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Hambacher Forst Die Räumung des besetzten Waldes ist im Gange – unter fadenscheinigen Begründungen. Doch die Klima-Aktivist*innen werden weiter kämpfen
Diese Polizisten sorgen für die Sicherheit der Besetzer – das sieht man auf den ersten Blick
Diese Polizisten sorgen für die Sicherheit der Besetzer – das sieht man auf den ersten Blick

Foto: Michael Gottschalk/Getty Images

Seit den frühen Morgenstunden findet ein Großeinsatz der Polizei im besetzten Hambacher Forst statt. Die ersten Baumhäuser der Besetzung im umkämpften Wald bei Köln werden geräumt. Das Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung in Nordrhein-Westfalen hatte die Maßnahme gestern Abend offiziell bekannt gegeben. Die Begründung: Brandschutz. Die Sicherheit der Aktivist*innen, die in den Baumhäusern leben, sei nicht gewährleistet.

Nach knapp sechs Jahren Besetzung ist diese Aussage der zuständigen Ministerin Ina Scharrenbach (CDU) eine Farce. Die Baumhäuser im Wald wurden erst vor wenigen Tagen, am 4. September, per Erlass zu baulichen Anlagen erklärt, da in ihnen „Küchen und Heizungen“ installiert und so „aus etwaigen Bretterbuden buchstäblich Häuser in Bäumen geworden“ seien, heißt es in der Begründung. Dies würde gegen Brandschutzverordnungen verstoßen. Absurderweise wurden Feuerlöscher der Besetzer*innen noch vor wenigen Tagen von der Polizei beschlagnahmt.

Auch die Ausrüstung der Baumhäuser ist seit Jahren bekannt. Bisher wurden die seit 2013 existierenden Baumhäuser vom Ministerium aber nicht als bauliche Anlagen eingestuft. Ist der plötzliche Sinneswandel also nur Resultat einer neuen Ortsbegehung? Der Hambacher Forst erfährt seit einigen Wochen wieder vermehrt mediale Aufmerksamkeit, er ist längst zu einem Symbol geworden für die Frage: Konsequenter Klimaschutz oder Weiternutzung der Braunkohle?

Eine Wiederbesetzung ist wahrscheinlich

Geht es nach dem Energiekonzern RWE, soll Mitte Oktober eine weitere Rodungssaison beginnen, nachdem diese im letzten Jahr aufgrund von Protesten und einer Klage des BUND ausgesetzt worden war. Dann will RWE mehr als die Hälfte des Waldes für die Erweiterung des Braunkohletagebaus roden. Die Besetzer*innen und Anwohner*innen versuchen die Vernichtung des Waldes seit 2012 zu verhindern. Mehrmals wurden die Besetzungen oder Teile davon in den vergangenen Jahren geräumt. Innerhalb weniger Tage oder Stunden wurde der Wald jedoch neu besetzt und weitere Baumhausdörfer errichtet. Inzwischen gibt es etwa 40 Baumhäuser im Wald, eine Wiesenbesetzung am Waldesrand und aktuell mehrere besetzte Blockaden, um eine mögliche Räumung schwieriger zu gestalten. Eine Wiederbesetzung des Hambacher Forstes bis Mitte Oktober ist nach der heute begonnenen Räumung wahrscheinlich. Täglich strömen hunderte Unterstützer*innen in die Region im Kreis Düren in NRW, Umweltgruppen haben Massenproteste angekündigt, das mediale Interesse an der Thematik ist riesig und auch Politiker*innen kritisieren vermehrt die geplante Rodung des Waldes.

Es stellt sich die Frage, wie gründlich die Überlegungen im Vorfeld der Räumung waren. Denn für die Umweltschützer*innen ist es letztlich eine weitere Machtdemonstration. Schon in den vergangenen Wochen wurde am Boden bestehende Infrastruktur der Aktivist*innen bei Großeinsätzen der Polizei entfernt. Grund sei Müllentfernung „zur Aufrechterhaltung der Verkehrssicherung“, teilte die Polizei NRW über Twitter mit. Da im Laufe dieser Einsätze auch ein kleiner Baum gefällt wurde, riefen Umweltgruppen am 7. September den „Tag X“ aus, um klar zu machen, dass sie ihren Protest gegen die Braunkohle noch stärker in den Wald tragen würden. Das Bündnis „Ende Gelände“, das seit 2015 regelmäßig Braunkohletagebaue besetzt, ruft außerdem für Ende Oktober zu einer Massenaktion des zivilen Ungehorsams im Hambacher Wald auf. Es ist also abzusehen, dass es in den nächsten Wochen nicht ruhiger werden wird. Was also bringt eine heutige Räumung außer unnötige Provokation?

Wenn die Ministerin für „Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung“ Ina Scharrenbach die Räumung der Baumhäuser mit der Sorge um das Wohl der Waldbewohner*innen begründet, wird sie dafür zurecht kritisiert. Es kommt blankem Hohn gegenüber einer sechs Jahre andauernden Besetzung gleich, wenn kurz vor einer drohenden Rodung plötzlich die Sicherheit der Waldbewohner*innen entscheidend ist. Vor allem, wenn dafür hunderte Polizist*innen mit Räumungsfahrzeugen und Wasserwerfern in den Wald geschickt werden und „im Rahmen des Polizeieinsatzes einzelne Bäume gefällt werden müssen.“ Eine fadenscheinige Argumentation des Ministeriums, die das Interesse des Energiekonzerns RWE nicht thematisiert und sich hinter dem Bauordnungsrecht versteckt. Eine Brandschutzgefahr, die erst im Herbst nach dem trockensten Sommer seit vielen Jahren ausgerufen wird, ist reine Augenwischerei.

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