Stellvertreterprotest im Hambacher Forst

Hambacher Forst in Gefahr Der Hambacher Forst ist gegenwärtig nur ein Synonym für das Ende des Kapitalismus. Die Ohnmacht des Staates vor der Gewalt des Geldes gefährdet das Leben der Menschen.

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Es war wohl 1986 oder 1987 im Kino Capitol. Ehrwürdige Spielstätte der Leipziger Dokfilmwoche. Die Leinwand öffnete sich und uns Zuschauern kamen gepanzerte Fahrzeuge entgegen. Schwenk. Auf der anderen Seite machten sich mehrere Demonstranten lautstark bemerkbar. Ihr Protest damals galt der Errichtung der sogenannten Startbahn West für den Frankfurter Flughafen. Es schien alles so friedlich und doch marschierte eine Armada Polizeibeamter mit Schlagstöcken ausgerüstet und Räumpanzer sowie Wasserwerfer hinter sich wissend auf die Demonstranten los. Einsatzbefehl. Es waren genau die Bilder auf der Kinoleinwand zu sehen, die uns DDR-Bürgern die Unmenschlichkeit des kapitalistischen Systems vor Augen führen sollten. „Startbahn West – Trilogie eines Widerstandes“ von 1981 oder „Keine Startbahn West – Eine Region wehrt sich“ von 1982 hießen die Dokumentarfilme von Thomas Frickel u.a. Einer dieser beiden Filme lief damals im Abendprogramm.
Mehr als 30 Jahre später, eine Wendeerfahrung und im purem Kapitalismus steckend, sehe ich erneut hochgerüstete Polizeibeamte, die Befehle einer mächtigen Industrielobby ausführen. Ein auf 200 Hektar geschrumpftes Waldstück, der #Hambacherforst, soll von „links-grünen“ Baumhausbesetzern gereinigt werden. Es geht um Kohle. Leicht verdiente, dreckige Kohle für RWE. Der Wald, der einmal 4000 Hektar maß und seit 12000 Jahren gewachsen ist, muss den Braunkohlebaggern weichen, um die dreckige Kohle als leicht verdiente Kohle ans Tageslicht und in die Brennöfen des Energieriesen zu fördern. Da wird nicht nur Kohle verzeiht, um sie mit Rendite in Strom umzuwandeln. Da wird saubere Luft, produziert ohne menschliches Zutun, vernichtet. Verheizt werden zudem junge Polizisten, die eben auch diese Luft zum Atmen brauchen.
Doch es regt sich Widerstand. Baumhausbesetzer. Sie harren dort seit Jahren aus, um den Wald vor seiner Rodung, seiner Vernichtung zu schützen, um die saubere Luft zu verteidigen. Sie haben eine Art zu leben gewählt, die fernab von Straßensmog und engen Häuserschluchten, Konsumrausch und Plastikmüll liegt. Nicht jedermanns Sache. Und doch geht uns, mich das Anliegen der Umweltaktivisten etwas an. Muss ich mich mit ihnen solidarisieren. Es ist wieder ein Stück Luft, die uns, mir genommen werden soll. Ein Stück Lebensqualität, die zu mir mehr gehört als das scheinbar notwendige neue Smartphone.
Wie kann ich helfen, dass sich das Ergebnis von vor mehr als 30 Jahren nicht wiederholt? 1984 wurde die Startbahn West eröffnet. Es gab zwei tote Polizisten. Jetzt, 2018, beklagen wir wieder ein Todesopfer. Ein Blogger, der auf der richtigen Seite stand und darüber berichtete, wie der Wald, unsere gemeinsames Stück Luft für uns, für mich verteidigt wurde und wird. Es darf nicht folgen, was in Frankfurt am Main passierte. Es dürfen keine Polizisten weiter die friedliche Baumhausbesetzer mit unangemessener Gewalt zu Gegenreaktionen provozieren, keine Forstarbeiter den Wald weiter roden, kein RWE-Mitarbeiter seinen Arbeitsplatz für die dreckige Braunkohleverstromung verteidigen …
Es ist u.a. das Engagement der Baumhausbesetzer, das uns hier die Luft zum Atmen und ein großes Stück Lebensqualität bewahrt. Unterstützen wir sie, indem wir unsere Gedanken posten, indem die nahe wohnenden sich um den #HambacherForst zu einer Menschenkette vereinen. Oder für ein paar Stunden RWE den Stromzähler abdrehen und keinen Strom mehr nutzen.
Holen wir uns die Luft zurück. Stellvertretend die Menschen in den Baumhäusern für uns, für mich oder wir alle auf digitalem Wege. Der Umwelt zu liebe.

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