Blaupause für eine solidarische Wirtschaft

Demokratische Unternehmen - Immer wieder ist das Mantra "TINA" (There Is No Alternative) zu hören. Eine erfolgreiche Alternative ist jedoch weitgehend unbekannt. Die Kooperative Mondragón.

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Die industrielle Revolution brachte zwei gesellschaftliche Entwicklungen hervor, die individualistische, liberale Marktwirtschaft mit einer zunehmenden Demokratisierung und die kollektivistische, sozialistische Planwirtschaft mit einer repressiven Unterdrückung der Menschen.

Die sozialistische Planwirtschaft ist vor 30 Jahren gescheitert und die Marktwirtschaft konnte sich weltweit weitgehend frei entfalten. Doch das „Ende der Geschichte“ , den bestmöglichen Zustand haben wir offensichtlich noch nicht erreicht. Vieles ist besser geworden, der weltweite Wohlstand hat enorm zugenommen, doch die Probleme sind insgesamt nicht weniger, sondern größer geworden.

Offensichtlich zerstören wir mit unserer Art zu wirtschaften unsere eigenen Lebensgrundlagen. Wir befinden uns im Kriegszustand mit der Natur“ . Und diesen Krieg werden wir nicht gewinnen!

Die Demokratie mit ihren real existierenden Strukturen wird von vielen Menschen nicht mehr akzeptiert, weil die Schwächen so offensichtlich sind und der Zusammenhalt der Gesellschaften schwindet.

Die Zweifel an der „freien“ Marktwirtschaft sind weit verbreitet, weil offensichtlich der trickle-down Effekt“ nicht so richtig funktioniert und die großen Vermögen an der Spitze der Gesellschaft sich exponentiell akkumulieren, während unten zunehmend nur noch die Brosamen ankommen.

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Das Argument, es wurden doch in den letzten Jahrzehnten so viele Menschen aus bitterster Armut geholt, ist richtig. Doch die meisten dieser Menschen leben in China, während sehr viele Menschen in den alten Industrieländern einen unaufhaltsam erscheinenden Niedergang erlebt haben.

Welcher Weg soll aus all diesen Problemen, die ich hier gar nicht aufzählen will, weil jeder sie zur Genüge kennt, in eine bessere Zukunft führen? Gibt es überhaupt Lösungsansätze für all diese Probleme?

Haben die Libertären recht, die fest davon überzeugt sind, sie sind auf dem richtigen Weg, doch bis jetzt waren sie noch nicht konsequent genug? Nur eine weitere, konsequente Deregulierung und Privatisierung mit einer weiteren Reduzierung von staatlichen Einflüssen kann die Probleme lösen?

Oder haben die Neosozialisten recht, die uns weismachen wollen, sie hätten aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt und sie wollen jetzt einen neuen Sozialismus des 21. Jahrhunderts schaffen, der die Probleme lösen wird. Unter diesem Label wurde bereits die sozialistische Entwicklung in Venezuela verkauft. Doch was ist davon geblieben? Ein reiches Land, mit den größten Erdölvorräten der Welt wurde gründlich ruiniert und viele Menschen leben dort in bitterster Armut mit einer völlig desolaten Infrastruktur.

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Oder ist der chinesische Weg der richtige? Die wirtschaftlichen Erfolge sind unzweifelhaft, doch sie wurden mit einem ungeheuren Raubbau an den Ressourcen der Natur erkauft. Die beispiellose Entwicklung in China hat gezeigt, dass Kapitalismus und Demokratie einander nicht bedingen, denn die kommunistische Partei hat ihren Alleinherrschaftsanspruch niemals aufgegeben und alle Hoffnungen auf eine zunehmende Demokratisierung Chinas waren völlig unrealistisch. Selbst die größte wirtschaftliche Macht einzelner Individuen hilft nichts, sie sind in letzter Konsequenz dem Allmachtsanspruch der Partei hilflos ausgeliefert.

Die Situation erscheint so wie die von Odysseus, der die Wahl zwischen den beiden Seeungeheuern Skylla und Charybdis hatte – die Wahl zwischen Pest oder Cholera.

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Bringt man die Diskussion auf kooperative, genossenschaftliche Wirtschaftsformen auf einen „dritten Weg“* zwischen den beiden Ungeheuern, dann wird man in der Regel sofort der „Traumtänzerei“ bezichtigt. (* mit dem Begriff „dritter Weg“ sind hier nicht dubiose, teilweise nationalistische Konzepte gemeint.)

