Generation Zombie

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Die Schriftstellerin Zadie Smith wird seit ihrem Bestseller „White Teeth“ immer wieder als Sprachrohr einer Generation bezeichnet. Am Wochenende erschien nun eine übersetzte Version ihres Textes „Generation Why?“ in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Smith hat „The Social Network“ geguckt, dazu Jaron Laniers „You are not a Gadget“ gelesen und versucht sich so an einem Porträt der Generation Facebook.

Smith ist 35 Jahre alt und war zwei Monate bei dem blauen Riesen. Das scheint ein bisschen kurz. Auch Laniers Abrechnugen mit dem Internet kennt man bereits. Sie lesen sich in weiten Strecken so, als müsste Lanier eine enttäuschte Liebe verarbeiten. Und trotzdem lässt sich aus Smiths Text ein Porträt unserer Zeit ziehen. Nur eben anders herum: Lanier und Smith, wie andere Netzkritiker, warnen immer davor, dass wir der Technik unsere „Menschlichkeit“ opfern und deshalb zu gefühllosen, herdengesteuerten Zombies werden. Was aber, wenn wir genau das wollen – endlich zum Zombie werden?

Zunächst noch einmal Laniers Punkte, die Smith in ihrer Facebook-Kritik wiedergibt:

1. Die Idee der Freundschaft wird reduziert auf das oberflächliche Vernetzen mit Menschen; wir reduzieren unsere Bedürfnisse, damit sie von einer Software verstanden werden können.

2. Der Mensch verliert sein rätselhaftes Wesen und wird eine reine Datenmenge. Wir reduzieren Charakter, Sprache, Freundschaften, Empathie: „In gewisser Weise ist es eine neue Erfahrung von Transzendenz: Wir verlieren unseren Körper, unsere Gefühle, unsere Bedürfnisse, unsere Angst. … Treten wir für einen Moment von unserer Facebook-Pinnwand zurück – sieht sie nicht ein bisschen lächerlich aus? Das eigene Leben, in diesem Format?“

3. Social Networks führen zur Rudelbildung. Menschen folgen diesem Herdentrieb, um nicht ausgeschlossen zu werden („Für die verunsicherte Generation von Zuckerberg und mit ist der Gedanke, unbeliebt zu sein, unerträglich“).

4. Wenn Facebook wenigstens cool wäre: „Aber nein, es ist ein gezähmter Internet-Wilder-Westen für die spießigen Phantasien einer Spießerseele.“

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Smiths und Laniers Angst ist, dass wir durch Facebook an Individualität verlieren, unseren Zweifel, dass wir nicht mehr nach dem „Warum“ fragen und nur noch der Herde hinterher rennen. Wie Zombies. Warum machen wir das also alles?

Weil der Zombie nicht unsere Sorge, sondern unser Vorbild ist. Natürlich schreiben wir auch emotionale, reflektierte und zweifelnde Texte ins Netz. Vor allem dann, wenn wir uns von einem (störenden) Gefühl, einem zweifelnden Gedanken, distanzieren wollen. Um die eigene „Negativiät“ loszuwerden, diese nach Hegel genuin menschliche Eigenschaft, alles anzuzweifeln und in Frage zu stellen.

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Und wenn das nur einmal geholfen hat, dann machen wir weiter. Ab und zu lehnen wir uns dann zurück und betrachten unser Profil, das ausgelagerte „warum“. Wie er da so steht, der ganze Zweifel, so schön, sogar daraus noch ein Produkt zu basteln. Irgendwann, nach getaner Zweifel-Arbeit, können wir dann endlich unser Hirn ausschalten und die Facebook-Welt verlassen.

Wie Zuckerberg-Hauptdarsteller Jesse Eisenberg im Film „Zombieland“. Auch da spielt er einen College-Nerd. Diesmal ist er draußen im „Real Life“, weit weg von seinem Computer. Nur ist da eben alles voller Zombies. Warum es jetzt trotzdem besser ist als vorher, wird er im Film gefragt: „Endlich keine Facebook Status-Updates mehr.“ Deshalb mögen wir Zombies, gucken ihre Filme und machen den Zombiewalk: Zombies zweifeln nicht.

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