„Wir lieben es, Tabus zu brechen“

Interview Marion Messina wird in Frankreich gefeiert. Das akademische Prekariat hat eine Galionsfigur – und die Arbeiterklasse auch
Exklusiv für Abonnent:innen | Ausgabe 10/2020

Im Nieselregen übergibt Marion Messina ihrem Freund noch schnell den Kinderwagen samt Baby, bevor sie das Café betritt. An der beheizten Terrasse eilen die Leute im Feierabendstress vorbei, der Kellner serviert draußen schon mal einen Chardonnay. Die 29-jährige Messina wurde 2017 mit ihrem Debüt Faux départ (Fehlstart) bekannt, sie wurde mit Michel Houellebecq verglichen – gemeint war die schonunglos böse Beschreibung der Wirklichkeit. Was bei Houellebecq der in Literatur gegossene bourgeoise Ennui ist, sind bei Messina soziale Tristesse und Frustration, Messina schreibt über ein Frankreich am Stadtrand, das „morgens um acht Uhr vor dem Lidl in der Schlange steht“, über ein akademisches Prekariat, das zwar den Bildungsaufstieg