Der Wilde Westen in Finnland?!

Filmfest Hamburg Dass sich der wilde Westen Finnlands nicht vor seinem amerikanischen Pendant verstecken muss, zeigt "Es war einmal im Norden".

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Ein Western in Finnland. Das geht? Mich und viele andere Liebhaber des Genres hat die Neugierde ins CinemaxX geführt. Das Kino war voll und schon während der Ansprache waren vorfreudige, vielleicht auch sarkastische Lacher zu hören.

„Es war einmal im Norden“ spielt in Österbotten und damit im wilden Westen Finnlands. Wie im amerikanischen Western, tragen die Protagonisten natürlich Hut, Weste und Halfter um die Hüfte. Anstatt mit Colts wird hier jedoch mit Messern geschwungen und die Prärie durch weitläufige Wiesen, Weiden und Wälder ersetzt. Die Helden müssen auch nicht den Rio Grande überwinden, dafür aber kleine Flüsse und verästelte finnische Seen.

Die Story ist schnell erzählt: Die beiden Brüder Esko und Matti leben und arbeiten auf dem Hof ihres Vaters. Der jüngere Matti ist fleißig, gerecht und der Liebling des Vaters. Sein älterer Bruder Esko ist ein fauler Herumtreiber, Pferdedieb und Mörder. Kurz vor seinem Tod „verliert“ der Vater seinen letzten Willen und vermacht den Hof, entgegen der Tradition, Matti und nicht dem erstgeborenen Esko. Für diesen ist das Grund genug, einen Rachefeldzug zu starten und sich zu nehmen, was ihm nicht gebührt – inklusive der schönen Verlobten seines Bruders. Der Kampf ums Erbe und die Braut beginnt. Dabei nimmt Matti unzählige Anläufe seinen Bruder mit der Macht des Gesetzes aber auch mit Gewalt aus dem Weg zu schaffen. Das ist größtenteils sehr unterhaltsam. Einen dieser Anläufe für etwas mehr Tempo im Film zu opfern, hätte dem Streifen jedoch nicht geschadet. Dasselbe gilt für die Liebesgeschichte zwischen Matti und Aino, die etwas arg in die Länge gezogen wurde. Dabei wirkt das Schauspiel zuweilen etwas steif, und nagt stellenweise an der Glaubhaftigkeit der Geschichte.

Eine große Ausnahme bildet jedoch die Leistung von Darsteller Mikko Leppilampi, der den Esko spielt. Der Film lebt von ihm und sorgt dafür, dass die Menschen im Publikum (inklusive mir) mit den Händen ihre Gesichter umklammern und hoffen, dass doch alles gut ausgehen möge. Er spielt den perfekten Bösewicht. Wenn er auftritt, halte ich den Atem an. In den zahlreichen Duellen wünsche ich mir insgeheim, dass dieser Fiesling endlich ins Gras beißt. Zweiter Pluspunkt: Der Film besticht durch seine großartigen Landschaftsaufnahmen. Man möchte in den endlosen Weiten Finnlands versinken. Ein wahrer Augenschmaus!

Trotz einiger Längen und dem etwas holzigen Schauspiel ist „Es war einmal im Norden“ ein sehr unterhaltsamer Western, der das amerikanische Setting wunderbar in den hohen europäischen Norden übersetzt. Der Film macht Lust auf mehr und ich selbst hatte große Lust, nach dem Abspann einen ledernen Hut aufzusetzen, rüpelhaft in den Kinosaal zu spucken und auf einem wilden Gaul an den Schienen vom Bahnhof Dammtor entlang nach Hause zu reiten. Haudi!

Text: Marc Herter
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Geschrieben von

Lena Frommeyer (SZENE HAMBURG)

20 Jahre Filmfest Hamburg - das ist mir einen Blog wert! Über das cineastische Leben vom 27.9.–6.10. berichte ich hier bald regelmäßig.

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