Dreizehnmal Kassel

Documenta Die dOCUMENTA (13) war die dreizehnte Documenta, die ich „erlebt“ habe

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Die Skulpturen von Julio González im Museum Fridericianum, damals (fast) wie heute
Die Skulpturen von Julio González im Museum Fridericianum, damals (fast) wie heute

Foto: Janine Sack

Lasse ich alle an mir vorüberziehen, so war es wohl die erste documenta 1955, die mich am meisten berührt hat. Ich war dreizehn Jahre alt und besuchte sie mit meinem Vater. Wir waren mit der ganzen Familie auf dem Weg in den ersten Nachkriegsurlaub. Da es der sehnlichste Wunsch meiner Mutter war, die Urlaubsreise zu unterbrechen, um die Bundesgartenbau-Ausstellung zu besuchen, machten wir Station in Kassel. Mein Vater interessierte sich nicht für Gartenbau, und so besuchten wir in den Zwischenzeit die documenta.

Ich kam aus einer spießigen Kleinstadt in Norddeutschland, und was ich auf der documenta erlebte, prägte mich für mein ganzes Leben. Es war das Modernste, was ich jemals gesehen hatte. Es war ‚die Moderne’, die ich damals noch nicht zu benennen wusste, die mich aber in Staunen versetzte. Das fing an mit den riesigen documenta-Schriftzügen, alles in Kleinbuchstaben, an der Fassade und an der Seite des Friedericianums und der Farbgebung des Logos in leuchtendem Rot und Weiß. Es setzte sich fort in den überwältigenden weiß gekalkten Hallen, den bis zur Decke reichenden sich leise bewegenden weiß-grauen und schwarzen Plastikvorhängen. Es kulminierte in den Bildern und Skulpturen, von deren Existenz ich nicht einmal etwas geahnt hatte und die mich völlig unvorbereitet trafen. Fasziniert hatte mich vor allem die große Halle im Erdgeschoß mit den Skulpturen. Die an der Frontseite thronenden König und Königin von Henry Moore und die auf einem Tisch stehenden kleineren Skulpturen von González haben sich mir für immer eingeprägt.

Überrascht und sehr berührt war ich daher, als ich die dOCUMENTA (13) besuchte und genau jene Plastiken von González als Rückbesinnung auf die documenta II im Jahre 1959 wieder gezeigt wurden. Meiner Meinung nach ist das Foto im diesjährigen Katalog (Begleitbuch Seite 72) aber falsch datiert. Angeblich zeigt das Bild die Skulpturen in der Ausstellung im Jahre 1959; tatsächlich sind sie aber 1955 präsentiert worden.

Herbert Hossmann ist Verwaltungsjurist und Mitinhaber der Edition Lebeer Hossmann Brüssel und Hamburg, die seit 1972 Künstlerbücher und Künstlerschallplatten publiziert (Dieter Roth, Robert Filliou, Marcel Broodhtaers, Nam Jun Paik, Annette Messager, und viele andere); Er ist außerdem Verwalter des Anna-Oppermann-Nachlasses.

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Herbert Hossmann | Let's Talk About Art

Sprechen wir über Kunst. Ein zweisprachiges Forum für Beiträge über Kunst – initiiert von Janine Sack Künstlerin und Art-Direktorin

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