Das gescheiterte Demokratie-Experiment

Was ist Deutschland? Welche typischen Merkmale hat eine Demokratie und kann man die in Deutschland noch nachweisen? Welche Folgen hat es? Was müsste man tun, um Demokratie wieder zu beleben?

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Über die Gründe gebe ich hier keine Auskunft“ antwortete eine Vertreterin der Bundesregierung auf der Bundespressekonferenz vom 15. Dezember. Die Frage, auf die sie nicht antwortete bezog sich darauf, warum die Bundesregierung Aufträge an private Firmen vergab, die bekannterweise in Deutschland für die NSA Spionageaufträge ausführt(e). Die anderen Antworten waren zwar etwas länger und wortreicher, sandten aber im Prinzip die gleiche Nachricht, sinngemäß: „Wir sind hier um euch zu erklären, was wir wollen, dass ihr draußen erzählen sollt, also nervt uns nicht“.

Nun gibt es widersprüchliche Aussagen dazu, ob wir trotz der Wiedervereinigung immer noch unter alliiertem Kontrollrecht stehen. (SHAEF-Gesetz oder geheime Folgegesetze) Sollte dies endlich einmal abschließend durch eine Bundesregierung und die Alliierten Mächte des 2. Weltkrieges (außer der Sowjetunion, die Deutschland durch den Abzug aus der DDR und den entsprechenden Verträgen eindeutig die Souveränität wieder zuerkannt hatte,) klargestellt sein, wird es hoffentlich nicht mehr durch die Blogs geistern. (Gemeint ist nicht die absurde Behauptung eine Beschlagnahme Deutschlands, sondern Sonderrechte der Alliierten, die das deutsche Grundgesetze unterlaufen.) Solange dies aber nicht eindeutig geklärt wurde, muss darauf hingewiesen werden, dass Zweifel bestehen. Und sollte diese Situation, wenn auch in anderer Weise, eingetreten sein, brauchte man nicht weiter darüber nachzudenken, ob Deutschland die Anforderungen an eine Demokratie erfüllt.

Ich bewundere die Zähigkeit einiger Journalisten, doch immer wieder nachzufragen. Möglicherweise ist es die stille Rache dafür, sich die Zeit damit um die Ohren schlagen zu müssen, Plattitüden anzuhören, vielleicht will man einfach die aalglatten Pressesprecher wissen: „Wir wissen schon wo’s lang geht, also zieht euch warm an, wenn der nächste Whistleblower uns was verrät.“

Aber was passiert, wenn ein Whistleblower was verrät? Er wird juristisch verfolgt, während der Herr Bundesanwalt wegen der staatlichen Verbrechen keine Möglichkeit sieht aktiv zu werden. Das einzige und letzte Mal, dass ich Anzeige gegen Mitglieder der Bundesregierung wegen Unterstützung eines Angriffskrieges stellte, bescherte mir eine vielseitige, aber offensichtlich standardisierte Ablehnung. Sie enthielt den Hinweis, meine Vorwürfe könnten nicht verfolgt werden, da die Vorgänge die ich beschrieb, sich auf einen Angriffskrieg an sich, und nicht auf die Vorbereitung desselben bezögen.

Die Mütter und Väter des Grundgesetzes hatten die besten Absichten und gute Ideen, um Deutschland rechtlich so zu begründen, dass das Land die Fehler der Vergangenheit nicht mehr wiederholt. Aber sie werden in den Gräbern rotieren, wenn sie sehen, was in der Realpolitik daraus wurde.

Statt das Grundgesetz weiter zu entwickeln, Lücken zu schließen, und den Geist der Gründer zu bewahren, wurden immer mehr Lücken gerissen, manche Vorschriften, wie das über das Briefgeheimnis, in sein gewolltes Gegenteil verwandelt.

Grund hierfür ist sicher auch die Tatsache, dass Deutschland, trotz Lippenbekenntnissen, niemals eine Gewaltenteilung, bzw. eine wirklich unabhängige Justiz geschaffen hatte. Ich erspare mir die Begründung und verweise auf die Seite www.gewaltenteilung.de. Während der so genannte Verfassungsschutz, nichts anderes als ein Inlandgeheimdienst wurde, der abhängig und im Auftrag der Regierung agiert, und nicht einer unabhängigen, vom Souverän bestimmten Organisation. Obwohl gerade das immer wieder bestritten wird, um seine fragwürdigen Aktionen, Stichwort NSU, nicht mit den verantwortlichen jeweiligen Politikern in Verbindung zu bringen.

