„Nachlässig“ sei sie mit ihrem Nummernkonto gewesen: Seit den 1980er Jahren hat Alice Schwarzer Geld vor dem Fiskus in der Schweiz versteckt. Bis sie das entsprechende Konto im letzten Jahr auflösen ließ, sich selbst anzeigte und die Zinsen beim Finanzamt nachversteuerte. 200.000 Euro zahlte die Feministin an den Staat. Ihre rechtliche Schuld hat sie damit beglichen. Dank Paragraph 371 der Abgabenordnung darf Schwarzer mit Straffreiheit rechnen. Die gewährt der Staat allen, die sich selbst anzeigen, bevor der Fiskus ihnen auf die Schliche kommt.
Zweierlei Maß
Dass die Medien sie nun dennoch verurteilen, findet Schwarzer ungerecht. „Rufmord“ nennt sie das in ihrem Blog. Mit seiner Berichterstattung habe sich der Spiegel in die Illegalität begeben, Schwarzer sieht ihr Recht auf Privatsphäre und Steuergeheimnis verletzt. Tatsächlich hat sich nicht der Spiegel strafbar gemacht, sondern sein Informant, indem er Schwarzers Steuerbetrug verriet. Die Kritik anderer Medien wertet Schwarzer als Angriff auf ihre Kampagnen, etwa den Appell gegen Prostitution – eine Verschwörung, die Schwarzer als moralische Instanz diskreditieren solle.
Damit stilisiert sich die Journalistin einmal mehr zum Opfer. Eine Rolle, die ihr wenigstens dieses Mal so gar nicht steht: Gerade Schwarzer, sonst gern der feministische Zeigefinger der Nation, erwartet nun Stillschweigen. Denn anders als ihr eigener Steuerhinterzug sei Rufmord nicht wiedergutzumachen. Worin genau der Rufmord besteht, sagt Schwarzer allerdings nicht. Verständlich, denn davon kann letztlich keine Rede sein. Schließlich berichteten diverse Medien bislang über Fakten, nicht über Gerüchte.
Und trotzdem zeigt ihr Finger auf andere: Mit dem Geld habe sie sich absichern wollen. Zuweilen habe die Hetze auf ihre Person solche Ausmaße angenommen, dass Schwarzer eine Ausreise aus Deutschland nicht mehr ausschloss. Das Geld habe sie deshalb zu ihrer „Beruhigung“ in der Schweiz geparkt. Das mag seine Berechtigung haben – erklärt aber nicht, warum sie deshalb Steuern hinterziehen musste.
Besser als vorwurfsvolle Rechtfertigung wäre deshalb echte Reue gewesen. In ihrem Blog bezeichnet Schwarzer den Steuerhinterzug zwar als „Fehler“. Auch ihr Unrechtsbewusstsein habe sich in dieser Sache erst in den letzten Jahren geschärft. Umso mehr sollte sie jetzt Verständnis dafür haben, dass der Vorfall öffentlich thematisiert wird.
Instanz mit Schlagseite
Stattdessen beruft sich Schwarzer darauf, das angelegte Geld in Deutschland sehr wohl versteuert zu haben – nur die Zinsen bis dato nicht. Was Schwarzer nicht sagt: Ein Teil der Zinsen bleibt auch weiter unversteuert. Denn die 200.000 Euro zahlte sie für die letzten zehn Jahre. Alle davor entstandenen Ansprüche des Fiskus sind bereits verjährt.
Für die taz ist Schwarzers Beitrag deshalb bisweilen „schmerzhaft peinlich“, auch der Tagesspiegel bemängelt ihr Vorgehen. Überhaupt fällt Schwarzers Verteidigung mehr als dünn aus. Allein die Welt schreibt, die Kritik an Schwarzer sei „wohlfeil“. Selbst wenn, wie Schwarzer vermutet, das ein oder andere Medium Schwarzers Fehltritt aus politischen Gründen gegen sie verwenden sollte: Diskreditiert hat sie sich selbst.
Als Journalistin sieht Schwarzer es als ihre Aufgabe, Fehltritte und Missstände aufzudecken. In ihrem Blog tut sie das regelmäßig – auch dann, wenn diese nicht zwangsläufig einen Verstoß gegen geltende Gesetze einschließen. Zu Schwarzers Beruhigung: Ihrer Aufgabe kommen die Medien auch dieses Mal nach. Nur an den Rollenwechsel muss sie sich wohl noch gewöhnen.
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