Es ist richtig, dass in dieser Richtung viele Versuche unternommen wurden und viele dieser Versuche sind gescheitert. Allgemeiner Tenor ist: Das wäre schön, doch es ist völlig unrealistisch, weil die Schwächen der menschlichen Natur solche Formen der Zusammenarbeit einfach nicht zulassen.

Allenfalls sei dies in kleinem Rahmen möglich, doch sobald man versuche solche Konzepte im größeren Stil zu realisieren müssten sie unweigerlich scheitern. So wie bereits Robert Owen , dessen Kooperative in New Lanark , Schottland in überschaubaren Dimensionen noch wunderbar funktionierte. Doch als er dann versuchte eine Kooperative in einem großen Umfang in New Harmony in den USA aufzubauen scheiterte er total.

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Ende des 19. Jahrhunderts stellte der Soziologe Franz Oppenheimer das sogenannte „Transformationsgesetz“ auf, wonach Produktionsgenossenschaften sich quasi automatisch in kapitalistische Unternehmen umwandeln oder sie scheitern.

Konsumgenossenschaften haben danach bessere Überlebenschancen. Oppenheimer war selbst wesentlich am Aufbau von Genossenschaften beteiligt, insbesondere im Rahmen der Kibbuzbewegung in Israel .

Das Transformationsgesetz ist ein sehr strenges Gesetz, sodass es manchmal auch als ein „ehernes Gesetz“ bezeichnet wird. Es ist jedoch kein unabänderliches Naturgesetz, dass jeden Gedanken an kooperative Wirtschaftsformen in Produktionsbereichen obsolet machen würde.

In den nichtproduktiven Bereichen waren und sind Genossenschaften oft sehr erfolgreich, wie z.B. die von Raiffeisen und Schulze-Delitzsch begründeten Raiffeisen - und Spar- und Darlehnsbanken.

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Von den Gewerkschaften wurden viele Kooperativen (z.B. Coop, Neue Heimat, Bank für Gemeinwirtschaft ) geschaffen, die über viele Jahre erfolgreich waren, doch (fast ?) alle sind an den zunehmend oligarchischen Strukturen gescheitert. Diese fatale Entwicklung hat die vorherrschenden negativen Vorstellungen über Kooperativen bis heute nachhaltig geprägt.

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ARD Dokumentation über die "Neue Heimat" - Korruption und Wohnungsbau

Weitgehend unbemerkt von der breiten Öffentlichkeit hat sich in den letzten Jahrzehnten eine im Jahre 1956 in Spanien gegründete Kooperative zu einer Größe und Bedeutung entwickelt, die früher für unmöglich gehalten wurde. Es ist die Mondragón Corporación Cooperativa (MCC) mit ihrem Hauptsitz in der kleinen Stadt Mondragón (Sarrasate) im Baskenland.

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Mondragón wurde von dem Priester José Maria Arizmendiarietta SJ gegründet und basiert auf der katholischen Soziallehre.

Zusammen mit 5 Absolventen, der von ihm bereits 1943 gegründeten Berufs-/Ingenieurschule gründete er die erste Firma Ulgor , die später in Fagor umbenannt wurde. Es war von Anfang an eine geradezu unglaublich rasante Erfolgsgeschichte und selbst die Krise der 70er Jahre konnte das Wachstum nicht bremsen.

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Doch Mondragón ist weitgehend unbekannt und es stellt sich die Frage – warum?

Das liegt wohl nicht ganz unwesentlich an den Mondragón Leuten selbst und ihren Erfahrungen. Sie mussten sich von Anfang an in einem kapitalistischen Umfeld behaupten. Sie wurden argwöhnisch beobachtet und man machte Ihnen Schwierigkeiten. Viele besondere Errungenschaften der Kooperative sind aus der feindseligen Haltung und den Steinen, die man ihnen in den Weg legte, entstanden.

1958 wurde die Sozialversicherung Lagun Aro gegründet, weil den Genossen die Mitgliedschaft in der staatlichen Sozialversicherung verweigert wurde.
1959 entstand die Genossenschaftsbank Caja Laboral Popular , heute Laboral Kutxa, weil die Banken ihnen kein Geld liehen.

Die Partnerschaften von Mondragón Unternehmen mit Weltkonzernen, z.B. als Zulieferer für Automobilfirmen wären vielleicht weniger gut, wenn die Mondragóngruppe offensiv Werbung für ihr Wirtschaftsmodell machen würde.

