Doulas begleiten als nichtmedizinische Geburtshelferinnen werdende Mütter. Im Interview erzählt die Doula Inana Hölscher, dass Frauen in der Krise um Tipps für Alleingeburten bitten, und erklärt, warum sie auch ohne Hebammenmangel einen Platz im Geburtsteam haben sollte.
der Freitag: Frau Hölscher, welche Auswirkungen hat die aktuelle Situation aufgrund des Corona-Virus auf Ihre Arbeit?
Inana Hölscher: Sie hat vor allem die Auswirkung, dass ich arbeitslos bin. Doulas dürfen im Moment häufig nicht begleiten. Die Kliniken haben zurzeit keine einheitlichen Regelungen, wer zur Geburt mitkommen darf. In manchen darf nur eine Begleitperson dabei sein, also entweder Doula oder Partner, in anderen sind gar keine Begleitpersonen zugelassen. Und dass, obwohl wegen Krankheitsfällen auch weniger Hebammen da sind. Wir haben mit unserem Verein Doulas in Deutschland e. V. einSchreiben an die Kreißsäle geschickt, in dem wir darum bitten, Doulas doch begleiten zu lassen.
Was halten Sie von der Regelung, keine Begleitpersonen zu erlauben?
Ich finde es schockierend, Mütter bei der Geburt alleinzulassen. Wir arbeiten seit vielen Jahren an einer neuen Geburtskultur, bei der der Frau ein anderer Stellenwert zukommt, bei der sie mehr Zeit und Selbstbestimmung bekommt. Aber jetzt stehen viele Frauen allein da. Ich habe von einigen gehört, die nun lieber einen geplanten Kaiserschnitt wollen, als ohne Begleitperson zu gebären. Die Regelung löst bei vielen Frauen eine große Angst und das Gefühl des Ausgeliefertseins aus. Sie haben ja keine Wahl: Früher oder später werden die Wehen einsetzen und sie müssen gebären. Es geht sogar so weit, dass manche Frauen eine Alleingeburt erwägen. Mich hat eine Nachricht erreicht, in der ich um einen Tipp für ein Waldgebiet gebeten werde, das sich für eine Alleingeburt eignet.
Ist das in Deutschland erlaubt?
Die Alleingeburt steht in Deutschland nicht unter Strafe, die Frau muss dann aber wirklich allein sein. Wir Doulas dürfen eine solche Frau nicht begleiten. Ich würde nicht sagen, dass eine Alleingeburt völlig ausgeschlossen ist, sie bedarf aber einer unglaublichen Vorbereitung und sollte auf keinen Fall aus einer Notsituation heraus gemacht werden.
Sie stehen von Berufs wegen ja genau für das Gegenteil, nämlich eine umsorgende Geburtsbegleitung. „Doula“ kommt aus dem Altgriechischen und bedeutet „Dienerin der Frau“.
Ich bin die emotionale Stütze der Frau und kenne ihre Ängste und Wünsche. Ich bin die Vertraute des Paares und außerdem eine Ergänzung für das Klinikpersonal oder die Hausgeburtshebamme, indem ich schaue, wo Hilfe nötig ist. Das können Kleinigkeiten sein, etwa dass ich der Frau etwas zu trinken gebe, für frische Luft sorge oder sie massiere.
Zur Person
Inana Hölscher, 34, ist Sozialpädagogin und arbeitet seit Januar 2018 im Raum Ostwestfalen-Lippe als Doula. Im Verein Doulas in Deutschland e.V. setzt sie sich für die Sichtbarkeit der Geburtsbegleitung ein
Welche Erfahrungen haben Sie bei der Begegnung mit Hebammen und Ärzten gemacht?
Seit 2018 arbeite ich als Doula und habe immer positive bis neutrale Erfahrungen mit Hebammen und Ärzten gemacht. Ein häufiger Vorwurf an Doulas ist ja, sie würden Hebammen die Arbeit wegnehmen. Das ist nicht der Fall. Natürlich sind Hebammen unter der Geburt präsenter, wenn medizinisch etwas passiert, denn wir haben keine medizinische Ausbildung. Aber keine Hebamme im Krankenhaus kann 26 Stunden an der Seite einer Frau sein. Am Anfang wurde ich in den Kliniken oft mit Skepsis empfangen und sehr genau beobachtet. Es gab dann viele Gespräche und Nachfragen. Mittlerweile bin ich in einigen Kreißsälen schon bekannt, und viele Hebammen sind beruhigt, wenn sie wissen, dass ich dabei bin.
