Ruprecht Polenz und die Lineare Algebra

Flüchtlingskrise In der Münsteraner Anzeigenzeitschrift "na dann" versucht der CDU-Politiker Polenz die Flüchtlingskrise anhand von Beispielen aus der Mathematik zu erklären.

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Eigentlich wollte ich mich an dieser Stelle über einen Textbeitrag von Ruprecht Polenz von der Münsteraner CDU zur Flüchtlingskrise lustig machen. Aber bei diesem Text versagt die Satire, so dass ich ihn einfach nur zitiere:

Gleichungen mit mehreren Unbekannten, die alle gleichzeitig erfüllt sein sollen, dürfen nicht überbestimmt sein. Sonst gehen sie nicht auf. Das haben wir in der Linearen Algebra gelernt.

Mehrere Ziele, Interessen oder Wünsche unter einen Hut zu bringen, gehört immer wieder zu den Aufgaben der Politik. Manchmal ist es allerdings schwierig, alle gleichzeitig zu erreichen. Das können wir am Umgang mit der Flüchtlingskrise sehen.

Was wollen wir erreichen? Bitte überlegen Sie, ob Sie jeden einzelnen Satz für sich genommen richtig finden oder unterschreiben könnten:

1. Wir wollen Menschen in Not helfen, die zu uns geflohen sind, um ihr Leben zu retten.

2. Wir können nicht alle Menschen aufnehmen, die zu uns nach deutschland kommen wollen.

3. Wir wollen keine "Festung Deutschland" oder "Festung Europa", keine mit Mauern und Stacheldraht abgeschotteten Grenzen.

4. Um die vielfältigen Fluchtursachen -Krieg, Unterdrückung, Armut, Hunger- weltweit wirksam bekämpfen zu können, fehlen uns die Mittel; notwendige Anstrengungen werden erst mittel- und längerfristig wirksam.

Haben Sie jeden Satz für sich genommen richtig gefunden? Dann denken Sie bitte darüber nach, wie sich alle vier Sätze gleichzeitig verwirklichen lassen. Fühlen Sie sich dabei an eine überbestimmte Gleichung erinnert?

(Wenn Polenz schon mal fragt: eigentlich nicht! Ich fühle mich bei so viel Dämlichkeit einfach nur deprimiert. Lebowski) Aber weiter im Elend:

Nun ist Politik keine Algebra, sondern die Kunst, trotzdem alles unter einem Hut zu bringen. Das geht nur, wenn man an der einen oder anderen Stelle Abstriche macht, ohne das Prinzip als solches zu verletzen. Die Kehrseite dabei: jede praktische Lösung läßt sich ganz einfach kritisieren. Man muss nur einen der Sätze absolut nehmen und bemängeln, dass er nicht zu 100 % erfüllt wird.

Wer also den Satz "keine Festung Europa" so versteht, dass damit ein Verzicht auf wirksame Kontrollen der EU-Außengrenzen verbunden sei, wird die jetzt dazu eingeleiteten Anstrengungen kritisieren. Aber ohne diese Kontrolle könnte nicht verhindert werden, dass jeder kommen kann, der will (Satz 2)

Die jetzt vom Deutschen Bundestag mit den Stimmen von Union und SPD verabschiedeten Asylgesetze sollen Ziff. 1 und 2 unter einen Hut bringen. Merkel und Steinmeier setzen sich in Brüssel, New York und in den betroffenen Regionen dafür ein, dass die Fluchtursachen wirksamer angegangen und bekämpft werden, als bisher (Satz 4).

Die konkrete Hilfe für die Menschen in Not erfolgt vor Ort. Diese Hilfe leisten Zigtausende in den Städten und Gemeinden unseres Landes, mehrere Tausend auch in Münster. Nicht nur die Flüchtlinge sind diesen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern sehr dankbar. Auch wir haben allen Grund dazu.

So spricht der überbestimmte Spitzenmathematiker Ruprecht Polenz in der Ausgabe 43/2015 der Wochenzeitschrift "na dann" in der Kolumne "Presseausweis".

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

lebowski

Ein Leben zwischen Faulenzerei und Leiharbeit.

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