Die Mondragón Leute betonen stets, dass ihr Firmenverbund nur unter sehr speziellen zeitlichen und örtlichen Bedingungen entstehen konnte, die nicht wiederholbar oder kopierbar seien.

Dies ist m.E. nur zum Teil richtig, denn meine Analyse zeigt, dass die Dinge etwas anders sind. Die örtlichen und zeitlichen Bedingungen waren wichtig, doch für den fulminanten Erfolg der Anfangsjahre aus dem sich alles andere ergab, waren andere Faktoren wichtiger, die es im Detail zu entschlüsseln gilt. Nur so ist es möglich über eine Verbreitung des „Modells Mondragón“ nachzudenken.

Der Begriff „Modell Mondragón“ ist nicht beliebt, man spricht lieber vom "Experiment Mondragón" .

Das bereits erwähnte „Transformationsgesetz“ von Oppenheimer hat seine Gültigkeit, doch Mondragon war von Anfang an eine Produktionsgenossenschaft. Die Konsumbereiche kamen erst später hinzu und auch heute noch dominieren die produktiven Unternehmen. Viele der Firmen sind in High-Tech Bereichen tätig und sind als Partner von Weltkonzernen akzeptiert. Mondragon ist heute global aktiv und viele der Firmen spielen in der ersten Liga.

Mondragon hat offensichtlich den Schlüssel gefunden das „Transformationsgesetz“ auszuhebeln oder zu überlisten.

Doch zunächst einige Fakten und Zahlen, um einen Eindruck zu vermitteln, was Mondragon überhaupt ist. (Quelle: Artikel von Pit Wuhrer auf Oxiblog)

2020 umfasst die MCC mehr als 260 Firmen und andere Organisationen, 98 davon sind Genossenschaften. Neben den Produktionsgenossenschaften zählen dazu:

● eine prosperierende Bank Laboral Kutxa,
● die Supermarktkette Eroski,
● landwirtschaftliche Genossenschaften,
● Unternehmensdienstleister,
● Einrichtungen der angewandten Forschung und
● Ausbildungsinstitutionen, darunter eine Universität.

Die MCC finanziert eine eigene Sozialversicherung Lagun Aro.
Das MCC-eigene Spital hat inzwischen die öffentliche Hand übernommen.

Diese Einrichtungen sind in einem komplexen und bislang effektiven System wechselseitiger Unterstützung miteinander integriert.

Geschäftsvolumen und institutionelle Vielfalt entwickelten sich in den mehr als sechzig Jahren seit Gründung der MCC ausgesprochen dynamisch. Die Mondragón-Gruppe etablierte in dieser Zeit eine große Zahl an Genossenschaften, mit sehr wenigen Misserfolgen, und schuf eine überproportionale Zahl an Arbeitsplätzen, mit vielen positiven Auswirkungen auf die regionale Ökonomie. Auch die Krisenjahre seit 2008 hat die MCC gut überstanden – mit einer Ausnahme: dem Konkurs der ersten ihrer Genossenschaften, Fagor, im Jahr 2013.

Der Kern der MCC sind die Genossenschaften. Die Mitglieder einer Genossenschaft, die zur MCC gehört, sind zugleich Eigentümer_innen der Firma. Sie verfügen über gleiches Stimmrecht in der Generalversammlung, die ein Mal pro Jahr zusammentritt um wesentliche Entscheidungen zu treffen und die Zusammensetzung des Managements zu beschließen.

Die maximale Einkommensdifferenz der Angehörigen der MCC beträgt 1 zu 9. (Zum Vergleich: die geringsten und höchsten Einkommen in den Unternehmen der FTSE 100 Liste mit den größten und umsatzstärksten Unternehmen der Londoner Börse unterscheiden sich im Verhältnis von 1 zu 129.)

Im industriellen Kernbereich der MCC liegt der Anteil der Mitglieder bei 80%. In Firmen außerhalb des Baskenlands und in anderen Unternehmenssparten sind allerdings sehr viele Beschäftigte keine Mitglieder. Deshalb beträgt heute der Anteil der Mitglieder nur mehr 40% aller Beschäftigten in der MCC. Daneben gibt es auch einen relativ hohen Anteil an befristeter Beschäftigung ohne Mitgliedschaft.

