Legal, aber unerträglich

Parteiverbot Die NPD wird nicht verboten, obwohl das Gericht sie für verfassungswidrig hält. Das ist politisch schwer zu ertragen, aber die größte rechte Gefahr liegt längst anderswo
Nache einem Urteil des Verfassungsgerichts ist ein NPD-Verbot ist nicht nötig
Nache einem Urteil des Verfassungsgerichts ist ein NPD-Verbot ist nicht nötig

Foto: Matthias Hangst/AFP/Getty Images

Es ist vorbei. Das Bundesverfassungsgericht hat sein Urteil gefällt: die NPD wird nicht verboten. Es ist weiterhin zu ertragen, dass ihr Kürzel auf Wahlzetteln steht. So weit, so schlecht. Aber: Das Gericht stellt eindeutig fest: ja, die NPD ist verfassungswidrig; ja, sie ist rassistisch, antisemitisch, antidemokratisch und weise eine „Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus“ auf; und ja, der Antrag war diesmal zulässig, die nötige Staatsferne gewährleistet. Doch auch wenn sie „planvoll und mit hinreichender Intensität“ auf die Erreichung ihrer Ziele hinarbeite, so sei sie schlicht nicht in der Lage, der Bundesrepublik Schaden zuzufügen. Sie ist zu klein, zu unbedeutend, zu schwach.

Das war absehbar. Während nach dem Debakel des ersten Verbotsantrags von 2003 der Spott groß war, weil gegen das Verbot sprach, dass Staat und NPD kaum auseinanderzuhalten waren, so war die NPD in letzter Zeit vor allem Ziel von Häme aufgrund ihrer Zerstrittenheit, ihres desolaten finanziellen Zustands und ihrer schwachen Wahlergebnisse.

Doch der Verbotsantrag war, wie schon sein Vorgänger, von vornherein ein Akt der Symbolpolitik. Niemand glaubte ernsthaft, die NPD sei in der Lage, einen faschistischen Putsch herbeizuführen. Aber vor dem Hintergrund der NSU-Morde sahen die Bundesländer eine Chance, den „Nationaldemokraten“ endlich ihren institutionellen Boden unter den Füßen wegzuziehen. Denn, was man trotz aller Mandatsverluste nicht vergessen sollte: die NPD ist auf kommunaler und europäischer Ebene in Parlamenten vertreten. Somit erhält sie Geld aus staatlichen Kassen. Die Bundesrepublik finanziert also eine Organisation, die „wesensverwandt“ mit den Nationalsozialisten ist. Das ist schmerzhaft für alle, die unter faschistischer Gewalt – ob damals oder heute – leiden mussten und ein Schlag ins Gesicht jedes Antifaschisten. Doch auch wenn sich politisch der Wunsch nach einem Verbot ableiten lässt, so ist dieses juristisch nicht zu greifen.

Parteiverbote sind immer Symbolpolitik

Das Parteiverbot ist ohnehin ein heikles Instrument in einer Demokratie. Es war jedoch nie mehr, als Symbolpolitik. Keine der beiden bisher verbotenen Parteien – die offen revisionistische „Sozialistische Reichspartei“ und die KPD – war zum Zeitpunkt des Verbots in der Lage, ihre Ziele durchzusetzen. Zwar hatte erstere einige Erfolge zu verzeichnen, es ging jedoch zuvörderst darum, eine offensichtliche NS-Partei verschwinden zu lassen. Bei der KPD war es vor allem der antikommunistischen Stimmung der Zeit geschuldet, dass dem Verbotsantrag stattgegeben wurde. Im vorliegenden Urteil beruft sich das Gericht sogar explizit auf das KPD-Verbot. Dieses war verhängt worden, obwohl ausdrücklich keine von der Partei ausgehende Gefahr erkannt wurde. Diese Ausnahme ließ das Gericht nun im Falle der NPD nicht gelten.

Dass der Grund, den die Richter gegen das Verbot der NPD anführen, ihre schiere Bedeutungslosigkeit ist, tröstet nur wenig über die derzeitige Lage hinweg. Einerseits sind die Partei, ihr zu grotesk abstoßender Folklore verkommenes Nazitum und von ihr finanzierte Kampagnen wie „Nein zum Heim“ weiterhin zu ertragen. Andererseits geht ihr Bedeutungsverlust mit dem Aufstieg anderer Rechter einher. Hetze gegen Fremde, rassistisch-völkisches Gerede und Schwärmen von autoritären Regierungsformen ist so weit in der Mitte des Diskurses angekommen, dass es die allzu gestrige NPD nicht mehr braucht. Als sei sie die Keimzelle, in der nazistisches Gedankengut die Jahrzehnte überdauert hat, wird sie nun vom frisch geschlüpften autoritären Charakter in Form von AfD, Pegida und Co. abgeworfen. Für Antifaschisten bleibt viel zu tun.

Nur für kurze Zeit!

12 Monate lesen, nur 9 bezahlen

Geschrieben von

Leander F. Badura

Redakteur Kultur (Freier Mitarbeiter)

Leander F. Badura kam 2017 als Praktikant im Rahmen seines Studiums der Angewandten Politikwissenschaft in Freiburg und Aix-en-Provence zum Freitag, wo er bis 2019 blieb. Nach einem Studium der Lateinamerikastudien in Berlin und in den letzten Zügen des Studiums der Europäischen Literaturen übernahm er 2022 im Kultur-Ressort die Verantwortung für alle Themen rund ums Theater. Des Weiteren beschäftigt er sich mit Literatur, Theorie, Antisemitismus und Lateinamerika. Er schreibt außerdem regelmäßig für die Jungle World.

Leander F. Badura

Freitag-Abo mit dem neuen Roman von Jakob Augstein Jetzt Ihr handsigniertes Exemplar sichern

Print

Erhalten Sie die Printausgabe zum rabattierten Preis inkl. dem Roman „Die Farbe des Feuers“.

Zur Print-Aktion

Digital

Lesen Sie den digitalen Freitag zum Vorteilspreis und entdecken Sie „Die Farbe des Feuers“.

Zur Digital-Aktion

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden