Was Jonathan Meese mit Bushido verbindet

Prozess Diesen Donnerstag muss sich der Künstler Meese vor dem Gericht verantworten, weil er auf einer Veranstaltung zu Kunstzwecken den Hitlergruss gezeigt hat
Ausgabe 29/2013

Vor einiger Zeit hieß es über Jonathan Meese, seine Kunst könne unter dem Titel „Neurotischer Realismus“ zusammengefasst werden. Aus privaten Ängsten schusterte der 1970 in Japan geborene und in Deutschland aufgewachsene Künstler eine Produktpalette zusammen, die ihm Sammler, Kuratoren und Menschen mit Geld noch begeistert aus den Händen rissen, als die Arbeiten längst in Serie hergestellt wurden. Meese war the next best thing nach einer Reihe von Künstlern, die zumindest zum Nachdenken anregen wollten. Vor allem aber wollte er ein bisschen „Hitler“ rufen, den auch grüßen und belangloses Zeug reden. 2006 zählte das Wirtschaftsmagazin Capital ihn endlich zu den hundert bedeutendsten Künstlern.

Wenn jemand vom Spiegel über die Zeit bis zur Bunten toll gefunden wird, kommt man wohl automatisch in einen Strudel, dem sich unbedingt auch Institutionen wie die Volksbühne anschließen müssen. Seit er dort 2007 das Stück De Frau: Dr. Poundaddylein – Dr. Ezodysseuszeusuzur inszenierte, ergaben sich daraus Abende, die im Theater stattfanden. Der Umstand, dass diese Performances am Rande der Körperverletzung durch intellektfreie Langeweile entlangschrubbten, ist einigen Menschen aufgefallen, der Rest schien doch sehr von sich selbst begeistert. Nach einer Jonathan-Meese-Performance konnte man fortan beim bloßen Anblick eines Hakenkreuzes oder eines Hitlergrußes in Sekundenschlaf fallen.

Nachdem es glücklicherweise ruhig geworden war um Jonathan Meese, mussten ihn allerdings Veranstalter zum Thema „Größenwahn in der Kunst“ an die Universität Kassel einladen. Das war 2012, ein Jahr nachdem Bushido einen Integrations-Bambi bekommen hatte. Jonathan Meese zeigte Hitlergruß und wird dafür nun juristisch belangt: Er habe „Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen“ gezeigt, nach Paragraf 86a des Strafgesetzbuchs gibt es dafür eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe.

Vermutlich waren genügend Staatsanwälte in Meeses Theaterabenden, sodass es eine Weile dauerte, bis sie aus ihrer Ohnmacht erwachten und einen möglichen Straftatbestand feststellen konnten – immerhin hatte Georg Diez bereits 2007 in der Zeit geraten, vom Führer die Finger zu lassen. Diesen Donnerstag findet nun der Prozess im Amtsgericht Kassel statt. Meese wird dort sein und reden.

In einem Gespräch mit dem Spiegel gab er im Vorfeld, von sich selbst in der dritten Person sprechend wie sonst nur ein Lothar Matthäus, seine Strategie bekannt: Er werde sich auf das Grundgesetz und die darin garantierte „Freiheit der Kunst“ berufen. Ähnlich klingt es bei Bushido, der sich mit seinem Video „Stress ohne Grund“ eine Strafanzeige eingehandelt hat: Er habe nur getan, was Rapper gemeinhin so täten. Dabei ist eine Sache viel gravierender: Wenn Meese hitlergrüßend durch die Gegend läuft und der fleischgewordene Integrationsbambi Bushido aus dem Wohlstandsgetto Grunewald ein durchaus langweiliges Musikvideo produziert, kann man sie leider nicht wegen intellektuell mangelhafter Leistung vor den Kadi stellen. Man kann allerdings beobachten, wie nett sich die Aufmerksamkeitsparasiten in den Milieus der Kunstindustrie eingerichtet haben. Ob hinterher eine Geldstrafe herauskommt, ist da kaum mehr als eine Fußnote.

Lennart Laberenz ist Historiker, Autor und Filmemacher

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