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Wir haben uns für Samstag Nachmittag an der Wurstbude S-Bahn-Haltestelle Frankfurter Allee verabredet. Meine Beine geben fast nach, als ich aussteigen will. Sie lehnt an der Imbissbude und mustert die aussteigenden Menschen. PSZX73A und ich kennen uns nicht. Wir haben uns E-Mails über Fernsehserien geschrieben. In meiner Selbstbeschreibung steht: „Schaue manchmal zuviel Serien am Stück“. Damit konnte sie etwas anfangen. Wir mögen beide „How I met your Mother“ und die Suche des Hauptdarstellers Ted nach der Liebe. Nach der vierten E-Mail haben wir unsere Fotos freigeschaltet und telefoniert. PSZX73A heißt Kerstin und ist Psychologin. Sie hat viel gelacht am Telefon. Das ist besser als die Stille. Ich habe genug von der Stille. Angeblich hat Parship, die „führende Partnervermittlung“, mehrere Millionen Mitglieder. Die ersten Nachrichten kommen schnell. Will man sie lesen muss man zahlen, 180 Euro für drei Monate. Was für eine Liebe bekommt man dafür?
Es nieselt. Seit Tagen hat Berlin keine Sonne mehr gesehen. Auf den Straßen teilen sich die Paare einen Regenschirm. Ich halte meinen zur Hälfte über Kerstins Kopf. In echt sieht sie lockerer aus als auf ihren Fotos. Sie hat halblange braune Haare, grün-braune Augen, einen etwas flapsigen Gang. Ich bin ihr zehntes Date. „Alles ganz nette Typen“, erzählt sie auf dem Weg zum Café, „mit ein paar habe ich mich auch noch einmal getroffen, aber das war nichts dauerhaftes.“ Sie habe sich angemeldet, als sie gerade heftigen Liebeskummer hatte. „Man bekommt relativ schnell wieder Bestätigung, das ist gar nicht schlecht.“ Außerdem gebe es in ihrem Beruf zu wenig Männer.
Kerstin und ich haben 60 Matching-Punkte. Wir reden kurz über Serien. Darüber, wie Ted in einer Folge zu einer Partnervermittlung geht und feststellt, dass diese ganzen Übereinstimmungen von 98 Prozent gar nichts aussagen, weil die Liebe nicht messbar ist, darüber reden wir nicht. Der Kellner zündet die Kerze an unserem Tisch an, „für die Romantik“, sagt er. Wir müssen lachen. „Man muss schon auf seine Seele aufpassen“, sagt Kerstin während sie ihren Schokoladenkuchen isst, „denn man sortiert gnadenlos aus wenn einem irgendwas an dem anderen nicht sofort passt.“ Wir reden fast zwei Stunden. Aussortiert haben wir uns viel schneller. Als wir gehen nieselt es immer noch. Keiner sagt ein Wort. Sie bringt mich noch ein Stück Richtung Bahn, dann umarmen wir uns und wünschen uns alles Gute.
Zu Hause checke ich meine Parship-Post. PS7KJ4D schickt eine Mail mit dem Betreff „Abschied“: „Ich habe den Eindruck gewonnen, dass wir nicht wirklich zusammenpassen.“ Wir haben uns nie gesehen. Nächste Nachricht. Eine Grundschullehrerin hat mir eine Anfrage geschickt: „Hallo wie geht's dir so? Was machst du so schönes?“ Noch eine Mail ist da. Von einer Referentin, der ich vor einigen Wochen schon einmal kurz geschrieben hatte: „Ich bin frisch verliebt und wünsche allen anderen das gleiche Glück!“
Ich schaue meine Persönlichkeitswerte an. Die werden auf undurchsichtige Weise aus Multiple-Choice-Antworten errechnet. Gefühl, Verstand, Rückzugstendenz, Selbstkontrolle, Instinkt, Anpassungswille, Pragmatismus. Mein Pragmatismus-Wert liegt unter dem Durchschnitt. „Man darf das glaube ich auch nicht zu ernst nehmen - die ganze Energie, die man in die E-Mails steckt, wenn man jedes Mal denkt, das muss jetzt der Prinz oder die Prinzessin sein, dann ist das viel zu anstrengend“, hat Kerstin gesagt. Ich klicke auf „Neue Partnervorschläge“ und scanne die Liste nach Foto, Alter, Matching-Punkten Beruf und Selbstbeschreibung.
