Hayek oder Hitler

Populismus Setzt sich Höckes Sozialpolitik in der AfD durch, wird das der Linkspartei gefährlich. Ihr national denkender Flügel ist seinen Ideen jedoch näher, als manchen lieb ist
Wer A sagt, muss auch B sagen: Wird aus "AH" bald "BH"?
Wer A sagt, muss auch B sagen: Wird aus "AH" bald "BH"?

imago / Christian Mang

Was einst nationaler Sozialismus hieß, schimpft sich heute „solidarischer Patriotismus“. Das ist jedenfalls das Etikett, das AfD-Rechtsaußen Björn Höcke seinem sozialpopulistischen Kurs verpassen will. Die Partei, die bis heute kein sozial-, wirtschafts- und steuerpolitisches Programm hat, steuert so auf ihre nächste Bruchlinie zu. Auf der einen Seite der völkisch-nationale Flügel Höckes, der eine Art Bürgerversicherung will – aber nur für Deutsche. Und auf der anderen die rechtslibertären Befürworter eines möglichst schwachen Staates, wie Alice Weidel oder Beatrix von Storch. Was den einen die „Staatsbürgerrente“, ist den anderen „Rentensozialismus“. Geht es hier um die Versöhnung des Widerspruchs von Kapital und Arbeit im Schoß der Nation, so geht es dort um ein zuspitzen und entfesseln eben dieses Widerspruchs. Von Hayek vs. Hitler, sozusagen.

Sollte sich Höckes Position durchsetzen – und der Erfolg der Partei im Osten der Republik wird ein starkes Argument sein – könnte das der AfD den Aufstieg zur Volkspartei endgültig ebnen. So war es beim Front National, so war es bei den islamistischen Muslimbrüdern, die, wo die revolutionären arabischen Regime die Bürger in Armut zurückließen, soziale Strukturen aufbauten. Und so war es eben auch bei der NSDAP, deren Name nie so widersprüchlich war, wie es den Anschein haben mag. Gingen zuletzt ohnehin schon viele Stimmen von SPD und Linkspartei zur AfD, so könnte eine gänzlich national-sozial ausgerichtete AfD diese Parteien vollends nussknackern.

Rechte und Linke gegen die Eliten

Der Historiker und Politologe Zeev Sternhell verortet die Geburtsstunde des Faschismus im Frankreich der 1880er. Im Boulangismus und dem Cercle Proudhon fusionierten antimarxistische Sozialisten und radikale Nationalisten zu einer revolutionären Ideologie, die sich antikapitalistisch gibt, jedoch – mit einem Wort, das Walter Benjamin zugeschrieben wird – nur eine „gescheiterte Revolution“ ist. Mit anderen Worten: Wo Rechte und Linke zusammenkommen, um das „arme Volk“ vor den „bösen Eliten“ zu schützen, wird der Faschismus geboren, und die wirklich emanzipatorische Revolution verhindert.

Insofern ist es mit harscher Kritik zu überziehen, wenn zeitgleich in der Linkspartei ein national denkender Flügel die Stimme erhebt und das Marx’sche Diktum von den „vaterlandslosen“ Arbeitern zugunsten einer Sozialpolitik aufgibt, die „nur noch Deutsche“ kennt. Auch dort wird der Kurs, mit dem Lafontaine – der schon in der SPD der asylpolitische Rechtsaußen war – Wagenknecht und Co. nun hausieren gehen, die Partei vor eine Zerreißprobe stellen. Ganz abgesehen davon, dass eine national ausgerichtete Linke den Konkurrenzkampf mit der AfD nur verlieren könnte. Während allerdings der progressive Flügel der Linkspartei mit dem neoliberalen Flügel einer womöglich ebenfalls gespaltenen AfD nicht grün würde, gibt es zwischen nationalen Linken und sozialen Nationalisten durchaus Berührungspunkte, die Grundlage für eine Einheitsfront sein könnten – gegen Ausländer, liberale Eliten und für den gesunden, deutschen Volkskörper. Ob dann die Renten tatsächlich steigen, ist allerdings nicht ausgemacht.

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Geschrieben von

Leander F. Badura

Redakteur Kultur (Freier Mitarbeiter)

Leander F. Badura kam 2017 als Praktikant im Rahmen seines Studiums der Angewandten Politikwissenschaft in Freiburg und Aix-en-Provence zum Freitag, wo er bis 2019 blieb. Nach einem Studium der Lateinamerikastudien in Berlin und in den letzten Zügen des Studiums der Europäischen Literaturen übernahm er 2022 im Kultur-Ressort die Verantwortung für alle Themen rund ums Theater. Des Weiteren beschäftigt er sich mit Literatur, Theorie, Antisemitismus und Lateinamerika. Er schreibt außerdem regelmäßig für die Jungle World.

Leander F. Badura

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