Neue Fronten

USA Politik, Medien und der Bürger: Bestandsaufnahme eines Machtgefüges.

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Exekutive, Legislative, Judikative – und die Medien. Seit langem haben sich Presse, Rundfunk und Co. inoffiziell zur Vierten Gewalt gemausert. Schon Hannah Arendt, Jürgen Habermas und sogar Jean-Jaques Rousseau haben die Wirkungsgewalt der Medien in ihren wissenschaftlichen Schriften von allen Seiten beleuchtet. Heute braucht es wenig Wissenschaft, um für die Omnipräsenz einer Vierten Gewalt zu argumentieren – wenige würden den Medien Macht und Einflussnahme in der Politik grundsätzlich absprechen. Vielmehr aber schlägt jene Wahrnehmung aktuell in populäre Ressentiments von Skepsis und Misstrauen um, die sich in aktuellen Buzz-Wörter wie „Fake News“ (oder zu Deutsch-Pegidianisch: „Lügenpresse!“) äußern. Denn Medien sind nicht nur selbst machtvoll; sie sind Kontrollinstanz jener, die unmittelbar Macht ausüben. Nur so können sie das Vertrauen der Bürger generieren. Funktioniert das noch? Der Versuch einer Bestandsaufnahme am Beispiel der Vereinigten Staaten.

Amerika als akuter Brennpunkt liefert zunächst einmal den Eindruck eines veränderten Gemütszustands auf allen Ebenen: Nicht nur hat sich der frisch gewählter Präsident eigens dazu entschieden, tiefgreifende politische Entscheidungen in 140-Zeichen-Tweets zu verkünden, anstatt auf etablierte Medienkanäle zu vertrauen. Die New York Times reagiert darauf mit Anzeigen, die zu einer Rückbesinnung auf das traditionelle Verständnis von Journalismus drängen: “Independent journalism. More essential than ever”, oder auch: “Eager for truth? The truth has no alternative”. Und was den Bürger angeht: der verfügt mittlerweile über alle Mittel, eine klassische Berichterstattung weiträumig zu umfahren, dank Social Media und alternativen News-Portalen. Der politische Journalismus ist nicht mehr selbstverständlicher Vermittler, die Medien in einem Prozess des “Soul-searching”, wie New Yorker-Reporter Andrew Marantz es erst kürzlich betitelte.

Die Beziehung von Medien und Politik in den USA ist spätestens seit dem 1960-er Wahlkampf von J.F. Kennedy und Richard Nixon spannungsgeladen. Kennedy geht als erster Präsident des Medienzeitalters in die Geschichte ein, als er im ersten TV-Duell der Wahlkampfgeschichte braungebrannt und professionell geschminkt neben dem vom Scheinwerferlicht sichtlich ins Schwitzen kommenden Nixon eine deutlich bessere Figur abgibt. Dass die Mehrheit der Umfragen unter Radiozuhörern findet, Nixon habe die Debatte für sich entschieden, spielte längst keine Rolle mehr: „Der Eindruck, den die Bewerber vor laufender Kamera machen, ist wichtiger als ihre Aussagen“, fasste es Damir Fras von der FAZ erst im letzten Jahr aus aktuellem Anlass erneut zusammen. Im Jahr 1960 hatten bereits 90% aller US-Haushalte einen Fernseher.

Mit Barack Obama’s Kandidatur beginnt das Zeitalter der Online-Kampagnen. Nicht nur, weil der charismatische Demokrat vor allem junge Generationen begeistert und somit das Internet für seinen Wahlkampf als besonders wertvoll registriert (Rund 91 Prozent aller 18 bis 29-jährigen US-Amerikaner sind im Wahljahr 2008 online). Obama bricht alle Rekorde der bis dato gesammelten Wahlspenden: Rund 750 Millionen Dollar konnte der Kandidat einholen – zwei Drittel davon von Online-Spendern. Und das auch dank seiner Website, die selbst wie ein soziales Netzwerk interaktiv strukturiert und erfolgreich mit Facebook & Co. gekoppelt ist. Dass Obama so auf staatliche Finanzierung verzichten kann, macht einen guten Eindruck. “Volksnah” könnte man das nennen, oder eben “smart” – Zaubertwort Datenerfassung (eine ausführliche Analyse zu Obamas Online-Wahlkampf gibt es hier hier).

Acht Jahre später hat das Image eines modernen, sozial-vernetzten Präsidentschaftskandidaten ein wenig von seinem Glanz einbüßen müssen. Zum einen weil Trump mit seinen Tweets das Netz so penetrant flutet wie kein Politiker je zuvor. Zum anderen spukt der wutentbrannte Immobilien-Tycoon mit der lustigen Frisur dank des sich rapide etablierenden Videosnippet-Formats auch durch die Facebook-Feeds seiner Gegner. Das Wahljahr 2016 zeigt deutlich: Provokation, Popularität und Erfolg sind enge Verwandte. Soziale Medien haben eine Eigendynamik, die Meinung stark multipliziert. Das macht sie zwar nicht zu einer eigenen Nachrichteninstanz, erlaubt jedoch eine Verschiebung der Meinungsmächte.