Mit Vanessa verabrede ich mich schon nach zwei kurzen Mails. Wir haben 77 Matching-Punkte. Es ist das erste heiße Wochenende des Jahres. Wir sitzen im Park und trinken Radler. Um uns herum wird gegrillt. Sie ist Musikpädagogin und 32 Jahre alt, hat kurze schwarze Haare, trägt enge Jeans und ein hellblaues Shirt. Sie sieht gut aus, wobei „gut aussehend“ für sie ein „absolutes No-Go“ in der Selbstcharakteristik sei, „weiblich elegant“ gefalle ihr besser. Sie habe ihren Frieden mit Parship gemacht, erzählt sie. Jede Zeit habe ihre Art Leute kennen zu lernen. Das sei eben die unsere. Parship biete ihr eine Klarheit, die sie im Leben vermisst. Manchmal hätte sie gerne einen Weg mit einem Ziel, und nicht diese tausend Sachen, das Berliner Leben in Projekten. Mit einem Parship-Treffen wisse man einfach, worauf man sich einlässt.
Ich bin ihr drittes Date. Mit dem letzten konnte sie sich zwar nette Mails schreiben, aber gar nicht unterhalten. „Er saß einfach da und hat mir kein einziges Gesprächsangebot gemacht, immer musste ich etwas fragen“. Stille ist nicht gut. Vor allem wenn man so kurze Zeit hat sich kennenzulernen. Gleich muss sie wieder los, sie hat noch eine Chor-Aufführung heute Abend. Wir umarmen uns und sagen „vielleicht bis bald“. Man könnte sich jetzt weiter treffen. Aber „Ich bin ja nicht hier, um Freunde zu finden“, hat Vanessa gesagt. Ich auch nicht.
Wieder am Computer klicke ich meine letzten Profil-Besucherinnen durch. Eine Referendarin wirbt mit Körbchengröße C. Eine Redakteurin ist laut Selbstcharakteristik „zwar nicht verrückt, aber ich habe so mein Sternzeichentick!“ Sie schreibt 20 Zeilen lang wie sie als „gute Wassermann-frau“ ist, und wie der sein sollte, der zu ihr passt. Es wartet noch ein „Spaß-Match“, zu dem mich eine freischaffende Künstlerin eingeladen hat. Beim Spaß-Match vergleicht man seine Antworten auf vier Fragen. Wenn alle gleich beantwortet sind, schaltet das gegenüber das Foto frei, lädt einen zum Kaffee ein, oder schreibt, in was für einem Kinofilm er/sie das letzte Mal geweint hat. Ich habe drei von vier Fragen richtig beantwortet. Das Bild kann ich heute noch nicht sehen.
In „How I met your Mother“ beschließen Ted und seine Ex-Freundin Robin eine Backup-Liebe: Sie wollen heiraten, wenn sie mit 40 Jahren beide noch solo sind. Ich habe mit meiner Ex-Freundin telefoniert. Wir fanden, das sei auch was für uns. Wäre es doch schon so weit.
Startseitenfoto: Getty Images
Kommentare 55
Danke, liebe Frau Zinkant, für die zahlreichen Tipps und Hinweise zu diesem Text.
Wirklich herzallerliebst :)
Dafür kratzt sie Ihnen die Augen aus ;)
so etwas würde sie nieeeee tun.
danke!
das foto erinnert mich auch an die robin aus der serie, die hat doch so gerne schießübungen gemacht und das erst vor ted verheimlicht. zum thema fällt mir diese furchtbare single- werbung ein, wo ausgeleierte d- schauspieler- innen als akademiker ausgegeben werden.vielleicht sollten sie ihren beuteradius erweitern über die eine branche hinaus.
stimmt – robin hatte ich da gar nicht auf dem schirm. umsonst, aber bestimmt mit denselben folgeschäden, kann man z.b. bei okcupid.com herumballern und die chance auf einen zufallstreffer erhöhen. ein absurdes spiel irgendwie.
Es läuft also bei den Damen auf den Roboter-Mensch-Kontakter C-3PO (Class 3, Protocol Droid) hinaus. Der hätte demnach glänzende Chancen.
R2D2 wäre vielleicht witziger, aber definfitiv zu dick und unsportlich.
Etwas mehr Info muss schon rein. Bei PSZX73A bezieht sich 73A auf die Körbchengröße. Daher wurde es auch nichts, da Sebastian Dörfler 56WW favorisiert.
http://spiltink.dreamhost.com/salgood/illos/penandink/cyberlove.gif
voll durchschaut! das bild ist auch toll.
