Strickkleid in farblich kontrastierendem Krawattenmuster (1965)
Foto: Arno Fischer/Galerie Berinson, Berlin
Hemdblusenkleider, synthetische Wirkware mit Lurexeffekt“ vom Deutschen Modeinstitut, zwei Frauen lehnen sich da ein wenig gegeneinander, stützen sich noch ab am Märchenbrunnen im Volkspark am Friedrichshain, die Aufnahmen sind im prallen Sonnenlicht von 1970 gemacht. Später tragen dieselben Damen „kurze kniebedeckende Kleider mit passenden Mänteln“, lehnen schon wieder, diesmal an Säulen im Forum Fridericianum, noch immer scheint die Sonne. Modefotografie von Arno Fischer, alles Aufnahmen aus Strecken für die Zeitschrift Sibylle, die jetzt in der Westberliner Berinson-Galerie als Fischer-Originalabzüge hängen.
Träume verkaufen, interessanter Titel einer Schau in drei Hochparterre-Räumen, erster, klarer Bezug: Gebrauchsfoto
klarer Bezug: Gebrauchsfotografie. Hier wird saisonale Mode angeboten, oder Einzelstücke vom Deutschen Modeinstitut, produziert von Gewerken mit Namen wie „VEB Kombinat Oberbekleidung Berlin, Betrieb Treffmodelle“.Arno Fischer, 2011 gestorben, einer der bekanntesten Fotografen der DDR, stellte Frauen in Landschaften, in Städte, vor eine Wand der Sibylle-Redaktion oder die Burg Bernburg an der Saale, arrangierte sie, wie auch Helmut Newton arrangierte: selbstbewusst dreinschauend. Nur eben durchgängig bekleidet. Aufnahmen, deren Ästhetik sich von West-Werbung kaum unterschied: Oft genug ist der Bildausschnitt so gewählt, dass zum Traum der „Festkleider aus Großrundgestrick“ von 1971 durchaus das Gefühl von Weltläufigkeit dazukommt.Placeholder image-1DDR-Fotografie zu entschlüsseln, ist längst ein brummender kulturhistoriografischer Betrieb mit immer neuen Monografien, Aufsätzen, Ausstellungen, Dissertationen. Die Sibylle wird oft untersucht: Erschien alle zwei Monate mit 200.000 Exemplaren, die im Handumdrehen vergriffen waren, vereinte Alltagsbeobachtungen mit eleganten Arrangements, schnitt Schauspielerinnen in großbürgerlichem Interieur gegen die „Industriestadt Bitterfeld“ und sehr häufig Aufnahmen der modernisierten Hauptstadt der DDR. Blickte zusammengenommen mindestens so oft nach Paris und London wie nach Cottbus.Unten glitzert der AlexIhren Fotografen wurden Auslandsreisen genehmigt, die Redaktion bezog Modezeitschriften aus aller Welt, war eine recht unreglementierte Nische. Denn selbstverständlich war Pressefotografie in der DDR gesteuert: Im April 1959 hatte das Politbüro per Beschluss nach einer Abkehr von „starren und gestellten Fotos“ gerufen. Die Bilder sollten „das pulsierende Leben“ darstellen und „den Menschen zeigen, der die sozialistische Gesellschaft gestaltet“ habe. Dafür sollten sie „Bewegung atmen und die für das Ganze gültigen Details überzeugend ausdrücken“. Vorschläge für die kulturpolitische und organisatorische Entwicklung gingen an Bezirksleitungen, einen Monat darauf wurde die Zentrale Kommission Fotografie gegründet: Sie sollte die Bildpolitik in der DDR koordinieren, kontrollieren, ideologisch anleiten.Wer Strukturen organisiert und befestigt, kann andere Ideen verhindern. Zeithistoriker, wie Bernd Lindner, sprechen gerne von „zwei Bildwelten“: Es gab das offizielle, euphorische Pressebild, das weniger den Zustand als das Ideal der DDR darstellen sollte – und das nicht selten düstere Gegenbild, das sich in die randständigen Gebiete der Kunst flüchtete.Natürlich schmeckt dem Blick auf die Institutionalisierung der DDR-Fotografie auch eine Frage nach der Gesamteinschätzung der DDR bei: Während simple Gemüter mit polemischen Begriffen wie „Diktatur“ hantieren, haben Historiker längst festgestellt, dass es in der DDR „Platz für Autonomie und Wirkung innerhalb eines wesentlich paternalistischen, einschränkenden und belehrenden Regimes gab“. Und spätestens damit kann man in die Schlüterstraße und zu Arno Fischer zurück.Denn Fischers Sibylle-Bilder kann man als Beispiel für begrenzte Autonomie herbeizitieren: Fischer gehörte formal zur offiziellen Bildwelt, aber er jubelte ihr gerne auch ein wenig Kritik am Stand der Dinge unter. Setzte Modelle vor schmutzige Wände, in leere Hinterhöfe, gleichmütige Gesichter in leere Landschaften: Was da atmete und pulsierte, war ambivalent. Und Ambivalenz eigentlich ein No-Go.Placeholder image-2Und damit sind wir bei einem klitzekleinen Problem der Berinson-Ausstellung: Die Auswahl ist begrenzt auf die etwas harmloseren Fischer-Arrangements, die er selbst nie in Ausstellungen zeigte. Hier muss man Kritik, Fischers Umgang mit DDR-Realität, den Kontrast zum politischen Anspruch an Bildgestaltung mit der großen Lupe suchen. Sicher, auf den interessanten Abzügen stehen die Modelle – Arno-Fischer-like keine berufsmäßigen Mannequins, sondern Frauen, die er auf der Straße ansprach, auch mal mit Pflaster am Fuß – auf einem Dach über dem nachtglitzernden Alexanderplatz, auf dem Forum Fridericianum oder eben in Thüringen; da präsentieren dieselben Frauen aus dem Park lässig am Kronprinzenpalais Dederon-Texturseide, schmiegen sich an historische Tiefe, die ihrerseits auch nur preußisches Imitat ionischer Säulen war. Seltener: Ostblock-Modernismus, Wartburgs, Straßenleben.Es bleiben also Fragen: Ist die eigentlich genauere Komposition deshalb nicht in der Sibylle gedruckt worden, weil eine Säule sichtbar beschädigt war? Was soll die preußisch-griechische Referenz in der DDR? Subtile Bildsprache? Das Periodikum jedenfalls druckt auch härteres Zeug. Was will der preußische Ikarus auf der Weidendammer Brücke? Hier stellte Erich Kästner Reich und Arm als Pünktchen und Anton gegenüber, bei Fischer sind es zwei Frauen – wieder jene, die wir schon kennen – in Wollkleidern mit Lurexfäden. Die pralle Sonne ist weg, Dunst zieht auf, die Damen schauen erwartungsvoll nach links. Antworten finden wir da nicht.Oder doch: Die Aufnahmen sind sorgfältig erdachte, elegante, manchmal flüchtige Kompositionen. Spielereien. Bilder weitab von Studio-Atmosphäre oder strenger Inszenierung. Auch die gehören zu Fischers Œuvre und zeigen, dass manches, wenn überhaupt, eben nur Spurenelemente von Politik enthielt.Placeholder infobox-1
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