Kralle Krawinkel ist tot - schade eigentlich!

Nachruf Der Gitarrist von Trio, Kralle Krawinkel, ist heute im Alter von 66 Jahren gestorben. Dazu ein kleiner persönlicher Nachruf

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Trio: Krawinkel, Behrens & Remmler
Trio: Krawinkel, Behrens & Remmler

Foto: Wkimedia

Patriotische Auf wallungen sind bei mir eher selten. Weder die Gewinne von Weltmeisterschaften, Schlager Grandprix', Kriege, noch irgendwelche Medaillen-Spitzenplätze bei Olympischen Spielen sorgen bei mir für nationalen Überschwang. Einige der wenigen Gelegenheiten , wo ich mal tatsächlich stolz war, ein Deutscher zu sein, hing mit der Band Trio zusammen. Die sind 1982 bei einem Festival in Verona aufgetreten und wurden von den Italienern frenetisch gefeiert. Von den Italienern! Italiener respektieren die Deutschen, wenns hoch kommt bewundern sie uns, aber fast niemals lieben sie uns. Mit wenigen Ausnahmen und eine davon war "Trio".

Italien das war für uns Jugendliche damals der kulturelle Gegenentwurf zu Amerika. Man ist mit Bud Spencer und Terence Hill-Filmen sozialisiert worden. Während amerikanische Kino-Helden die Welt retteten, schlugen sich die italienischen Helden als Kleingauner durchs Leben und kannten keinen größeren Spass als aufgeblasenen Wichtigtuern die Luft rauszulassen. Italien, das war Anarchismus. Die Italiener hatten schon damals keine brauchbare Regierung mehr im Amt, sondern immer nur irgendwas geschäftsführendes, das nach ein paar Monaten über Korruptionsaffären stürzte. Aber sie kamen trotzdem irgendwie durch. Der Ami war der Streber, der Italiener der Lebenskünstler. Und wir wollten Lebenskünstler sein.

Und dass diese Italiener Trio zujubelten. Das war groß. Wir wurden von Anarchisten und Lebenskünstlern geliebt.

1980 war die ganze schöne Euphorie der bundesrepublikanischen Gründerjahre weg. Die Massenarbeitslosigkeit war wieder da. In der Gesellschaft machten sich Passismus und Zukunftsangst breit. Aber dies eine Mal in unserer Geschichte sind wir nicht auf andere losgegangen, sondern haben stattdessen etwas neues geschaffen. Wir haben uns selber auf den Arm genommen und alberne Lieder gesungen. Der Sinn war weg, also hat man sinnlose Lieder gesungen. Und am Sinnlosesten war es bei Trio. Gesungener Dadaismus. Jetzt hat es Kralle Krawinkel erwischt, den Gitarristen, der bis zu seinem Einsatz im Gartenstuhl saß und Zeitung las.

Nach dem Ende von Trio hat sich Krawinkel nach Spanien zurückgezogen und nur noch einmal von sich reden gemacht, als er guinessreif mit einem Pferd durch Europa geritten ist. Kein Weiterleben als Produzent oder Revivalzombie plus Trio-Musical. Danke auch dafür!

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

lebowski

Ein Leben zwischen Faulenzerei und Leiharbeit.

Avatar

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden