R.I.P. Gegenöffentlichkeit

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In den vergangen Tagen konnte man auf allen Netzkanälen ein leises, saugendes Geräusch hören. Ein Geräusch, das immer lauter wurde. Es ist das gleiche Geräusch, dass Dietmar Dath in seinem jüngsten Buch beschreibt. Da wird das Saugen und Schlurfen immer lauter. Und mit einem bombastischen Knall ist es dann auf einmal soweit: Deutschland hat dicht gemacht. In den letzten Tagen war jetzt das Internet an der Reihe. Was einst als Hort der Gegenöffentlichkeit angefangen hat, ist jetzt nur noch ein riesengroßer Wahlomat: A oder B. Etwas Anderes gibt es nicht mehr. Das Internet ist dicht. Wie ist das passiert?

Thema Netzpolitik: Die etablierten Parteien haben sich dem Querschnitts-Politikfeld angenommen. Es ist mittlerweile das steilste Karrieresprungbrett für Nachwuchspolitiker. Der Innenminister lädt zu Gesprächen ein, die Enquete-Kommission tagt. Netzpolitik ist "Mainstream". Ich meine das nicht abwertend. Es ist einfach so. Dieser Schritt ins Rampenlicht hat jetzt Folgen: Denn wie im Netz über Politik geredet wird, wofür man sich einsetzt – das ist jetzt auch Mainstream.

Es ging dann doch relativ schnell. Schon lange hat man sich gegenseitig angemahnt, doch bitte endlich "konstruktive" Vorschläge zu machen. Und konstruktiv heißt, aus den bestehenden Wahlmöglichkeiten zu wählen. „Warum können wir nur negativ?“, fragte so Nico Lumma in seinem Blog und fordert die Umwertung der Werte: „Dafür ist das neue Dagegen“. Dann sammelte man Vorschläge für einen neuen Bundespräsidenten-Kandidaten. Schließlich hat die Opposition Joachim Gauck vorgeschlagen. „Es ist Sonne über Berlin“, schrieb die FAZ, „Der bessere Präsident“ der Spiegel, „Yes, we Gauck“ die Bild. Und „My Gauck“ sagt jetzt fast das ganze Netz.

Das Netz ist endgültig erwachsen geworden, sagen jetzt die, die das gut finden. Und im Erwachsenenalter gibt es permanent kleine Wahloptionen, vor die man gestellt ist. A und B. Manchmal noch C. Ändern tut sich dabei jedoch kaum etwas. Alles ist dicht. Luft kann nur dann noch reinkommen, wenn man ab und an die Wahl zwischen den zwei Optionen, vor die man permanent gestellt wird, zurückweist. Ganz kindisch.

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