Die Zahl der Genossenschaften vermehrte sich nicht allein durch die Aufnahme von Firmen oder durch unabhängige Neugründungen der Genossenschaftsbank, sondern auch durch die Politik der Dezentralisierung, die die Mondragón-Gruppe praktizierte. Um den bürokratischen Aufwand möglichst gering zu halten, wurden neue Produktlinien, die eigenständig betrieben werden konnten, von ihrer Muttergenossenschaft nach Möglichkeit als eigene Genossenschaften ausgegründet.

Die Tochtergenossenschaften sind frei, Geschäftsbeziehungen mit Firmen außerhalb der MCC einzugehen. Zugleich werden Komplementaritäten beim Bezug von Produktionsmitteln oder beim Verkauf der Produkte innerhalb der Gruppe wirksam. So wurden etwa in den Anfangsjahren Genossenschaften gegründet, um den Bedarf an Bauteilen für Fagor zu decken. Das sicherte ihren Markt, während sie parallel dazu den Spielraum hatten, durch neue Kund_innen zu wachsen.

Die Spin-Offs oder Komplementärgenossenschaften wurden durch die Institution der Geschäftsbereiche gestärkt. Die einzelnen Mitgliedsgenossenschaften einer solchen Gruppe poolen ihre Profite und Verluste (in unterschiedlichem Ausmaß) und unterstützen sich damit wechselseitig. Sie teilen in manchen Gruppen auch gewisse Dienstleistungen und poolen Arbeitskräfte zum Ausgleich von Arbeitsspitzen. Die MCC hat eine komplexe Entscheidungsstruktur, die top-down und bottom-up Elemente kombiniert.

Auf der Nano-Ebene der einzelnen Genossenschaft entscheidet die jährliche Generalversammlung über alle strategischen Fragen. Die Generalversammlung wählt einen Steuerungsrat, der eine Geschäftsführung ernennt. Die Geschäftsführung bildet zusammen mit weiteren Manager_innen den Managementrat. Dieses Organ ist für die tägliche Unternehmensführung zuständig. Die Genossenschaftsmitglieder wählen zudem einen Sozialausschuss und darüber hinaus einen Ausschuss zur Rechnungsprüfung.

Die Struktur eines Geschäftsbereichs auf der Meso-Ebene ist ähnlich dem der einzelnen Genossenschaften. Auch auf der Ebene des Geschäftsbereichs bleiben aber die Einzelgenossenschaften die ausschlaggebenden Entscheidungsorgane. Die Organe der Geschäftsbereiche haben keine eigene Entscheidungsgewalt.

Die zentrale demokratische Institution der MCC ist der Kongress. Dieser besteht aus 650 Delegierten aus den einzelnen Genossenschaften. Er trifft sich jährlich und legt die generellen Leitlinien für die Genossenschaften der MCC fest. Die Steuerungsräte der Geschäftsbereiche wählen einen ständigen Ausschuss. Dieser ernennt einen Generalrat, dessen Aufgabe darin besteht, die Beschlüsse des Kongresses und des ständigen Ausschusses umzusetzen.

Zwar gibt der Kongress strategische Leitlinien vor, die einzelnen Genossenschaften entscheiden in diesem Rahmen aber unabhängig. Der Generalrat hat keine Weisungsbefugnis gegenüber den Genossenschaften. Die Beziehungen zwischen Generalrat, Geschäftsbereichen und Genossenschaften beruhen auf Aushandlung, Überzeugung und wechselseitiger Unterstützung, nicht auf Kommandohierarchien.

Herausforderung Globalisierung

Die Öffnung des spanischen Binnenmarktes zuerst der EG, dann dem Weltmarkt gegenüber, setzte die MCC unter Druck. Das Management entschied sich, diesem Druck mit einer Strategie der Internationalisierung zu begegnen. Dabei werden in Billiglohnländern Joint Ventures eingegangen oder Firmen im Ausland aufgekauft. Diese ausländischen Partner oder Firmen der MCC sind keine Genossenschaften ‒ bislang jedenfalls.

Das Management der MCC begründet dieses Problem mit dem Argument, dass es nicht genügend Genossenschaften in den Branchen und Regionen gebe, in denen die MCC aktiv ist. Auch bestehe in diesen Regionen oft keine Genossenschaftskultur, die es ermöglichen würde, die betreffenden Firmen rasch in Form von Genossenschaften neu zu organisieren. Mitunter seien die Arbeitenden auch gar nicht daran interessiert, ihre Betriebe in Genossenschaften umzuwandeln, so heißt es.