Dennoch wäre es falsch, Facebook und Co. allein für Trumps Wahlsieg verantwortlich zu machen. Das meint zumindest Dr. Paul Freedman, Professor für Politik, Medien und Öffentliche Meinung an der University of Virginia und seit 2000 ebenfalls Wahl-Analytiker für das US-Amerikanischen TV- und Radio-Netzwerk ABC in New York. In der Amerikanischen Botschaft in Berlin hält er genau vier Monate nach der Wahl einen Vortrag über die US-Medienlandschaft und ihre Vernetzung mit der Politik.

In seinem Vortrag lässt Freedman vorwiegend Zahlen sprechen: Trotz der steigenden Popularität von digitalen Nachrichtenportalen, ziehen noch immer 57 Prozent volljähriger US-Amerikaner das Fernsehen als Nachrichtenquelle vor, nur 38 Prozent bevorzugen digitale Angebote. Doch Professor Freedman warnt vor der Generalisierung “Fernsehen”, schon lange zieht sich ein Graben durch die TV-Landschaft: Während 18% der Clinton-Wähler CNN als bevorzugte Nachrichtenquelle nennen, hat Fox News unter Trump-Supportern mit 40% die Nase vorn. Im Clinton-Lager verteilen sich die Präferenzen zwar deutlicher auf unterschiedliche Media-Outlets, Fox News kommt trotzdem auf grade mal 3%.

Doch es wäre zu leicht, dem Wähler schlichtweg einen Tunnelblick in Sachen politischer Meinungsbildung zu attestieren. Das Phänomen der Spaltung ist nicht bloß einer faulen Wählerschaft vorzuwerfen, die sich unreflektiert über Jahre von Fox News berieseln lässt und online durch die eigene Filterblase klickt. So wirken die größten Zeitungen des Landes höchstpersöhnlich auf die Spaltung ein, und das ohne sich hinter subversiv-tendenziöser Berichterstattung zu verstecken: “newspaper endorsements” ist in den USA ein Begriff mit Tradition; anders als in Deutschland, wo viele Zeitungen sich darum bemühen, das Image der Überparteilichkeit zu wahren. Über 240 US-Amerikanische Tageszeitungen haben Hillary Clinton in einem Statement ihre Unterstüztung zugesprochen, lediglich 64 stellten sich auf die Seite von Donald Trump.

Für eine Bestandsaufnahme erzählen die Zahlen vor allem eins: Medienproduzenten sowie Medienkonsumenten in Amerika sind tief gespalten. Die größten Netzwerke und Pressedienste des Landes haben sich über Jahre zum “Establishment” gemausert, auch gerade weil eine gewisse Konsistenz in ihrer Berichterstattung eine treue Followerschaft ermöglicht hat. Das wird nun zum Verhängnis, denn die Struktur des Graben bleibt immer hartnäckiger bestehen.

Doch auch die Politik selbst tritt hierbei immer stärker als Akteur hervor. Immer lauter werden die Stimmen aus dem Weißen Haus, die “Mainstream”-Medien pro forma denunzieren. Um genau zu sein, sind das vor allem jene Medienstimmen, die Trump gegenüber weniger mild gesonnen sind. Trumps Krieg mit den Medien erhitzt sich bereits seit einigen Monaten, mittlerweile jedoch geht der Konflikt über seine Tweets und verbalen Anschuldigungen in den "press briefings" des Weißen Hauses hinaus. Als Außenminister Rex Tillerson im März auf Asienreise geht, darf der “press corps” nicht mit – lediglich ein 33-jähriger Journalist des 2012 gegründeten, konservativen Online-Nachrichten-Portals Independent Journal Review begleitet Tillerson. Andrew Marantz vom New Yorker macht darin zwei grundlegende Entwicklungen aus: Einerseits öffne sich die Politik alternativen, jüngeren und vielleicht sogar weniger professionellen Pressestimmen. Das sei per se zu begrüßen, schließlich, so Marantz, schreibe kein Gesetz vor, dass Reporter vom CBS denen des Daily Callers vorgezogen werden müssen. Gleichzeitig zeichne sich aber zunehmend ab, dass so nur regierungsfreundliche Medienstimmen überhaupt über die politischen Entwicklungen berichten können – ein Rückschritt, der direkt auf die Pressefreiheit zielt. Die Independent Journal Review zumindest, gehört in Teilen einem der Top-Berater von Vice-President Mike Pence.

Grund zur Sorge? Marantz zumindest versucht sich in einem positiven Fazit: “Die aufkommende Stimmung, dass es gerade jetzt wichtig ist, ein guter Journalist zu sein, macht schon mal Mut”. Hoffentlich bleibt es nicht nur bei einer Stimmung.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Leonie Haenchen

leonie.haenchen@gmail.com

Leonie Haenchen

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