Faust mit leeren Händen

SPD-Kandidat Martin Schulz läuft hinter dem Glanz her, den er für kurze Zeit ausgelöst hat
Ausgabe 29/2017
Wo ist er hin, dieser Hype?
Wo ist er hin, dieser Hype?

Foto: Sean Gallup/Getty Images

Schaut man Martin Schulz beim Wahlkämpfen zu, kann man glauben, er laufe etwas hinterher, das er nie erreichen kann. Mit ihm hatten es sich SPD-Spindoktoren so vorgestellt: Erst den Menschen vorstellen – später Inhalte erarbeiten. Schulz spricht von Respekt und vom Arbeiter, er trägt eine banale Brille und üsselige Schlipse. Viele finden ihn nett, er erhöhte kurz die demoskopische Temperatur der SPD. Dann wollten ihn SPD-Landesfürsten bei Landtagswahlen nicht dabei haben. Das Thermometer fiel erheblich und seitdem muss Schulz noch mehr schuften.

In seinem Stil, praktisch mit jeder Geste, will er zurück in eine Zeit, bevor sich Sozialdemokraten mit Brioni brüsteten. Dafür stellt er im Willy-Brandt-Haus Pläne vor. Anfang Juni gab es zehn Punkte zur Inneren Sicherheit: „Wir wissen, dass man Innenpolitik mit markigen Parolen, die ... auf die Ängste der Menschen abzielen, machen kann.“ Wolle er nicht. Sondern Kriminalität besonnen verhindern, mit Prävention. Schulz macht kurze Gesten, sie sollen bestimmt sein. Einen Monat später verrutscht der G20-Protest in Hamburg, Läden werden geplündert, Feuer und Steinwürfe liefern Bilder, um den Begriff „links“ zu desavouieren. Seine Partei reagiert panisch, Martin Schulz spricht von „Mordbrennern“. Niemand redet mehr über zehn besonnene Punkte zur Inneren Sicherheit. Es wird klar: Wo Schulz hinwill, steht immer schon die SPD im Raum. Im Schanzenviertel unterhält er sich dann mit Polizisten. Von der Solidarität der Bevölkerung habe er gehört. Von Brötchentüten für die Polizei. Martin Schulz streckt die Faust aus als übergebe er einen Sack Steine. Allein, seine Hände sind leer. Dann läuft er los und wirkt, als sei er verloren gegangen. Ob es um Inhalte geht oder den Menschen, ist nicht klar. Schulz schwitzt.

Am Wochenende steht er dann wieder in der Parteizentrale. Es geht um das „moderne Deutschland“, wieder zehn Punkte. „Immer wenn Reformen anstanden, konnten die Menschen der SPD vertrauen“, sagt er. Man kann an die Rentenformel denken, das Ende der paritätischen Krankenversicherung, den Niedriglohnsektor, den kümmerlichen Mindestlohn. SPD-Gesetze, die Arbeitern und Angestellten stets aufs Butterende fielen. Man kann an das neue Erbschaftssteuergesetz denken, es macht Kapital, Besitz, ganze Unternehmen mit hohen Freibeträgen vererbbar. Meint Schulz gerade nicht. Er leitet über zu einem Begriffsgewitter in dem „Innovation“, „Bildung“, „Investition“ die hellsten Blitze sein sollen.

Warum interessiert sich kaum jemand für sein modernes Deutschland? Er klingt vernünftig, versucht Pathos, macht ernste, energische Gesten. Er trägt sogar eine akzeptable Krawatte. Aber die Republik wird schon regiert von einer Frau aus einer Kleinstadt. Wenn sie schnell die Faust ballt, sieht das putzig aus, ihre Kleidung ist bieder, sie hat kein rhetorisches Talent und ihre CDU nicht mal ein Rentenkonzept – trotzdem glauben Wähler, sie sei in Rentenfragen besonders kompetent. Sie kann schweigen. Und warten, bis jene havariert sind, die angestrengt nach dem rechten Weg suchen. Und mit leeren Händen viel versprechen.

Martin Schulz, Mutter CDU, Vater SPD, ist ein Netter. Einer, der sich müht. Kein strahlender Intellektueller, keiner, der elegant ein großes Bild entwirft, ironisch kontern kann. Und er ist bei einer Partei, die für nicht viel steht, außer dass sie sich in einer Großen Koalition ganz wohlfühlt.

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