Frankreich steckt in der Falle

Rüstung Der geplatzte Deal mit Australien stellt die Industriepolitik infrage
Ausgabe 39/2021
Frankreich steckt in der Falle

Illustration: der Freitag

Es waren Schlagzeilen, wie sie bei außenpolitischen Krisensituationen immer typisch sind: Botschafter abgezogen, Ministertreffen gecancelt, feierliche Gala abgesagt. Nur waren die Beteiligten in diesem diplomatischen Machtgeplänkel eher untypisch. Hier reagierte Frankreich auf das gerade beschlossene Bündnis zwischen den USA, Australien und Großbritannien im indopazifischen Raum (AUKUS). Damit einher ging die Aufkündigung eines 56 Milliarden Euro schweren Vertrags über den Kauf von französischen, dieselbetriebenen U-Booten zugunsten von Modellen amerikanischer Fabrikation. Diese können dank ihres nuklearen Antriebs länger autonom unter Wasser operieren.

Aus australischer Sicht sei die Entscheidung für AUKUS sogar nachvollziehbar, sagt Admiral François Dupont, Militärberater des französischen Generalstabs und in den 90er Jahren selbst U-Boot-Kommandant: „Es gibt eine größere kulturelle Nähe zwischen diesen Staaten und natürlich kann es passieren, dass sich die strategischen Interessen eines Landes nach einer Vertragsvereinbarung verändern.“

Dennoch fiel die Reaktion des französischen Außenministers Jean-Yves Le Drian drastisch aus. Sonst eher bekannt als Mann der maßvollen Worte, warf Drian den USA „Lügen und Doppelzüngigkeit“ vor und zeigte damit, wie sehr die Affäre am Selbstverständnis Frankreichs kratzt. Denn als ein ständiges Mitglied des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen und als Atomwaffen-Nation mit Überseedepartements an verschiedenen Ecken der Welt sieht sich das Land durch die Entscheidung Australiens vom internationalen Parkett gedrängt. Viele rufen deshalb nun nach einer Neuordnung der europäischen Verteidigungs- und Sicherheitspolitik, um weiter in der Welt Gehör zu finden. François Dupont warnt indes vor den Kräfteverschiebungen durch AUKUS, denn das atomare Muskelspiel derzeit sei unberechenbar und gefährlich. „Während des Kalten Krieges gab es ein Gleichgewicht des Schreckens, das aber aus dem Gleichgewicht geraten ist. Die Lage ist heute viel besorgniserregender als damals, aber in der Wahrnehmung der Öffentlichkeit ist die Bedrohung durch Atomwaffen-U-Boote wenig präsent.“

Kein Platz am Tisch

Neben dem geostrategischen Bedeutungsverlust ist der geplatzte sogenannte Deal des Jahrhunderts für Frankreichs Rüstungsindustrie ein herber Schlag. „Die enormen Anstrengungen, um den Vertrag zustande zu bringen, von heute auf morgen hinwegzuwischen, das tut weh“, sagt Dupont. Die Naval Group hat bereits angekündigt, maximal hohe Entschädigungszahlungen von Australien zu fordern, denn der Bau der zwölf U-Boote des Typs Barracuda macht zehn Prozent des Firmenumsatzes aus – und die Arbeiten in der Naval-Werft in Cherbourg liefen bereits auf Hochtouren. Längst ist eine Debatte ausgebrochen über die Rolle der Rüstung im französischen Industrieportfolie. Weil die französische Industrie sich auf die Produktion hoch spezialisierter Waffensysteme konzentrierte – über 20 Prozent des Forschungsbudgets fließen in diesen Sektor –, sei die Wirtschaft extrem abhängig von außen- und verteidigungspolitischen Entscheidungen der Regierung. In anderen Bereichen, etwa im Maschinenbau, sei sie hingegen sogar auf Importe angewiesen.

Frankreich steckt in einer Falle: In gaullistischer Manier setzte die Elite des Landes jahrzehntelang auf die Rüstungsindustrie, um sich einen Platz an der Tafel der Weltpolitik zu sichern. Was aber, wenn einen niemand mehr zu Tisch bittet?

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Geschrieben von

Romy Straßenburg

Lebt als freie Journalistin in Paris. Ihr Buch "Adieu Liberté - Wie mein Frankreich verschwand" ist im Ullstein-Verlag erschienen.

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