Die Strategie der Internationalisierung führte die MCC in ein moralisches Dilemma. Ausländische Billigproduktion und der Absatz von entsprechend kostengünstigen Waren auf ausländischen Märkten sind für die MCC zu einer wesentlichen Strategie geworden, Arbeitsplätze im Baskenland zu erhalten. Das hat ihr den Vorwurf eingebracht, nur auf regionale Vorteile zu zielen. Im Unterschied zu anderen Genossenschaften, die sich internationalisiert haben, sind dem Management der MCC die damit verbundenen Widersprüche bewusst.

Die MCC bewahrt bislang den Anspruch einer Solidarischen Ökonomie. Sie scheint sich zudem ihrer ursprünglichen Werte neuerdings wieder stärker zu besinnen. So bleibt die Möglichkeit bestehen, auf die Globalisierung mit solidarischen Strategien zu antworten. Der Geist der Genossenschaftsbewegung ist noch soweit lebendig, dass das Management der MCC die eigenen Widersprüche bemerkt und sich daran auch reibt.

Die zehn Prinzipien der MCC

Die von Arizmendiarrieta aufgestellten zehn Prinzipien beschreiben die Struktur von MCC und kommen in allen Genossenschaften zur Anwendung:

Freier Zugang : Jeder und jede darf den Genossenschaften beitreten, Basken und NichtBasken, Religiöse und Atheisten, Mitglieder aller politischen Parteien oder Parteilose.

Demokratische Organisation : Im Zentrum steht das Prinzip »ein Arbeiter, eine Stimme«, im weiteren Sinne geht es um partizipatorische Demokratie am Arbeitsplatz und in der Zusammenarbeit mit dem Management. Souveränität der Arbeit beschreibt das grundlegende Verhältnis zwischen Kapital und Arbeit und bestimmt, dass die Arbeit über das Kapital herrschen soll, zumindest innerhalb der Genossenschaften, wenn nicht insgesamt in der lokalen Gemeinde.

Kapital als Mittel ergibt sich aus dem Vorangegangenen: Kapital wird als Instrument definiert, das von der Arbeiterschaft benutzt, eingesetzt und kontrolliert werden soll statt umgekehrt.

Selbstverwaltung betont, dass die Arbeiter-Eigentümer nicht nur über ihren Arbeitsbereich und ihre Arbeitsorganisation entscheiden können sollen, sondern auch die in den Verwaltungsrat Gewählten oder ins Management Aufgenommenen so weitergebildet werden sollen, dass sie die Genossenschaften strategisch lenken können.

Einkommenssolidarität : Die Arbeiter-Eigentümer legen den Abstand zwischen den niedrigsten Einkommen und der Bezahlung der Manager sowie der diversen Qualifikations- und Altersstufen dazwischen fest. Ursprünglich war das Verhältnis 3 zu 1, wurde später aber angepasst, weil es zu schwierig wurde, gute Manager zu halten. Heute liegt das Verhältnis im Durchschnitt bei 4,5 zu 1 im Gegensatz zum Durchschnitt von 350 zu 1 bei US-Unternehmen. Der größte Abstand liegt bei 9 zu 1, und dies lediglich bei Caja Laboral, der arbeitereigenen Bank bei MCC.

Zusammenarbeit zwischen den Genossenschaften soll ermöglichen, gemeinsame branchenspezifische Strategien zu entwickeln. Auch können Mitglieder zwischen den Genossenschaften wechseln, wenn ein Unternehmen zwischenzeitlich zu wenige Aufträge hat.

Soziale Transformation : Die Genossenschaften sollen sich nicht nur mit sich selbst beschäftigen, isoliert von der umliegenden Gemeinde. Sie sollen die Genossenschaftswerte dazu einbringen, die Gesellschaft insgesamt verändern zu helfen.

Allgemeine Solidarität : Die Genossenschaften sollen nicht nur untereinander, sondern auch mit der gesamten Arbeiterbewegung – in Spanien und auf der ganzen Welt – Solidarität üben. MCC unterhält mehrere Projekte, die in abgelegenen Gebieten der Dritten Welt Unterstützungsarbeit leisten.

Kritik an Mondragón

● Kritik kommt von Gewerkschaften und Vertretern von linken Parteien, weil es in den Mondragón Unternehmen keine Gewerkschaften gibt.

● Es wird auch die „Verwässerung“ der ursprünglichen Ideale, welche durch die Internationalisierung und Globalisierung entstanden ist, kritisiert.

● Die mit der Zeit entstandene Drei-Klassen-Gesellschaft von Genossen, Angestellten und Zeitarbeitskräften wird kritisiert.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
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