Netz der Primaten

Ligue du LOL Eine Gruppe junger, hipper französischer Journalisten hat im Internet gegen Frauen gehetzt. Die neuen Männer scheinen wie die alten
Zu viele Männer auf einem Haufen verheißen nichts Gutes
Zu viele Männer auf einem Haufen verheißen nichts Gutes

Foto: Jan Jasper Kosok

Selbstsicher, borniert, Kippe in der Hand. So standen sie in einer Ecke des Pausenhofs und begutachteten und kommentierten jene Mädchen, die mit hochrotem Kopf für sie schwärmten. Wer erinnert sich nicht an diese coole Jungsclique, für die man alles getan hätte, um irgendwie bemerkt zu werden?

Vor zehn Jahren tauchte in Frankreich eine solche Clique in der gerade entstandenen Twitter-Sphäre auf – eine Truppe von weißen, männlichen Journalisten, Werbetextern, Bloggern und Graphikdesignern, die mit Hipsterbrillen, MacBook und Jute-Beuteln davon träumten, irgendwas mit Medien zu machen. Sie zelebrierten ihren Lifestyle, ihre Prekarität und ihre Meinungen und scharten eine Followerschaft um sich, die keine Grenzen des guten Geschmacks kannte. Die selbsternannte „Ligue du lough out loud (LOL)“ fühlte sich, lange Jahre vor #metoo,so unangreifbar, dass sie es nicht mal für nötig hielt, Pseudonyme zu verwenden, wenn sie Frauen in der „Blogosphère“, in dieser neuen, aufregenden Sphäre des Internets, beleidigten, mehr noch, in den digitalen Burnout hetzten.

In der Zwischenzeit sind aus den einstigen Twitter-Pionieren Erwachsene geworden, die im professionellen Journalismus und ähnlichen Branchen angekommen sind. So wie der Gründer der Ligue du LOL, Vincent Glad, Journalist bei der linken Libération oder David Doucet vom Magazin Les Inrockuptibles. Zum Amüsement der Jungs gehörten neben pornographischen Fotomontagen auch gefakte Anrufe mit vermeintlichen Jobangeboten, die online nachzuhören waren. Hunderte Hassbotschaften über ihr Aussehen, ihre Figur erreichten Bloggerinnen wie Daria Marx. Eric Nahon, heute Direktor einer Pariser Journalistenschule, wurde mit antisemitischen Äußerungen auf Twitter und Facebook überschüttet und sagt, er sei „regelrecht paranoid“ geworden.

Courage gegen strukturelle Diskriminierung

Aber das Netz vergisst nicht, besonders nicht primitive, selbstreferentielle Netz-Hetze. Für die nun bekannt gewordenen Beispiele benutzen wir heute den Begriff Cybermobbing. Immerhin, wir sind sensibler geworden und langsam entwickeln sich Schutzreflexe, um dieser Art von Belästigung zu entkommen. Selbst namhafte Figuren aus Politik und Kultur haben es vorgemacht und Abschied von sozialen Netzwerken genommen. Die Mitglieder der Ligue haben sich alle mit ähnlich klingenden Formulierungen – natürlich auf Twitter – entschuldigt. Vincent Glad schrieb, er habe „ein Monster geschaffen“, seitdem schweigt sein Twitter-Account.

Das Erschreckende an den Vorfällen ist, dass es sich hier zwar nicht um die erste Riege französischer Journalisten handelt, aber eben um jene, die sich tolerant, urban und manchmal sogar feministisch gegeben haben. Nun zeigt sich, dass sie in ihrem Denken, ihrer Haltung zu Frauen und anderen Minderheiten völlig hinterwäldlerisch sind. Ihnen wurde die Chance gegeben, andere Menschen ihres Alters zu erreichen und statt mit Vorurteilen zu brechen, haben sie alte Muster der Demütigung reproduziert. Gerade im zentralistischen Frankreich, in einem elitär geprägten Bildungssystem, in einer Gesellschaft, in der Männer wie Dominique Strauss-Kahn oder Tariq Ramadan lange Jahre ungestraft Frauen wie Ware behandelten, wäre es so wichtig, wenn die junge Generation zeigt, dass es anders geht.

Auch daraus erklärt sich die Enttäuschung des Nachwuchses: 600 derzeitige Journalistenschüler haben in einer Petition gefordert, den weißen, männlich determinierten Medienmechanismen strukturell entgegenzutreten und sich gegen Frauenfeindlichkeit und andere Formen der Diskriminierung stärker einzusetzen. Viel wichtiger noch ist es, dass sich in Zukunft Freunde, Kollegen und Kumpels auch maßregeln, statt sich gegenseitig aufzupeitschen. Den Mut aufbringen, nicht mitzumachen, auch um den Preis als uncool zu gelten. Den Hetzern die Selbstsicherheit nehmen, statt ihnen für primitives Verhalten Applaus und Likes zu schenken. Manchmal reicht ein Klick und dann heißt es „folge ich nicht mehr“.

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Geschrieben von

Romy Straßenburg

Lebt als freie Journalistin in Paris. Ihr Buch "Adieu Liberté - Wie mein Frankreich verschwand" ist im Ullstein-Verlag erschienen.

Romy Straßenburg

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