Wie haben Sie den Unterschied zwischen Haus- und Klinikgeburten erlebt?
Bisher habe ich erst eine Hausgeburt begleitet. Die Atmosphäre ist eine ganz andere. Es gibt viel mehr Zeit und Entspannung für die Frau. Vieles von dem, was in Kliniken Routine ist – ohne das abwerten zu wollen –, muss zu Hause nicht gemacht werden.
Was sind die schwierigen Seiten dieses Berufs?
Man wird mit vielen Themen konfrontiert, zum Beispiel Totgeburten. Ich bin dankbar, dass ich das persönlich noch nicht miterleben musste. Aber wir werden in der Ausbildung darauf vorbereitet. Ein weiterer schwieriger Punkt kann sein, dass man selber etwas anders machen würde als die werdende Mutter. Wir wollen die Frauen ja auf ihrem eigenen Weg begleiten. Aber natürlich habe auch ich eine Vorstellung davon, wie eine Geburt optimalerweise ablaufen sollte. Ich muss aber immer die Entscheidung der Frau respektieren, die das Kind bekommt, egal, wie ich diese Situation angehen würde. Genauso muss ich die Entscheidungen der Ärzte und Hebammen in den Kliniken respektieren. Es ist niemals meine Aufgabe, mich da einzumischen.
Haben Sie sich im Kreißsaal schon mal überflüssig gefühlt?
Eine Frau hat nachts einmal seelenruhig im Kreißsaal geschlafen, der Partner ist auf seinem Stuhl weggenickt, und so konnte ich mich ausruhen. Aber auch wenn ich manchmal von außen betrachtet nicht aktiv in Erscheinung trete, bekomme ich von den Eltern oft die Rückmeldung, dass es sie beruhigt hat, zu wissen, dass ich da war.
Viele Frauen suchen sich eine Doula, weil sie eine Eins-zu-eins-Betreuung wollen. Das geht aber nur auf eigene Kosten, oder?
Das stimmt leider. Eine Begleitung kostet 750 bis 1.500 Euro, das kommt auf die Stadt an. Außerdem berechnet die Doula ihre Fahrtkosten. Es gibt auch die Möglichkeit, einen Antrag auf ehrenamtliche Begleitung zu stellen. Da wird dann geprüft, ob die Frau nicht selbst für die Kosten aufkommen kann. In dem Fall würde der Doula-Verein die Kosten übernehmen.
Ist Doula ein Vollzeitjob, von dem man leben kann?
Nein, die meisten von uns haben ein zweites Standbein mit Kursangeboten oder eine andere feste Anstellung. Ich begleite ungefähr acht Geburten im Jahr. Da wäre sicherlich noch ein bisschen Luft nach oben, aber ich will auch garantieren, dass ich während der Rufbereitschaft um den Geburtstermin wirklich für die Frau da sein kann. Letztlich geht das alles eigentlich nur, wenn du einen Partner hast, der verdient. Doulas machen viel unbezahlte Arbeit, nicht nur die Treffen, sondern sie betreuen die Frauen auch in der Zeit dazwischen telefonisch oder per Chat. Das muss man schon lieben, um Geld geht es den Doulas sicherlich nicht.
Also wird mit Doulas letztlich die Versorgungslücke in der Geburtshilfe auf Kosten der Gebärenden und der Doulas gefüllt?
Nein, das würde ich nicht sagen. Selbst wenn es genügend Hebammen gäbe, um eine Eins-zu-eins-Betreuung zu gewährleisten, wären die Doulas dann wirklich überflüssig? Natürlich übernehmen Hebammen einen Teil der emotionalen Betreuung, siebleiben aber die Fachfrauen für die medizinischen Vorgänge. Doulas wären meiner Meinung nach auch dann nicht überflüssig, sondern eine Ergänzung des Geburtsteams. Die Arbeit, die heute Doulas übernehmen, haben früher die weiblichen Verwandten der Frau gemacht. Sie haben die Frau unterstützt, bis die Hebamme ins Haus kam, die unter Umständen lange Wege zurücklegen musste. Wir leben heute in ganz anderen Familienverbünden, aber die Begleitung durch Doulas ist etwas sehr Ursprüngliches.
Was ist Ihre Meinung?
Kommentare einblendenDiskutieren Sie mit.