Unter dem Pflaster das Treibhausgas

Kohlendioxid Um den Klimakiller loszuwerden, suchen Forscher der TU-Berlin nach Wegen, das Gas im Gestein oder im Meer zu speichern - und es später sogar als Kohlenstoffquelle zu nutzen

Das Treibhausgas einfangen und einfach wegsperren - die Idee klingt gut. Kohlendioxid, das bei der Energieerzeugung aus fossilen Brennstoffen und in Verbrennungsmotoren tonnenweise anfällt, gefährdet das Weltklima. Als Folge des Kyoto-Protokolls tritt 2005 der in der EU vereinbarte Handel mit CO2-Emissionsrechten in Kraft. Im Sinne des Klimaschutzes soll die Emission von Kohlendioxid um 25 Prozent gegenüber 1990 reduziert werden. Rund 10.000 europäische Anlagen sind zur Teilnahme am Zertifikat-Handel verpflichtet, darunter allein 2.500 in Deutschland. Nun wollen Wissenschaftler und Unternehmen das Problem lösen, indem sie das CO2 bereits bei der Entstehung abfangen und es dann in unterirdische Speicher in Böden oder ins Meer pumpen.

In Deutschland kommen für diese unterirdischen Lagerungen zum Beispiel die ehemaligen Steinkohlezechen oder ausgeförderte Erdgasstätten in Betracht. Das Kohlendioxid hat ähnliche Eigenschaften wie Erdgas, daher wird angenommen, dass es sich genauso lange lagern lässt. In Deutschland kommen 66 Gasfelder für eine CO2-Einlagerung in Frage. Geologen schätzen die Kapazität der Zechen auf eine Menge von 779 Megatonnen Kohlendioxid. Aber auch eine geologische Speicherung in porösem Gestein, idealerweise Kalk- oder Sandstein wie beispielsweise der mehr als 240 Millionen Jahre alte Buntsandstein, der unter Berlin vorherrscht, kommen für ein CO2-Lager in Betracht.

Professor Wilhelm Dominik vom Institut für Angewandte Geowissenschaften der TU Berlin erforscht geeignete Speichertechniken und orientiert sich dabei unter anderem an der traditionellen Erdgasspeicherung. Anders als das Erdgas ist das Treibhausgas weder brennbar noch explosiv, daher würde es sich gefahrlos über Pipelines oder mit Tankwagen transportieren lassen. Das Team um Dominik analysiert die Gesteinseigenschaften in Wechselwirkung mit dem CO2 im Labor. Die Geometrie geeigneter Gesteinsstrukturen wird mit Hilfe von seismischen Daten rekonstruiert. Mathematiker der TU können daraus dann virtuelle 3D-Darstellungen erstellen, um den Gesteinsbestand im Detail sichtbar zu machen und die ablaufenden Prozesse zu simulieren. Nach Ansicht von Dominik sollen neue Kraftwerke künftig nur dort entstehen, wo der Untergrund sich auch für eine CO2-Speicherung eignet. "Das spart Transportkosten und somit wieder Energie", so Dominik.

Eine langfristige Kohlendioxidspeicherung ist für Dominik mehr als eine Notlösung. Es ist eine Art Vorratskeller, denn wenn die fossilen Brennstoffe der Erde einmal zur Neige gegangen sind, könnten folgende Generationen das Gas wieder aus den Tiefen fischen und es als Kohlenstoffquelle nutzen. Es wird aber noch einige Zeit dauern, bevor es zu einer Kohlendioxidlagerung unter Tage kommt. Zuvor werden die Wissenschaftler unter anderem die Wechselwirkungen der Gesteine mit CO2 an den dafür vorgesehenen Standorten untersuchen und mögliche Auswirkungen auf die Lebewelt an der Erdoberfläche.

Einige Länder, die über wenig geologischen Speicherplatz verfügen, würden ihre CO2-Abgase lieber direkt ins Meer einleiten. Die Weltmeere sind mit Abstand die größten natürlichen Kohlendioxid-Reservoire, und ihr Aufnahmevolumen ist noch längst nicht erschöpft. Schon jetzt lösen sich jährlich ca. 8,4 Gigatonnen Kohlendioxid in den Ozeanen.

Überschüssiges Gas könnte direkt bis zum Meeresgrund geleitet werden, wo es unter dem hohen Druck zusammengeballt liegen bliebe. Eine weitere Möglichkeit wäre, das Kohlendioxid nur bis in die mittleren Wasserschichten zu pumpen, wo es sich vollständig lösen würde. Dies hätte zur Folge, dass der pH-Wert des Wassers sinkt und der Ozean allmählich sauer wird - mit nicht abschätzbaren Auswirkungen auf die Flora und Fauna des Meeres.

Wissenschaftler des Bremerhavener Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung warnen vor solchen Versenkungsaktionen, bevor nicht mehr Erkenntnisse über das Strömungsverhalten der Tiefsee und die Mechanismen der marinen Kreisläufe verfügbar sind. Versuche zeigen bereits heute, dass eine Übersäuerung des Meerwassers für viele marine Organismen tödlich sein kann. Auch in den oberen Schichten der Meere lagert sich Kohlendioxid an. "Etwa die Hälfte des in den vergangenen 200 Jahren freigesetzten Kohlendioxids findet sich in den oberen zehn Prozent des Ozeans wieder", bestätigt Christopher Sabine von der National Oceanic Atmospheric Administration (NOAA) der USA. Dort führt der immer niedriger werdende pH-Wert des Meeres dazu, dass sich das Kalziumcarbonat im Außenskelett von Meereslebewesen teilweise auflöst, vor allem von Korallen und Plankton, das wiederum die Nahrungsgrundlage des Ökosystems der Meere ist.

Umweltorganisationen wie Greenpeace und der WWF befürchten, dass zu viele Fördergelder in die so genannten Sequestrierungsprojekte des Treibhausgases fließen, diese fehlen dann beim Ausbau der erneuerbaren Energien. Statt Kohlendioxid zu vermeiden, würde eher mehr erzeugt werden, um es dann - mit unbekannten Folgen für die folgenden Generationen - zu vergraben. "Die Sicherheit der Lagestätten sei bisher zu wenig erforscht", warnt Greenpeace-Mitarbeiterin Gabriela von Goerne. "Stellt man die Weichen fürs Sequestrieren, ohne über die potenziellen Risiken Bescheid zu wissen, beschert uns die Technologie vielleicht ein zweites Atommüllproblem".

Den Vergleich mit Nuklearabfällen halten viele Geologen dennoch für "absolut überzogen". Ehemalige natürliche Erdgas- und Ölreservoire hätten jahrtausendelang bewiesen, dass sie dichthalten. Momentan ist nicht einmal die Rechtslage geklärt. Wer darf den Gasmüll wohin packen? Fällt die Lagerung unter das Abfallgesetz? Wer haftet für die Sicherheit der Speicher? Und wie lange sollen sie überdauern? Die systematische Diskussion über die Speichermöglichkeiten hat gerade erst begonnen.


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