… und falco natürlich auch.
... noch schaue ich nach etwas Passendem für die letzten drei Sätze ...
... bis dahin ...
http://www.1000getraenke.de/img/biertest/kuchlbauer_alte_liebe_dunkle_weisse.jpg
Wie wäre es mit einem Bild von Rolf Hans, Alte Liebe zu Gelb, 1985
http://www.rolf-hans.de/galerie/monochrome_bilder/MonochromeBilder_Alte-Liebe-zu-Gelb-img.jpg
Yves Klein, Suaire de Mondo Cane (Mondo Cane Shroud) , 1961
http://media.walkerart.org/2687480.jpg
haha, ganz groß! gelb ist so überhaupt keine tragische farbe – danke ;-)
Bald ist ja auch Weihnachten. SInd bloß noch 3-2-1 Monat.
http://www.fun-insite.de/lustige-bilder/Engel-gesucht-245d41487.jpg
Naja. Vielleicht klappt das mit der Anzeige ja diesmal:
http://www.fun-insite.de/lustige-bilder/Engel-gesucht-245d41487.jpg
Na, dann eben so:
www.fun-insite.de/lustige-bilder/Engel-gesucht-245d41487.jpg
Passend zum Bild von Yves Klein. Mondo Cane (ital. Mondo „Welt“, Cane „Hund“; auch ein milder italienischer Fluch) ist ein 1962 veröffentlichter Dokumentarfilm von Gualtiero Jacopetti, Franco Prosperi und Paolo Cavara und gilt als Grundstein des Mondo-Genres.
The beauty of Mondo Cane Shroud is its drama . Commissioned to be featured in Gualtiero Jacopetti’s film Mondo Cane (1962), the work was realized in front of a camera, through a large sheet of glass, with the artist’s mistaken belief that the filmmaker would do for him what Hans Namuth did for Jackson Pollock, what Henri-Georges Clouzot did for Picasso. Klein could not reconcile himself to the rude awareness that Mondo Cane was the first global exploitation film - a “shockumentary” - abusing his work dedicated to spiritual perceptions of the world. Publicly humiliated at the film’s premiere at the Cannes Film Festival in 1962, he never recovered from the shock and died a few weeks later of a heart attack. Mondo Cane put an end to Klein’s blue revolution and Mondo Cane Shroud became the ethereal shroud of the artist himself.
Ich hoffe, ihr schaut nicht "Bukarest Fleisch" auf hr.
Also doch: Es gibt ihn wirklich! Ich meine, den Weihnachtsmann...
Ähm... ich habe nicht verstanden, wurde der Text ironisch verfasst oder ist es alles so im Ernst?
nein, sowas tut sie nie. es sei denn, der kollege von nebenan interpretiert - wie streifzug - herrn dörflers dank fälschlicherweise als hinweis darauf, dass sie mit erfahrungsberichten aus einer eigenen online-dating-karriere ausgeholfen habe. dann wird sie schon etwas kratzig. :)
Dazu fällt mir ein:
http://imgs.xkcd.com/comics/binary_heart.jpg
Geplant ist immer Mist. Stolpern, über Herzen!
Das Erstaunlichste an der Partnersuche: Herzen haben keinen Verstand und können sich dennoch irren
Auweia! Ist aber schon ein bisschen missverständlich ...
also, liebe spekulanten: ich weiß (leider) nichts von einer möglichen online-dating-karriere.
total im ernst.
na, das klingt nach börse und geld, spekulanten, lieber interessenten, und auch ich habe mich gefragt, ob das einer doku gleich kommt oder doch etwas episches und ausgedachtes hat.
ich habe leider eine ganz schlechte fantasie.
na, ich wolte nicht kränken, ich find das thema ja spannend. lg
... schlechte fantasie kann einem den ganzen tag verderben ...
http://www.rybakov.com/images/smoking_dog.gif
Also wirklich leeelah,
das Herz ist ja noch originell, aber die Symbole sind sowas von obszön ;)
Nee?
Wir haben uns auch bei Parship kennengelernt.
Hier tun alle so, als müßte man da weit drüber stehen. Über Herzen stolpern, ja, leelah, was glauben Sie, was dort passiert ?
Herr Dörfler, ich hoffe, sie trefen sich mit den Frauen tatsächlich, um eine davon näher kennenzulernen und nicht nur, um darüber zu schreiben. Letzteres wäre fies.