Nachdem nun in den letzten 25 Jahren auch die so genannte Vierte Gewalt, der unabhängige Journalismus, sich selbst erfolgreich gleichgeschaltet hat, wird das Versagen der Demokratie endgültig für jeden sichtbar. Dass die Medien ihrem Auftrag längst nicht mehr nachkommen, will ich an dieser Stelle auch nicht erneut diskutieren, das wird bereits an vielen anderen Stellen nachgewiesen. Ein bescheidener Beitrag dazu findet sich auch in diesem Blog.

WAS BEGRÜNDET EINE DEMOKRATIE

Die Definition in Wikipedia lautet wie folgt (Nummerierung hinzugefügt):

Demokratie (altgr. Δημοκρατία „Herrschaft des Staatsvolkes“, von δῆμος dēmos ‚Staatsvolk‘ und -kratie: κρατία kratía ‚Herrschaft‘) bezeichnet Herrschaftsformen, politische Ordnungen oder politische Systeme, in denen die Herrschaft von der Allgemeinheit ausgeübt wird. In Demokratien hat das Volk eine mitbestimmende Funktion (8) und die Regierung geht durch Wahlen aus dem Volk hervor. Typische Merkmale einer Demokratie sind (1) freie Wahlen, das Mehrheitsprinzip, die Akzeptanz einer politischen (2) Opposition, (3) Verfassungsmäßigkeit, Schutz der Grundrechte, Schutz der (4) Bürgerrechte, und Achtung der (5) Menschenrechte. Da die Herrschaft durch die Allgemeinheit ausgeübt wird, ist eine Form der (6) Meinungsfreiheit zur politischen Willensbildung unerlässlich.

Schauen wir uns die einzelnen typischen Merkmale einer Demokratie einmal an, und fragen wir uns, ob sie auf Deutschland noch zutreffen:

Zu 1) Freie Wahlen

Freie Wahlen gibt es in Deutschland sicher. Wenn man aber die genaue Definition von „freien Wahlen“ liest, findet man eine ganze Reihe von Voraussetzungen, die in Deutschland zu diskutieren wären. So stellt man sich die Frage, ob realisiert wurde, dass jeder diskriminierungsfrei Wahlkampf betreiben kann, wenn man die Parteienfinanzierung und die Wahlkampfkostenerstattung berücksichtigt. Oder sehen wir die Bevorteilung von Beamten gegenüber Arbeitern und Angestellten. Auch gegen das Verbot von „Meinungsmanipulation durch falsche Versprechungen oder falsche oder diffamierende Behauptungen vor der Wahl“ Einfluss zu nehmen, wird m.E. mit schöner Regelmäßigkeit verstoßen. Oder wie nennt man das Bekanntwerden der Überwachung durch den Verfassungsschutz, von durch das Volk gewählten Bundestagsabgeordneten, oder das regelmäßige Ausgrenzen von rechten und linken Parteien, selbst durch den Bundespräsidenten, zuletzt wieder sogar mit dem Versuch, die Wahl eines linken Ministerpräsidenten zu verhindern.

Zu 2) Opposition

Wie steht es mit der Akzeptanz der Opposition. Besonders gut in der jetzigen Großen Koalition zu erkennen, akzeptiert man eine Opposition, enthält ihr aber immer mehr wesentliche Informationen vor. Immer öfter dabei mit Argumenten wie „Nationale Sicherheit“, die man eigentlich aus Diktaturen gewohnt ist. Wenn sogar ganz offen die Herausgabe von Informationen an einen oppositionellen Abgeordneten (z.B. Dr. Alexander Neu) verweigert, anderen Abtgeordneten aber der Zugang ermöglich wird, ist klar, dass mit zweierlei Maß gemessen wird. Nur DIE Opposition erhält Rechte, die sich als „Gute Opposition“ darstellt. Sobald aber eine Opposition ihre Pflicht ernsthaft verfolgt, wird ihr das ihr zustehendes Recht vorenthalten, ohne dass dies zu Konsequenzen führen würde.

Zu 3) Verfassungsmäßigkeit

Verfassungsmäßigkeit in Hinsicht auf die Bundesrepublik Deutschland ist nicht ohne Delikatesse. Eine Verfassung kann sich nur ein souveränes Volk geben. Und laut Finanzminister Schäuble und andere Spitzenpolitiker war Deutschland, seit der bedingungslosen Kapitulation des Nazi-Regimes, zumindest bis vor Kurzem, noch nie vollkommen souverän. Dann würde sich die Frage stellen, ob ein Land, das nicht souverän ist, und keine Verfassung hat, überhaupt eine Demokratie sein kann.

