Gleiches Geld für gleiche Arbeit: Dieser Grundsatz ist dank des Bundesarbeitsgerichts (BAG) in Erfurt nun endlich Wirklichkeit geworden. Ein Revisionsurteil, das am 16. Februar gefällt wurde, legt fest, dass Frauen für gleiche Arbeit denselben Verdienst bekommen müssen wie Männer. Susanne Dumas, ehemalige Mitarbeiterin eines Metallbetriebs bei Meißen, hatte gegen ihren Ex-Arbeitgeber geklagt, weil sie 1.000 Euro weniger verdiente als ihr Kollege. Beide hatten eine Stelle im Vertrieb und waren kurz hintereinander eingestellt worden. Einziger Unterschied: Der Kollege hatte besser verhandelt. Klassiker! Das nun gefällte Urteil bekräftigt, dass es Arbeitgebern nicht erlaubt ist, unterschiedliche Gehälter bei gleicher oder vergleichbarer Arbeit zu zahlen, unabhängig vom Verhandlungsgeschick.
Die Vorinstanzen sahen das anders. Beide Male wurde der Arbeitgeber darin bestätigt, dass der Gehaltsunterschied gerechtfertigt sei. Die Begründung: Die Mitarbeitergewinnung wäre gefährdet gewesen, wenn der Arbeitgeber der höheren Forderung des Kollegen nicht nachgegeben hätte. Allerdings wäre das nicht der Fall gewesen, wenn der Arbeitgeber der Forderung des Kollegen zugestimmt und gleichzeitig das Gehalt von Frau Dumas angehoben hätte. Aus der Perspektive eines Arbeitgebers ist dieses Urteil unangenehm: Es bedeutet, dass Betriebe keinen monetären Vorteil mehr aus struktureller Diskriminierung schlagen dürfen. Das galt allerdings auch schon vor dem Urteil vom 16. Februar.
Seit Juli 2017 gilt das „Entgelttransparenzgesetz“. Demnach müssen Betriebe mit mehr als 200 Angestellten, unter Wahrung des Datenschutzes, Mitarbeitenden darüber Auskunft geben, wie sich das Gehalt von Vergleichsgruppen zusammensetzt. Der Paragraph drei regelt das Verbot der Entgeltbenachteiligung wegen des Geschlechts. Um Unterschiede in Gehältern festzustellen, müssen Mitarbeitende eine schriftliche Anfrage an den Betriebsrat oder Arbeitgeber schicken. Der Betrieb muss darüber Auskunft geben, wer zuständig ist. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend stellt Musterformulare zur Verfügung. Betriebe, die nicht an Tarifverträge gebunden sind, müssen innerhalb von drei Monaten Auskunft geben. Für tarifgebundene Arbeitgeber gibt es keine Frist. Auskunftspflichtig sind sie dennoch. Der erste und einfachste Weg: die Kolleg*innen direkt fragen!
Das darf der Arbeitgeber grundsätzlich nicht verbieten. Dennoch dürfte es auch in Zukunft vorgeschobene Begründungen von Arbeitgebern dafür geben, warum eine Tätigkeit nicht vergleichbar mit der eines Kollegen ist. Womöglich insbesondere da, wo selbstorganisierte Arbeitsformen ausprobiert und Verantwortungsbereiche hochgradig individualisiert werden.
Trotz des wegweisenden Gerichtsurteils bleiben also Fragen: Verkennen Arbeitgeber den Fachkräftemangel und die Notwendigkeit, Frauen für sich zu gewinnen? Denken sie, dass schlechtere Bezahlung dabei hilft? Warum muss die Auskunftspflicht nicht initiativ bei Anstellung vom Arbeitgeber ausgehen? Warum gilt sie erst ab 200 Mitarbeitenden? Wird vermutet, dass kleinere Betriebe nicht wettbewerbsfähig sind, wenn sie fair sind? Müssen wir uns dann eingestehen, dass wir von Rechts wegen strukturelle Diskriminierung in kleineren Betrieben hinnehmen?
Der Fall von Susanne Dumas zeigt: Gesetze allein reichen nicht. Sie müssen hartnäckig, mit viel Geduld und Mühe von Betroffenen, durchgesetzt werden. Auch das ist nicht fair.
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