Für ersteres wünsche ich Ihnen viel Erfolg !
also ich wollte da nicht drüber stehen. ich fand es bemerkenswert, wie das zweckrationale denken so alle lebensbereiche durchzieht und der letzte mythos irgendwie weg ist. dann dachte, ich schreibe das mal auf, sehe das aber alles sehr ambivalent. denn die leute von okcupid sagen zum beispiel ganz klar, dass sie nicht dafür sorgen können, dass sich leute verlieben. aber sie können die gelegenheiten erhöhen, bei denen man ins stolpern kommt. schön, dass es bei ihnen geklappt hat!
ein schöner text noch zum thema:
www.theatlantic.com/magazine/archive/2010/12/take-the-data-out-of-dating/8299/
"Online matchmaking is getting better at telling us whom we ought to like—and that's not good."
ich habe leider eine ganz schlechte fantasie.
Guten Morgen Herr Dörfler, sie kommen mir vor wie einer, der, sagen wir, im Baumarkt oder bei der Auswanderungsberatung Sinnstiftung erwartet. Im Baumarkt finden Sie vielfältige Materialien Ihr Heim zu verändern, aber ob das Sinn macht, kann Ihnen keiner sagen. Oder man könnte Ihnen im Auswandererbüro versichern, daß Ihr Beruf in Neuseeland gesucht ist und das Land Ihren Vorstellungen entspricht - aber ob der Wechsel Ihnen gut tun würde?
Beziehungen gehen m.M.n. nicht wegen fehlender Liebe _am Anfang_ zugrunde, sondern wegen Interessengegensätzen. Gleiche Interessen zu finden, ist schon mal ein gutes Stück Arbeit und sortiert sehr viele mögliche Partner aus. Wer es sich dann noch leisten kann, die Auswahl durch Bestehen auf "Liebe" noch mal wesentlich einzudampfen - bitte!
Man kann sich das Leben künstlich schwer machen, finde ich.
Heftigen, auch emotionalen, Widerspruch erbeten.
Harald Artur Irmer / Karlsruhe
"Heftigen, auch emotionalen, Widerspruch erbeten."
Wozu? Wenn Sie eine Liebesbeziehung dem Auswahl von Baumaterialien fürs Haus gleichsetzen, dann sollten Sie sich auf Emotionen nicht einlassen...
Hallo Krem-Browning,
Sie haben mich gründlich mißverstanden - "Widerspruch erbeten": Ich fühle mich Werner Höfer und seinem internationalen Frühschoppen mit fünf Journalisten und sieben Meinungen verbunden.
Oben, das ist meine Meinung - OK. - Aber eher, daß ich zu weinen anfange, wenn mir einer widerspricht *BUHUUU*, fände ich's wirklich nett, wenn andere ausführliche Gegenpositionen aufbauen würden.
Anstatt der sonstigen nichtsagenden Zweizeiler.
Hallo Krem-Browning,
noch eine These:
"Die Suche eines Mannes nach einer Partnerin ist ähnlich wie die Suche eines Bauern nach einer Kuh: Jung, gesund und fruchtbar soll sie sein. Hier wie dort begrenzt das Geld die Möglichkeiten: Hat man kein Geld, kann man keine Kuh kaufen" (Harald A. Irmer).
BTW habe ich z.Z. verhältnismäßig wenig Geld, bin aber kein Landwirt.
Erhalte ich denn dafür Widerspruch von den Landwirten im Freitag-Blog oder wenigstens Emotionen? ;-)
(Ich bin am Freitag nicht wirtschaftlich beteiligt; ich habe keinen Vorteil von vielen Blog-Beiträgen/-Kommentaren ;-) )
Aha... und wozu informieren Sie mich über Ihre finanzielle Verhältnisse? War das etwa eine Anfrage, ob ich billige Kaufangebote annehme?
Ja, logisch, ich bin eine billige Nutte. Das Problem ist nur, dass ich Ihren Ansprüchen nicht gerecht sein kann. Ich bin weder jung noch gesund... fruchtbar schon, aber ich habe es nicht vor, weitere Kinder zu bekommen.
War das widersprüchlich genug?
Emotionale Grüße
Unvermarktbare Kuh
Ich finde gelb gut, und das Blau von dem andern Klein. Sollte man alles rot malen, letztlich.
