Stefan Aust, Botschafter des Krieges

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Wo Stefan Aust ist, ist Krieg. Am Montag Abend ist er in der Ausstellung „Kunduz, 4. September 2009“ in Potsdam. Um ihn herum hängen die Bilder von Menschen, die das Bombardement der Bundeswehr vergangenes Jahr knapp überlebt haben. Mit seinem Film „Sterben für Afghanistan“ will Aust dazu beitragen, dass das Herumgerede um den Krieg endlich ein Ende hat. An diesem Abend geht es im Kunstraum Potsdam vor allem um diese Begriffsfindung. Austs Dokumentation wird gezeigt, anschließend folgt eine Podiumsdiskussion.

Der ehemalige Verteidigungsminister Franz Josef Jung sagt zu Beginn des Films, den das ZDF Mitte März schon einmal ausgestrahlt hat, dass er den Begriff „Krieg“ im Zusammenhang mit Afghanistan immer noch für unangemessen hält. Also erzählt Aust die Geschichte noch einmal ganz von vorne. Er zeigt den 11. September und Gerhard Schröders Erklärung der „uneingeschränkten Solidarität“ am darauf folgenden Tag. Peter Struck gesteht ihm im Interview seine eigene Naivität ein, „wir dachten, wir seien willkommen“ und fügt dann hinzu: „Wenn wir jetzt rausgehen, dann wären unsere Soldaten umsonst gestorben.“ Ein Raunen geht durch den Raum, „so ein Quatsch“, sagt jemand.

../../../datenbank/freitag/2010/19/blogentry-redirect-11993/images/2010-05-18-aust-b.jpg?isImage=1Der Film zeigt, wie amerikanische Soldaten einen Truck mit einem MG zerschießen. „Hit it“, sagt der eine - „Roger“ der andere, nachdem er alle Insassen getroffen hat. Detlev Konnerth, der die Dokumentation mit Aust gemacht hat und später auch auf dem Podium sitzt, begleitet eine US-Patrouille. Von den Hilfsgütern kommt nichts bei den Dorfbewohnern an, erzählt ihm ein Afghane.

Im Jahr 2003 kam der Krieg dann endgültig bei den Deutschen an. Ein Bus der Bundeswehr wurde auf dem Weg zum Flughafen gesprengt, 4 Tote und 29 Verletzte. Ein Soldat erzählt, wie ein Kamerad ohne Kopf abtransportiert wurde - „dann musste ich mich leider übergeben“. Doch erst nachdem im September 2009 bei einem deutschen Bombenangriff auf zwei LKWs bei Kunduz fast hundert Menschen getötet worden sind, sprach die Politik von „kriegsähnlichen Zuständen“. In der Folge muss die Kennzeichnung des Roten Kreuzes an deutschen Fahrzeugen „getarnt“ werden, weil diese Fahrzeuge ein primäres Anschlagsziel geworden sind.

Der Film endet mit einer Diskussion von Theodor zu Guttenberg und Helmut Schmidt an der Hamburger Bundeswehr-Universität: „Ist jeder Taliban gleich eine Bedrohung für die internationale Gemeinschaft“ fragt zu Guttenberg. Endlich redet man über den „Krieg“, so das Fazit des Films.

Das sei ja schon ein Fortschritt, sagt Christoph Reuter, der für den Stern aus Afghanistan berichtet und Mitinitiator der Ausstellung „Kunduz 4. September 2009“ ist, in der Diskussion: „Jetzt ist zwar Krieg, aber keiner weiß, warum wir ihn führen – das ist bizarr!“ Das „Warum“ spielt kaum eine Rolle mehr: Aust hält den Vorwurf, hier sei eine koloniale Besatzungsmacht am Werk, für „Unsinn“ und sagt in Richtung Jakob Augstein: „Sie glauben an den bösen Willen, ich an die Dummheit.“

Jakob Augstein war eigentlich als Moderator der Diskussion eingeplant, gibt seine Rolle aber schnell auf und plädiert für den sofortigen Abzug: Müsse man jetzt in Afghanistan bleiben, nur weil wir da irgendwie reingeraten sind? Die anderen Diskussionsteilnehmer befürchten in einem solchen Fall die „Nacht der langen Messer“ (Aust). Für Aust ist das Engagement in Afghanistan zudem der Preis dafür, nicht im Irak stationiert zu sein. Alle Diskutanten finden es dagegen bemerkenswert, dass die Frage von Krieg und Frieden keine Rolle im letzten Wahlkampf gespielt hat, denn den Krieg hätte man ja abwählen können: „Die Linkspartei ist anscheinend schlimmer als der Krieg“, sagt Aust und hat ein ein paar Lacher aufs einer Seite.

Die Lage ist eigentlich für niemanden mehr zu durchschauen, sagt Reuter daraufhin: „Keiner weiß, was in dem Land eigentlich los ist, alle sitzen in ihren Basen und keiner geht in die Provinzen.“ Konnerth ergänzt: „Jeden Tag müssen die Amerikaner die Bomben wegräumen, die die Taliban gelegt haben.“ Die Lösung bestehe jetzt nur in Verhandlungen mit den Taliban – und die werden ja längst geführt, so Aust. „Aber so einfach, wie man einen Krieg startet, kommt man nie wieder raus.“

Dann verabschiedet er sich mit den Worten "ich habe noch einen Termin", steigt mit zwei Begleitern in einen VW-Van mit verdunkelten Scheiben und fährt in die Nacht.

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