnen, noch bedauerlicher als BVB-Fan war es, dass sie auch noch zu Recht gewonnen haben. Einige Anmerkungen zum Champions-League-Finale.

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Im emotionalen Überschwang, weil ich betrunken war und Geburtstag hatte und weil die knappen Tipps schon verbraucht waren, habe ich gestern auf ein optimistisches 5: 1 für Dortmund gewettet. Bis zur 89. Minute hätte mein Tipp noch aufgehen können: Dortmund kommt in die Verlängerung und Lewandowski macht vier schnelle Hütten.

Aber es hatte sich schon vorher ein ungutes Gefühl eingeschlichen und das hing mit dem Fehlen von Mario Götze zusammen. Der kleine Techniker fehlte den Dortmundern gestern an allen Ecken und Enden. Er war zuletzt derjenige, der den Angriffen Struktur verlieh und Lewandowski in Szene setzte. Götze ist auch derjenige, der aus der Bedrängnis heraus noch den tödlichen Pass spielen kann. Alles Eigenschaften, die gestern schmerzlich vermisst wurden. Und so stimmt das Urteil eines Bayern-Spieler, dass man nie den Eindruck hatte, Dortmund könne aus dem Spiel heraus ein Tor schießen. Zu unstruktiert und zufällig waren die Angriffsbemühungen.

Wie die Dortmunder es geschafft haben, Götzes monatelange Verletzung in der letzten Saison zu kompensieren, muss einem heute rätselhaft erscheinen. Das letzte richtig gute Spiel der Dortmunder war dann auch das 4:1 gegen Madrid mit Götze. Reus als Götze-Ersatz ist natürlich Quatsch, denn Reus ist ein ganz anderer Spielertyp, der viel Platz braucht und lange Wege geht.

Und so machte Robben in der 89. Minute nach einem langen eigentlich harmlosen Freistoß, der durch die BVB-Abwehr flutschte, den Sieg für die Bayern klar. Dumm gelaufen!

Dass Dortmund überhaupt gegen die diese Saison übermächtigen Bayern mithalten konnte, ist mehr, als Barcelona oder Juve geschafft haben. Andererseits fühlte sich das Spiel so an wie ein DFB-Pokal-Vorrundenspiel, in dem der kleine Amateurligist die übermächtigen Bayern eine Viertelstunde ärgern darf, bevor die dann zuschlagen.

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Lustig oder entsetzlich, je nachdem wie man es sehen will, ist der ganze mediale Overkill um das Endspiel. Man kriegt direkt Sehnsucht nach Moderatorentypen wie Fritz Klein oder Ernst Huberty, deren Kommentatorentätigkeit darin bestand, alle zwei Minuten den Namen eines Spielers einzustreuen. Mehr ist auch nicht nötig, es sei denn man ist blind oder begreift nicht, was auf dem Spielfeld vor sicht geht. Aber gestern kommentierte Bela Rethy das Spiel so, als ob zwanzig Millionen Trottel vor dem Fernseher sitzen und die Fußballregeln nicht kennen. Wenn der Regisseur Angela Merkel zeigt, teilt mir Rethy mit, dass es sich um Angela Merkel handelt, weil ich natürlich sonst auf die Idee käme, dass es sich um Yassir Arafat handelt.

Bereits eine Stunde nach Spielende ist jedes Fußballspiel komplett zu Tode analysiert worden. Jeder Spieler darf die von Olli Bierhoff aufgefüllten Sprechblasen entleeren. Da reiht sich souverän ein Nullsatz an den nächsten. Um diese entleerten Sprechblasen nicht auf die saubere Hose zu kriegen, gehen die Spielfeldrand-O-Ton-Einholer immer häufiger dazu über, blödsinnige Suggestivfragen zustellen: "Könnte es nich sein, dass durch ein frühes Tor der Dortmunder das Spiel ganz anders verlaufen wäre?" -worauf der Interviewte nur noch "Ja sicher!" zu sagen braucht und noch ein kleinwenig Extrasermon obendrauf legen muss.

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Seit gestern können wir auch die Frage beantworten, welche Fußballer sich vor der Kamera nicht bereitwillig lächerlich machen. Dazu gehören mit Sicherheit nicht Lars Ricken und Paul Breitner, die sich vor dem Anpfiff in einer albernen Musketieruniform gegenübertraten und ohne Not zum Affen machten.

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Einmal mehr zeigt sich auch Olli Welke als souveräner Wanderer zwischen den medialen Genres. Während er sich als Comedien in seiner Heute-Show über die mediale Verblödung lustig macht, wirkt er als Fußballjournalist eifrig dabei mit. Selbst für die dämlichste aller Fragen, ist sich ein Olli Welke nicht zu schade: "Herr Watzke, können Sie ausschließen, dass ...". Die konkrete Frage habe ich vergessen. Ein hilfloser Versuch von Sportjournalisten, Interviewte zu konkreten Aussagen zu zwingen, der naturgemäß mit belanglosem Sermon pariert wird, da Watzke natürlich überhauptlich nichts ausschließen kann. Im Fußball ist naturgemäß alles möglich, vor allem, wenn man genug Kohle hat.

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Einen würdigen Abschluss fand das Elend im "Aktuellen Sport-Studio", wo Ralf Rangnick und der ehemalige holländische Nationalspieler Michael Reizinger das Spiel analysierten. Niemand konnte genau sagen, warum das feist grinsende holländische Kerlchen eingeladen wurde. Einzige Begründung war, dass Reizinger mit Ajax Amsterdam schon einmal die Champions-League gewonnen hatte, was ihn ja wie keinen zweiten zu einem Experten für ein rein deutsches Finale macht. Die beiden saßen in orangefarbenen Sesseln, die aussahen, als ob sie von Kunststudenten im Kokainrausch entworfen worden sind und Reizinger guckte auch so selig, als ob er vor der Sendung die eine oder andere Droge eingeworfen hatte.

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Andere Frage: Was sagt es eigentlich über ein Volk aus, wenn bei dessen Fußballprofis das Wort "wahnsinnig" zum liebsten Füllwort avanciert? Vor allem Olli Kahn ist ein Wahnsinniger vor dem Herrn: ..wahnsinnig motiviert...wahnsinnig konzentriert...wahnsinnig viel Glück gehabt...wir müssen wahnsinnig aufpassen, dass...wahnsinnig dies und wahnsinnig das. Wahrscheinlich muss man in diesem Job wahnsinnig sein, um nicht verrückt zu werden.

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Abschließen möchte diesen kleinen Eintrag mit einem Witz des sporthassenden Radiopsychologen Dr. Frasier Crane: "Sehen sie nach der Werbung die Gonzo-Sportshow mit Bob "Bulldog" Driscoll. Sein Thema heute: was ist nur los mit den Seattle Mariners. Sollten Sie dem Thema achtzehn Jahre lang erfolgreich ausgewichen sein - heute schaffen sie das nicht mehr!"

Auch wir werden es wohl nicht schaffen, dem Thema auszuweichen, ob Lewandowski zu den Bayern geht. Ich wäre zur Not sogar bereit, solange zu warten, bis sich der Mann entschieden hat. Aber man lässt mich nicht.

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Geschrieben von

lebowski

Ein Leben zwischen Faulenzerei und Leiharbeit.

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