Theatrale Filmarbeit

Filmfest Hamburg Schauspieler befragen Regisseure – ein interessantes Konzept für eine Diskussionsreihe, bei der man endlich zwischen die Rädchen der Filmindustrie gerät.

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Was bewegt Regisseure?

Was denken sie?

Was erwarten sie von ihren Schauspielern?

Fragen, die den Zuschauer vielleicht nicht permanent beschäftigen, ihn jedoch durchaus interessieren. Der Bundesverband der Film- und Fernsehschauspieler erkannte das und startete beim 20. Filmfest Hamburg eine Diskussionsreihe. Jeden Abend stellt seitdem ein Schauspieler einem Regisseur all die Fragen, die das Entstehen eines Filmes beleuchtet. Dabei lernen wir die Menschen mit den Ideen kennen, die nicht nur hinter der Kamera, sondern hinter dem Kameramann stehen. Wir erfahren, auf welchen Schultern ein Werk ruht und was der Kopf zwischen diesen Schultern bei der Konzeptionierung gedacht hat.

Die halbstündigen Diskussionen sind informativ, wie etwa am vergangenen Dienstag, als Schauspielerin Christiane Filla ein knackfrisches Regisseursehepaar befragen durfte. Gestatten: Stefan und Simona Gieren. Er: Anfang 30, gutaussehend, studierte an der Hamburg Media School, erhielt 2011 einen Studenten-Oscar. Sie: Ende 20, flippig, studierte Schauspieltheaterregie an der Theaterakademie in Hamburg. Beide: Regisseure ihres ersten abendfüllenden Spielfilm namens „Kunduz“. Fassen wir salopp zusammen: Eine Ehepaar macht einen Film. Sie kann Theater. Er hat Film studiert. Beide halten quasi noch ihre druckwarmen Schulabschlusszeugnisse in den Händen. Es entsteht ein Film. Keine platte Komödie. Ein knallharter und anspruchsvoller Anti-Kriegsfilm über einen afghanisch-deutschen Fotografen, der um sein Leben kämpft. Und unsereins fragt sich: Wie haben die das bloß gemacht?

Sie haben Mechanismen der Theaterarbeit in die Filmwelt integriert. Vor allem, in Form einer dreimonatigen Probenphase, in der an den Dialogen im Drehbuch gemeinsam mit den Schauspielern gefeilt wurde. „Dieser Film ist wie die Fortführung einer Theaterarbeit“, erklärt Simona Gieren mit strahlenden Augen. „Wir haben uns viel Zeit fürs Proben genommen, anstatt zu sagen: Heute ist die Leseprobe und morgen drehen wir los.“ Ihr Ehemann ergänzt: „Der Film war durch die Proben quasi schon fertig, bevor wir zum Drehen übergegangen sind. Das ist aus Produzentensicht unglaublich günstig.“ Beide Regisseure können sich vorstellen, auch weiterhin gemeinsam Filmprojekte zu realisieren. Ein besonderes Lob sprechen sie für die Hamburger Filmförderung aus, die einen guten Mix aus Prestigeprojekten und experimentellen Ideen unterstütze. „Wir erhielten eine Förderung, obwohl wir erklärten, dass wir den Film vielleicht komplett mit dem iPhone drehen, der Drehort ausschließlich eine Flugzeugtoilette sein könnte und nur Monologe präsentiert werden. Das Resultat könnte also völlig unansehnlich und anstrengend werden.“ Mehr Mut wünschen sich Stefan und Simona Gieren von Seiten der Sendern in Deutschland. „Ich habe schon Sätze gehört: Wenn du so was öffentlich zeigst, macht du nie wieder einen Film“, erklärt der Mediaschoolabsolvent Gieren. Das klingt in der Tat nicht sehr motivierend...

Der Trailer zum Film Kunduz:

Text: Lena Frommeyer
Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Lena Frommeyer (SZENE HAMBURG)

20 Jahre Filmfest Hamburg - das ist mir einen Blog wert! Über das cineastische Leben vom 27.9.–6.10. berichte ich hier bald regelmäßig.

Lena Frommeyer (SZENE HAMBURG)

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