Hallo Herr Irmer,
naja, ich bin wirklich noch nicht bereit, die ganze geschichte mit der liebe auf das baukastenprinzip zu reduzieren. vielleicht ist das zu romantisch, aber für mich ist da immer noch mehr im spiel als gemeinsame interessen. ich kann das jetzt natürlich nicht definieren. aber bei mir ist noch keine beziehung an unterschiedlichen interessen kaputt gegangen, oder aus gemeinsamen entstanden. da ist noch irgendwas irrationales im spiel und das will ich eigentlich auch nicht aufgeben. versucht hab ich es (s.o.), aber dabei ging es mir nicht unbedingt besser.
beste grüße,
sd
Gut so! Die Rationalität der Ehe als gegenseitige Versorgungsgemeinschaft und die Emotionalität oder Empathie der Liebe können sich ergänzen, aber nicht wechselseitig ersetzen.
Ob man jemanden mag oder eben nicht, entscheidet sich in Millisekunden. Das ist der stets verdrängte Teil an Evolution in uns, den man nicht wirklich erklären kann. Alles was danach kommt ist Glück - oder/im/und/statt - Unglück. So ist das Leben.
Der Liebe leichte Schwingen trugen mich; kein steinern Bollwerk kann der Liebe wehren; und Liebe wagt, was irgend Liebe kann.
(William Shakespeare, aus »Romeo und Julia«)
Ja, diese virtuelle Liebelei ist schon eine seltsam verquere Sache. Ich habe meine diesbezüglichen Erfahrungen literarisch verwertet. Was sollte man sonst tun? ;-)
@GeroSteiner schrieb am 17.11.2010 um 23:05
"Die Rationalität der Ehe als gegenseitige Versorgungsgemeinschaft und die Emotionalität oder Empathie der Liebe können sich ergänzen, aber nicht wechselseitig ersetzen."
********************
Gero, eine Frage.
Mal angenommen, ich wäre verheiratet mit jemanden, der mich bestens versorgt bzw. wir versorgen uns gegenseitig (z.B. er verdient Geld und ich führe Haushalt für uns beide). Dann erlebt mein Mann ein Autounfall und sitzt danach im Rollstuhl. Versorgen kann er mich nicht mehr und die Voraussetzungen der Ehe als gegenseitige Versorgungsgemeinschaft sind seinerseits nicht mehr erfüllt. Durch Empathie der Liebe können/dürfen sie nicht ersetzt werden. Soll ich mich scheiden lassen und nach was Besserem umsehen?
Ein anderes Beispiel. Mal angenommen, ich wäre verheiratet, wir arbeiten beide in Vollzeit und erledigen beide unser Anteil im Haushalt. Kinder gibt es keine... oder sie sind groß und aus dem Haus. Jeder ist eigentlich in der Lage, sich selbst finanziell zu versorgen und sein Haushalt selbst zu führen. Also gegenseitige Versorgungsgemeinschaft ist es nicht. Man braucht den Anderen nicht, um versorgt zu werden. Besteht die Ehe noch bzw. muss sie bestehen?
Liebe Nelly,
ach nein, mit drüber stehen hat das wenig zu tun. Schön, wenn es funktioniert, scheint ja einige zu geben, mein Glückwunsch. Aber ich bleibe dabei: zu planen sich zu verlieben ist Mist. Diese Suche, mit offenen Augen, darauf konzentriert, ja den richtigen zu finden, dabei stolpert man doch nur, wennman so verwirrt ist wie ich und lieber in den Himmel schaut, statt das Herz vor den Augen zu bemerken. Stolpern hat etwas zufälliges, ungewolltes.
Keinen der Menschen, die mir heute nahestehen, hätte ich gefunden, wenn ich das Kennenlernen geplant hätte. Ganz sicher nicht.
Übrigens unabhängig davon ob das im Netz oder in der "realen Welt" stattgefunden hat bzw. hätte.
Ach, die ganze digitale Welt ist doch obszön. Warum nicht auch Einsen und Nullen.
Hallo Herr Dörfler,
mir waren diese erzwungenen Dates mit der klaren Absicht, einfach zu platt. Wie Sie selbst schreiben "ich war ihr drittes Date" o.ä. das ist Massenabfertigung. Stinkend langweilig. Ich hatte nach 10 Versuchen keinen Elan mehr. "Und was machst du so? Aha ja... Na und du? ... Oh ja das ist aber interessant" bla bla bla
Das Entscheidende ist das Unverfangene. Der Flirt im Restaurant mit der Kellnerin, Verkäuferin, Frisörin. Das macht wesentlich mehr Spaß.
In einer Simpsonsfolge versucht Marge mittels Speeddating einen neuen Mann kennen zu lernen. Die Veranstalterin wird von einem Teilnehmer gefragt ob sie denn ihren Mann über Speeddating kennengelernt hat. Antwort: "Nein. Im Freundeskreis, wie jeder normale Mensch."
