Nicht schon wieder!

Zwischen Durban und Dakar Leonie March gewöhnt sich schwer an die Stromausfälle in Südafrika
Ausgabe 17/2019

Ein Seufzer geht durch den kleinen Supermarkt in Durban. „Nicht schon wieder“, murmelt die Kundin neben mir. Sehen kann ich sie kaum, denn gerade ist das Licht ausgegangen. Dann leuchten Handys auf dem Weg zum Ausgang. „Es tut mir leid, ich kann nichts für Sie tun“, sagt Ladenbesitzer Ravi Naidoo. Ohne Strom funktionieren weder Kasse noch Kartenlesegerät. „Wir verlieren jetzt wieder stundenlang Umsätze“, klagt er und hängt ein Schild an die Tür: „Geschlossen wegen Loadshedding“.

Der Begriff „Loadshedding“ bezeichnet die Stromausfälle, die Südafrika seit über zehn Jahren immer wieder und zuletzt immer öfter plagen. Wenn das Netz überlastet ist, wird die Energieversorgung landesweit gedrosselt. Der Strom wird für mehrere Stunden abgeschaltet, je nach Viertel zu unterschiedlichen Zeiten, mehrmals am Tag. Ansonsten drohe der Blackout, heißt es. Schuld ist die hausgemachte Krise des staatlichen Energieversorgers Eskom, Fehlplanung, Missmanagement, Korruption.

Unter Präsident Jacob Zuma hatte die Krise gigantische Ausmaße angenommen, Nachfolger Cyril Ramaphosa will Eskom jetzt umstrukturieren. Aber das kann dauern. Inzwischen belastet Eskom den Fiskus und treibt die Staatsverschuldung in die Höhe. Obendrein schwächen die Stromausfälle die Wirtschaft und bedrohen Arbeitsplätze. „Wenn das so weitergeht, bleibt mir nichts anderes übrig, als Angestellte zu entlassen“, sagt Naidoo und setzt sich auf einen Hocker vor seinem Laden. Die Löhne muss er weiterzahlen, trotz sinkender Einnahmen. Einen Generator oder eine Solaranlage anzuschaffen, wie das größere Betriebe machen, dazu fehlt ihm das Geld.

Aus einem Büro nebenan kommt eine Frau, Ayanda Dube. „Ich muss jetzt immer schon um sechs Uhr mit der Arbeit beginnen, um die Zeit der Stromausfälle auszugleichen“, sagt sie. Ihr Büro habe zwar USV-Batterien für die Computer angeschafft, aber die hielten maximal eine Stunde. Das Festnetz funktioniert während der Stromausfälle gar nicht. Zunehmend ist auch der Mobilfunk betroffen, wenn die Stromspeicher der Funkmasten leer sind. „Ich weiß nicht, wie wir so auf die Dauer weiterarbeiten sollen“, sagt sie. Ich nicke, denn ich kenne das Problem. Wie alle hier habe ich meinen Alltag so gut wie möglich rund um die Loadshedding-Zeiten organisiert. Immer wieder fällt der Strom aber auch ungeplant aus. Der Besitzer eines Geschäfts für Haushaltsgeräte erzählte mir, dass er immer mehr Schäden wegen der Überspannung zu reparieren habe, die oft auf einen Stromausfall folgt. „Trotzdem sollen wir jetzt auch noch höhere Strompreise zahlen“, echauffiert sich Naidoo. Im Lauf des letzten Jahrzehnts sind die Preise um 400 Prozent gestiegen und werden nun erneut erhöht, worunter auch der Goldbergbau leidet.

Vor Naidoos Laden hat sich inzwischen ein Stau gebildet, weil auch die Ampeln ausgefallen sind. Nachts ist das gespenstisch, „Verbrecher wissen, dass viele Alarmanlagen nicht funktionieren“, sagt Dube. Gegenüber sitzt ein Zeitungsverkäufer vor seinem Stapel. Titel: „Kein Ende des Loadshedding in Sicht“.

Leonie March ist freie Korrespondentin in Südafrika. Im vergangenen Jahr erschien ihr Buch Mandelas Traum

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