Elisa Aseva hat Recht: Wir brauchen den Kommunismus

Meinung Mord! Gulag! Venezuela! Mit einem Satz zum Kommunismus hat Elisa Aseva für Schnappatmung von Julian Reichelt bis Volker Beck gesorgt. Deren Shitstorm gegen die Lyrikerin ist unverschämt
Ausgabe 23/2022
Was sonst als die Forderung nach Kommunismus soll die Parole „system change, not climate change“ sein?
Was sonst als die Forderung nach Kommunismus soll die Parole „system change, not climate change“ sein?

Foto: John MacDougall/AFP/Getty Images

Sie hat das K-Wort gesagt! Weil die Lyrikerin Elisa Aseva in einem Gespräch mit Deutschlandfunk Kultur verlauten ließ, sie glaube, dass wir den Kommunismus haben müssen, wenn wir eine Zukunft für alle wollen, bekam das konservative und linksliberale Deutschland Schnappatmung. Mord! Gulag! Venezuela! Der alte Reflex ist nicht totzukriegen: als Gründungsmythos der Bundesrepublik hat der Antikommunismus sogar seinen eigenen Sieg überlebt und wabert seither zunehmend senil durch die Oberstübchen der Republik. Was es heißt, weiß kaum einer, doch von Julian Reichelt bis Volker Beck ist man sich einig: Das K-Wort sagt man nicht.

Der unverschämte Shitstorm, den Aseva über sich ergehen lassen musste, hatte es in sich. Immerhin: am Pfingstwochenende, wenn der Heilige Geist die Christen in Hoffnung eint, trendete „Kommunismus“ auf Twitter.

Dabei ist die Aussage Asevas, die das Social-Media-Team des DLF Kultur für ein Sharepic ausgewählt hat, total einleuchtend. Der wichtige Part ist dabei der Halbsatz „wenn wir eine Zukunft für alle wollen“. Dass die auf dem Spiel steht, haben zwar noch nicht alle begriffen, die Evidenz ist jedoch in etwa so erdrückend wie die Hitze, die in Indien die Vögel tot vom Himmel fallen lässt.

Erhebliche Zweifel daran, dass unter der Herrschaft des Kapitals der Kollaps der Zukunft aufgehalten werden kann, sind angebracht. Und viele Menschen verstehen das. Was sonst als die Forderung nach Kommunismus soll die Parole „system change, not climate change“ sein? The kids want communism hieß vor ein paar Jahren eine in Israel konzipierte Ausstellung, die auch in Berlin zu sehen war. Das stimmt, sie sagen es nur weniger direkt.

Dass der Kommunismus das Einfache ist, das schwer zu machen ist, ist genauso wenig ein Argument gegen ihn wie die Dummheit vieler Kommunisten. Das K-Wort nicht der KP Chinas zu überlassen, hätte den Vorteil, dass ein schlagkräftiger Begriff zur Verfügung stünde, in dem sich die Forderungen für eine Zukunft für alle kondensieren ließen. Denn Kommunismus ist Leben. Kommunismus ist Würde. Kommunismus ist Freiheit, Frieden, Freude und sogar Eierkuchen. In den Worten Ronald M. Schernikaus: Der Kommunismus liegt so auf der Hand! Aber vielleicht haben die anderen keine Hand?

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Geschrieben von

Leander F. Badura

Redakteur Kultur (Freier Mitarbeiter)

Leander F. Badura kam 2017 als Praktikant im Rahmen seines Studiums der Angewandten Politikwissenschaft in Freiburg und Aix-en-Provence zum Freitag, wo er bis 2019 blieb. Nach einem Studium der Lateinamerikastudien in Berlin und in den letzten Zügen des Studiums der Europäischen Literaturen übernahm er 2022 im Kultur-Ressort die Verantwortung für alle Themen rund ums Theater. Des Weiteren beschäftigt er sich mit Literatur, Theorie, Antisemitismus und Lateinamerika. Er schreibt außerdem regelmäßig für die Jungle World.

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