Aber gehen wir einmal davon aus, dass unser Grundgesetz die Rolle einer Verfassung im Sinn der obigen Definition erfüllt. Handeln die Regierenden dann verfassungsmäßig? Das ist zu bezweifeln, wenn man die große Anzahl an Gesetzen sieht, die vom Bundesverfassungsgericht wieder gekippt werden. Was aber eher als freundliche Aufforderung verstanden wird, das Gesetz anders zu formulieren, denn als Warnschuss, dass man evt. nicht verfassungsmäßig agiert hatte. Und die jüngsten Aussagen einer Bundesministerin, wenn der Einsatz der Bundeswehr im Irak nicht verfassungskonform wäre, müsse man eben die Verfassung ändern, deutet darauf hin, dass das Grundgesetz schon längst nicht mehr ernst genommen wird.

Die Väter und Mütter des Grundgesetzes haben in Art 97 (1) vorgesehen, dass Richter unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen sind. Warum dies niemals realisiert wurde, kann man den oben bereits erwähnten Seiten www.gewaltenteilung.de entnehmen. Das gilt übrigens auch für das Bundesverfassungsgericht. Die auf der Seite nicht erwähnte Tatsache, dass frühere Spitzenpolitiker, die selbst Gesetze zu verantworten haben, in das Gericht wechseln, das dann über Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen urteilen soll, ist ein Vorgehen, dass, gelinde gesagt, widersprüchlich ist. Aber es ist die gleiche Drehtürpolitik, mit der inzwischen Spitzenpolitiker in die Wirtschaft und wieder zurück wechseln, obwohl sie eigentlich die Aufgabe haben sollten, die jeweils andere Rolle zu kontrollieren. Im Fall eines Politikers sogar mit der Macht des Gesetzes im Hintergrund.

Der Geist des deutschen Grundgesetzes war, darin sind sich alle Fachleute einig, die Absicht zu verwirklichen, dass von deutschem Boden nie wieder Krieg ausgehen sollte. Artikel 26 GrundGesetz schreibt nun dummerweise, dass die VORBEREITUNG eines Angriffskrieges bestraft wird, aber nicht die Führung eines Angriffskrieges selbst. Und dankbar wurde dieser Passus niemals klargestellt und dem Geist des Grundgesetzes angepasst. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit hatten sich die Gründerväter und -mütter nicht vorstellen können, dass es einen Angriffskrieg ohne Vorbereitung geben könnte. Und mit Sicherheit waren sie davon ausgegangen, dass die Durchführung eines Angriffskrieges selbstverständlich auch strafbar sein sollte.
Aber selbst wenn deutlich wird, dass bei der Vorbereitung eines Angriffskrieges geholfen wird, erscheint kein Ermittler der Bundesanwaltschaft, um das Gesetz umzusetzen. Das soll an einem einzigen von dutzenden von Beispielen aufgezeigt werden:

Die Bundesregierung hat Luftabwehreinheiten in die Türkei geschickt, weil das Land als NATO-Partner angeblich durch Syrien bedroht würde. Bei der Begründung hatte es sich ganz offensichtlich um eine an den Haaren herbei gezogenen gehandelt. Die angeblichen Angriffe waren von syrischen Aufständischen abgefeuert worden, und Mörserangriffe, gegen die Luftabwehrraketen gar nicht eingesetzt werden können. Die Türkei ist Syrien militärisch um ein Vielfaches überlegen und braucht sicher nicht die Hilfe Deutschlands, um einen Angriff abzuwehren. Und Syrien ist in einen Bürgerkrieg verwickelt, der es dem Land ganz einfach unmöglich macht, einen Angriff gegen einen Nachbarstaat auszuführen. Im Übrigen wurde in der Geschichte der NATO noch niemals ein Krieg gegen einen NATO-Staat begonnen (der umstrittene Fall eines selbsterklärten Krieges bei 9/11 mal beiseite gelassen).

Ganz im Gegenteil führte Ankara Angriffe auf das Gebiet von Syrien durch, gedeckt durch Luftraumsicherung mit deutschen Patriots. Außerdem unterstützt die Türkei Aufständische, insbesondere gewalttätige Terroristen, in dem Bürgerkriegskonflikt. Und, das Wichtigste, das Land fordert ganz offen einen Angriffskrieg gegen Syrien. Und dann sagt die Bundesregierung, die Patriots sollen nicht bei der Vorbereitung eines Angriffskrieges helfen?

