Ich gucke Pornos, seit ich elf oder zwölf Jahre alt war. Lange dachte ich – oder redete mir ein –, die starken Schuldgefühle, die ich dabei empfand, rührten vor allem daher, dass ich die Altersschranke wegklickte, obwohl ich längst nicht volljährig war. Auch die Attraktivität der Sache schob ich zumindest in Teilen darauf. Doch es hörte natürlich nicht auf, als ich 18 geworden war. Legal ist es zwar längst, dass ich mir das angucke – aber ist es auch in Ordnung?
Die erste Hausarbeit im Studium habe ich über feministische Sichtweisen auf Pornografie geschrieben. Dieser Versuch, das Schuldgefühl zu rationalisieren, wurde zwar gut benotet, meine Beschäftigung mit dem Thema nahm damit allerdings kein Ende. Alle paar Monate ändere ich meine politische Meinung zu der Angelegenheit. Entweder: Ist doch okay, wenn alles einvernehmlich ist. Oder: Es gibt keine Freiheit im Patriarchat, alles andere ist Selbstbetrug. Inzwischen tendiere ich langfristig zu letzterer Position.
Allein, meinem Konsum hat das keinen Abbruch getan. Inzwischen habe ich gelernt, was ich will: Frauenkörper, Penisform, Setting, Stellungen, Praktiken. Sogar einige Namen von Darstellerinnen, die mir besonders gefallen, weiß ich inzwischen. Ich fühle mich zwar nicht mehr ekelig und schmutzig danach, aber Zweifel bleiben. Wie sehr prägten Pornos meine Fantasien, mein Frauenbild, kurz: meine Sexualität? Dabei entsteht ein unschöner Verdacht: Ist meine Lust frauenverachtend? Anders als die Verwendung des N-Wortes kann man so etwas ja nicht einfach ablegen. Also was tun?
Im Prinzip gucken alle Männer Pornos, auch viele Frauen. Dass in einem bürgerlichen Umfeld nicht dazu angeregt wird, über den Konsum von Pornografie und somit auch über seine Fantasien zu sprechen, mag ja normal sein. Aber warum kann in einem linken Umfeld kaum jemand darüber sprechen? Man geht dann womöglich zu feministischen Pornofilmfestivals, die alles besser machen wollen. Aber Hand aufs Herz: Wer steht wirklich auf diese Filme? Ich vermute, sehr wenige.
Diese Fragen mögen offensichtlich klingen. Aber sie haben eben keine offensichtlichen Antworten. Es ist schier unmöglich, Studien zum Verhältnis von Pornografie, Lust und Sexualität durchzuführen, da keine Kontrollgruppen zusammengestellt werden können. Wäre es sinnvoll, in einer Art kollektiv-therapeutischem Induktionsvorgang zu versuchen, Antworten zu entwickeln? Bin ich der Einzige hier, der sich solche Fragen stellt?
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