Das ist schon ziemlich bezeichnend.
Gehen Sie mal in die Kptn's Bar in der Revaler Straße. Wenn Sie ein kommunkativer Mensch sind, dann haben Sie fix zwei drei, Mädels im Gespräch, der Rest ergibt sich von selbst. Leider sind die meisten dort Touris aus Spanien, Frankreich, England. Ist also eher was für eine Nacht.
Die wahre Liebe gibts doch eh erst nach etlichen Malen Sex, also wenn das Körperliche stimmt.
Ich habe keine Beziehung, aber dieses Daten von Online Bekanntschaften... nein danke ;-)
beste Grüße von der Singlefront vom Technixer
@Technixer schrieb am 19.11.2010 um 14:24
"Die wahre Liebe gibts doch eh erst nach etlichen Malen Sex, also wenn das Körperliche stimmt."
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Es ist natürlich wunderbar, wenn die Menschen sich verstehen, sei es auf der geistigen Ebene oder im Bett. Dagegen gibt es nichts anzuwenden. Der Spass beim Sex sei jedem gegönnt.
Was hat das allerdings mit der wahren Liebe zu tun? Stellen Sie sich vor, Ihre Frau/Freundin wird schwanger, die Schwangerschaft verläuft kompliziert, die Frau fühlt sich überfördert und übermüdet, reagiert reizbar auf jede Kleinigkeit und wird allergisch gegen Sex... dann ist ja die Sache mit "dem Körperlichen" für ein gutes Jährchen vorbei... die "wahre Liebe" auch?
Sie wollen keine Kinder? Okay, was ist wenn die Frau einfach krank wird, Stress am Arbeitsplatz hat oder was auch immer? Dann ist Schluss mit der wahrer Liebe?
Was ist, wenn Ihnen morgen eine neue Frau über den Weg läuft, die noch besser im Bett ist? Kommt dann eine neue Liebe, die noch wahrer als die vorige ist?
And last but not least: Es ist sehr einfach, jemanden zu lieben, der mir gut tut. Zum Beispiel jemanden, der mich im Bett befriedigt. Je besser er es mir tut, desto mehr liebe ich ihn? Das sieht nach einem Deal aus...
Kant: „Denn vernünftige Wesen stehen alle unter dem Gesetz, dass jedes derselben sich selbst und alle andere niemals bloß als Mittel, sondern jederzeit zugleich als Zweck an sich selbst behandeln solle".
Mit anderen Worten: Der andere Mensch ist nicht dafür da, um meine Wünsche zu befriedigen. Natürlich ist jede Beziehung darauf angewiesen, dass man sich gegenseitig etwas Gutes tut. Ansonsten würde sie gar nicht entstehen. Aber wahre Liebe hat etwas mit dem Wesen des Menschen zu tun und nicht damit, wie gut er beim Sex oder beim Kochen ist.
Wahre Liebe ist eigentlich bedingungslos. Okay, der Mensch befindet sich momentan in so einer Entwicklungsphase, dass völlig bedingungslose Liebe unmöglich ist. An irgendwelche Bedingungen wird man schon immer gebunden. Bei den Bedingungen muss es nicht immer um solche banale Sachen wie Geld, Sex oder Kochkünste gehen. Ich liebe einen Menschen, weil er charmant, intelligent und witzig ist? Okay. Das ist aber auch eine Bedingung. Was ist, wenn er morgen auf Dauer krank wird oder einen Unfall mit schlimmen Folgen (z.B. Rollstuhl) hat und dadurch depressiv und nörgelig wird? Ist die Liebe dann vorbei? Ich liebe jemanden, weil er edelmütig, ehrlich, tapfer und würdig ist? Okay. Das ist aber auch eine Bedingung. Was ist, wenn es er morgen in irgendeine Situation gelandet, wo er Angst bekommt, wo er in Panik gerät und etwas tut, wofür er sich dann schämt? Etwas nicht Ehrliches, nicht Edelmütiges, nicht Tapferes? Ein ganz schlimmer Fehler? Ist die Liebe dann vorbei? Und wenn ja: War es eigentlich Liebe?
Im Übrigem würde ich die Reihenfolge umkehren. Nicht: Es funktioniert mit jemanden gut im Bett und deswegen liebe ich ihn. Sondern: Man liebt sich und deswegen findet man u.a. auch im Bett zueinander.