Bereit sein. Dinge im Griff haben. Einen Plan, eine Antwort. Auf Krisen, auf den Zusammenbruch, die Apokalypse – oder einen längeren Stromausfall. Nicht ins Bodenlose stürzen, sondern im Gegenteil auf dem Boden, im Keller einen Vorrat anlegen. Geräte, Toilettenpapier, Dosenravioli. Vor allem Kenntnisse, Techniken, mit denen man überleben kann. Der Soziologe Zygmunt Bauman hat in einem Essay das Mitdenken des eigenen Todes als fruchtbare Basis für Kulturarbeit ausgewertet, darin liege ein Versuch, über das eigene Ableben hinauszuwachsen. In der Welt der Antworten auf vorgestellte Bedrohungen und latente Zusammenbrüche navigiert eine Gegenfigur: Katastrophen-Ideen treiben manche Menschen nicht in Theater oder Ateliers, sie wollen von der Dystopie verschont bleiben, überleben, indem sie sich rüsten. Weil sie vorgesorgt haben. Willkommen in der Welt der Prepper.
Die wenigen Studien zu Preppern kommen einer inneren Logik nach aus den USA. Einerseits sind hier zivilisatorische Verabredungen oft dünn, andererseits beäugen viele den Staat misstrauisch: Entweder sei er unnötig übergriffig, verwundbar, oder diene sowieso nur Wohlhabenden. Die gedachte Katastrophe ist Bruchstelle und Ausgangspunkt für eine persönliche Prüfung. Prepper denken Gesellschaft oft vom Einzelnen her, allenfalls in tribalen Dimensionen: Die Sorge um sich und die Seinen. Hier kommt das Wort Resilienz ins Spiel: Prepper wollen psychische Widerstandsfähigkeit lernen und Krisen ohne Beeinträchtigungen überstehen.
Also sehen sie die Welt anders als jemand, der bei Sonne einen Regenschirm mit in den Park nimmt oder die Funktionsjacke in die Stadt: Wer ständig Überlebenstechniken lernt, die Gegenwart auf dunkle Zeichen abklopft und stets den Zusammenbruch wittert, spielt nicht selten mit der Lust an der Dystopie. Der Erkenntnishorizont läuft mal stärker, mal schwächer auf die Katastrophe zu. Vieler Prepper Gärten grenzen ans Reich der Verschwörung. Oft ist der Zaun dazwischen durchlässig. Zur anderen Seite bestellt Angst ihr Feld.
Versuche an einem dieser zähen Corona-Wochenenden, in denen es keinen Fußball, keinnen Club und keinen öffentlichen Badebetrieb gibt, mit Preppern zu sprechen. Oder wenigstens solchen, die Menschen für die Fährnisse des Thüringer Waldes vorbereiten wollen. Das Ergebnis läuft auf eine SMS zu. Ronny Schmidt antwortet, er ist ausweislich seiner Internetseite Gründer der „Survivalschule für Überlebenstraining und Survival Training“, worin offensichtlich ein Unterschied besteht, sonst wäre das sprachlich kaum markiert. Auf jüngeren Bildern trägt Schmidt einen formidablen Rauschebart, dass er Zeitsoldat beim Fallschirmjägerbataillon 251 in Calw und Angehöriger der Krisenreaktionskräfte war, hat er in seiner Vita aufgelistet. Oft läuft er für private TV-Redaktionen durch Wälder, gibt Überlebenshinweise, unterrichtet Krav-Maga-Grifftechniken und popelt in toten Bäumen nach Maden. Eiweiß ist gut fürs Überleben. Schmidt will sich gern mit einem unterhalten, aber nur, „solange es sich nicht wieder um das Thema Prepper dreht ...“
Das mag damit zusammenhängen, dass in Deutschland mit Verspätung zum Prepper-Trend auch deren Verbindungen ins rechtsextreme Milieu diskutiert werden. Wie sich die Zahl derer, die über Wasserfilter und Schutzanzüge zum Fortkommen in Thüringen nachdenken, zu denen verhält, die als Teil des Hannibal-Netzwerks Anschläge auf politische Gegner planten, ist unklar. Allerdings hat der Verfassungsschutz vor rund einem Jahr auch Prepper auf dem Feld rechtsextremer, gewaltbereiter Organisationsformen gefunden – als neuere Form der „wenig komplex organisierten Kleingruppen und Einzelpersonen“. Auch deshalb ist es Trainern wie Schmidt wichtig, dass sie sich nicht als Prepper verstehen. Ihm geht es um Überlebenstechniken. Nur wollen die auch viele Rechte lernen.
Für das Prepper-Genre gilt also nicht, dass hinter jeder Konservenwand eine Hakenkreuzfahne hängt. Allerdings gibt es eine durchaus männlich kodierte, oft martialisch tätowierte Vorstellung; darin dümpeln Überzeugungen der eigenen Überlegenheit, die sich mit Kampfsport und Bauanleitungen für ein Biwak mit Dach verbinden können. Der Prepper sieht sich gern als Gegenbild zum postheroischen Mann, der Hedonismus der Städte ist ihm Zeichen des Zerfalls.
Vorsorge-Ideen haben immer interessante Blüten getrieben: Unsere Großeltern hätten in ihrem Speisekeller bei selbst Eingekochtem vielleicht eine längere konventionelle Kriegshandlung überstanden. Heute werden solche Dinge professionell hergestellt. Kein Spleen ohne Angebot: Monatsration mit getrocknetem Gemüse, Pumpernickel oder Vollmilchpulver 279 Euro; die laktosefreie Variante 329 Euro; der stapelbare Eimer mit der Wochenration „Emergency Food“ 88 Euro. Wer will, hat einen Fluchtrucksack, wer kann, bereitet alles im eigenen Bunker mit Designerküche zu. Zumindest, schreibt paranoid-prepper.com, wo der Kopp-Verlag munter Werbung schaltet, sei das „Errichten von Schutzbauten, Bunkern, oder bunkerähnlichen Konstrukten ... üblich“.
Interessanter als Anekdoten ist es, den Prepper als Sozialfigur, als Bild zu lesen – für eine Gestalt, die darauf hinweist, dass für manche die Selbstverständlichkeiten einer gelassenen Moderne mürbe geworden sind. Für den die Abkehr vom Wohlfahrtsstaat, die politischen Antworten auf die Finanzkrise 2009 das Gefühl der Brüchigkeit eines Gemeinwesens verstärkten. Also entspricht der Prepper auch der spätmodernen Subjektivität – er bedient die Fantasie des Spektakulär-Besonderen, seine Subjektkultur wird oft genährt von Hoffnung auf die Regellosigkeit nach der Katastrophe. Nur will er einen Plan haben, weshalb ihn ein seltsamer Freiheitsbegriff umgibt: Wildnislust kippt hier ins Grimmige.
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