4) Bürgerrechte

Bürgerrechte sind durch gesetzliche Einschränkungen kaum noch geeignet, um ihren Auftrag, den einzelnen Bürger vor dem Staat zu schützen, nachzukommen. Zwar wird noch ein gewisser Schutz erzeugt, dass Bürger die Rechte anderer Bürger nicht verletzt. Aber der Staat hat sich so umfassende Ausnahmen spendiert, dass man die Ursprungsabsicht nicht mehr erkennt.

Nehmen wir nur das Beispiel Briefgeheimnis. Seit dem 17. Jahrhundert schützte man die Menschen davor, ausspioniert zu werden. Wobei die Möglichkeiten seinerzeit beschränkt waren. So bedurfte es eines großen Aufwandes, einen Brief „zu verletzen“ oder eine Person sogar systematisch zu überwachen. Nachdem diese Hürden aber im 21. Jahrhundert gefallen waren, seit es also viel leichter ist, E-Mails, die normale Briefe ersetzen, systematisch und flächendeckend zu überwachen, werden die Vorschriften nicht verschärft, was dem Geist und Sinn der Vorschrift entsprochen hätte, sondern praktisch außer Kraft gesetzt. Und das mit einer großen Selbstverständlichkeit, als hätte es den Geist und Sinn des Briefgeheimnisses niemals gegeben.

4) Menschenrechte

Menschenrechte sind jene Rechte, die im Grundgesetz so definiert wurden, dass sie sowohl für Bürger Deutschlands, als auch alle anderen Menschen gelten, die sich in Deutschland aufhalten. Wenn man sieht, wie das Recht auf Asyl erst kürzlich verwässert wurde, stellt man sich die Frage, ob dieses Merkmal einer Demokratie noch gegeben ist. Aber auch andere Vorgänge lassen es als fraglich erscheinen.

So haben Spitzenpolitiker nicht verhindert, dass ein bekannterweise unschuldiger, illegal entführter, deutscher Gefangener der USA, aus der Folterhaft entlassen wurde (Murat Kurnaz). Außerdem werden offensichtlich keinerlei Maßnahmen ergriffen, die Verbrechen aufzuklären, die Geheimdienste der USA auf deutschen Boden begangen, und noch heute begehen. Zuallererst natürlich die Verbrechen an der Menschlichkeit, also die Vorgänge, die in Geheimgefängnissen der USA auf deutschem Boden stattfanden. Und natürlich wird auch nicht nach deutschen Komplizen ermittelt.

In diesem Zusammenhang auch besonders offensichtlich, die ganz zu Beginn erwähnte Weigerung, etwas dazu zu sagen, warum man vermutliche Spionagefirmen der USA, die gegen das deutsche Grundgesetz verstießen, auch im Namen der Bundesregierung operieren lässt, und mit Steuergeldern dafür bezahlt. Wenn dies daraus begründet wird, dass es über der Verfassung stehende Vereinbarungen gibt, die das deutsche Volk aber nicht wissen darf, würde dies einen noch viel größeren Bruch demokratischer Prinzipien bedeuten.

Und wenn man sich den Bericht über Drohnenmorde, die von deutschem Boden aus koordiniert, und durchgeführt werden, anschaut, fragt man sich umso deutlicher, was dies noch mit der Achtung der Menschenrechte zu tun hat. In Fernsehsendungen konnte man erleben, wie offen Rekruten angeworben wurden, um menschenrechts- und völkerrechtswidrige Aktionen von deutschem Boden aus durchzuführen, aber die Bundesregierung weiß von Nichts. Und kein Staatsanwalt tritt in Aktion.

6) Meinungsfreiheit

Meinungsfreiheit wird ausdrücklich und als hervorragend wichtig für eine Demokratie erwähnt. Meinungsfreiheit wäre gegeben, wenn jede Meinung, MINDESTENS entsprechend ihrer Vertretung in der Gesellschaft, auch in den Medien Verbreitung fände. Der Ansatz eines Öffentlich Rechtlichen Rundfunks war schon der richtige Beginn. Allerdings haben auch hier längst Verwässerungen, bis hin zur Pervertierung stattgefunden. Die waren zuletzt so groß geworden, dass sogar das Bundesverfassungsgericht den Staatsvertrag über den ZDF für verfassungswidrig erklärte.

Damit fällt also eine wichtige Stütze der Demokratie weg.
Zusätzlich zu den Öffentlich Rechtlichen Medien gibt es jedoch inzwischen die privaten Medien. Und hier wurde die Meinungsfreiheit noch stärker pervertiert. Denn jeder Medienunternehmer kann seine eigene Meinung den Journalisten vorschreiben. Er ist nicht verpflichtet, eine gesellschaftlich ausgewogene Meinungsvielfalt anzubieten, sondern kann ganz alleine bestimmen, welche Meinung sein Medium vertritt. Gravierend wurde das bekannt durch die schriftliche Verpflichtung von Mitarbeitern im Springer Verlag, alles zu unterlassen, was die Interessen der USA oder Israels beeinträchtigen könnte.

Durch die privaten Medien neben den Öffentlich Rechtlichen Medien gibt es jetzt also zwei mediale Machtblöcke. Die der staatlichen Vertreter, der politischen Elite des Landes, und die der Vermögen Besitzenden des Landes, die es sich leisten können, selbst ein Medium zu finanzieren.

Das deutet auch schon darauf hin, in welche Richtung die Analyse des Staatssystems führen wird. Denn dies sind eindeutige Ausprägungen einer Polyarchie.

Leider sind die Interessen von Politik und Wirtschaft / Banken in den letzten Jahrzehnten, nicht nur wegen der Drehtürpolitik, stark zusammen gewachsen, so dass man inzwischen davon ausgehen kann, dass, bis auf Konflikte zwischen diesen, der gleiche Meinungstenor vorherrschen wird. Was derzeit gut beobachtet werden kann.

Unterdrückung der Meinungsfreiheit findet in Deutschland (noch) nicht durch Einsperren und Ermorden kritischer Journalisten statt. Man entzieht ihnen einfach die Lebensgrundlage. Sie finden keine Arbeitgeber oder Auftraggeber mehr. Beispiele für solche „Ausgestoßenen“ sind der Macher des preisgekrönten Films über die Folgen von Uranmunition (Deadly Dust), Frieder Wagner, Andreas von Bülow, ehemaliger Spitzenpolitiker und Autor, Christoph Hörstel, ehemaliger ARD-Korrespondent und Berater der Bundesregierung, bis zu dem Zeitpunkt, da er dissidente Meinungen begann zu vertreten, Ken Jebsen, der offen und unverklagt erklären kann, dass die Intendanz in seinem Fall gelogen hatte, um ihn loszuwerden, als er in die Kritik von transatlantischen Kreisen geriet. Um nur einige Fälle zu erwähnen. Und natürlich werden solche Ächtungen zu einer Selbsterfüllenden Prophezeiung. Denn dann treten diese Journalisten plötzlich bei „Feindsendern“ auf und prompt heißt es: „Seht ihr, er war schon immer einer von denen.“

WODURCH LEBT EINE DEMOKRATIE

Nachdem wir festgestellt haben, dass durchaus fraglich ist, ob die typischen Merkmale einer Demokratie auf Deutschland zutreffen, sollten wir uns die Frage stellen, wodurch denn eine Demokratie lebt. Ganz eindeutig ist dies der Grad der Beteiligung der Bürger an demokratischen Veranstaltungen. Nun sehen wir aber seit Jahren einen Rückgang der Wahlbeteiligung. Und auch, Menschen zu Hundertausenden auf Demonstrationen zusammen zu führen, um gegen Missstände demokratisch aktiv zu werden, ist seit den großen Anti-Atom-Demos wegen Fukushima, praktisch unmöglich. Abstimmung mit den Füßen könnte man das nennen. Die Menschen haben aufgehört, an demokratische Prozesse zu glauben. Die Wahlbeteiligung, laut Statistiken der Bundeszentrale für politische Bildung, geht seit 1972 kontinuierlich zurück. Besonders alarmierend dürfte der Rückgang in der Altersgruppe zwischen 21 bis 25 Jahren sein. Dort sank die Wahlbeteiligung von über 90% im Jahr 1972 auf 59% im Jahr 2009. Dass die Wahlbeteiligung im Jahr 2013 wieder ganz geringfügig zugenommen hatte, wird daran liegen, dass einige Wähler Hoffnung auf einen Politikwechsel hatten.

Dadurch stellt sich aber auch gleich die Frage nach der Legitimation einer Regierung. Wenn nur ca. 2/3 der Bevölkerung wählt, und davon nur 20 oder 30% die spätere Regierungspartei, wie groß ist dann die Legitimität dieser Partei, die Richtlinien der Politik zu bestimmen?

Die Frage der Legitimität zieht sich dann durch alle Instanzen der Demokratie. Z.B. im Öffentlich Rechtlichen Rundfunk: Müsste nicht neben den Vertretern der Parteien eine entsprechend ihrer Größe berücksichtigter Anteil an Vertretern der Nichtwähler in den Gremien der Rundfunkräte vertreten sein?

Erfüllt eine solche Regierung die Anforderung an "Mehrheitsentscheiden", die als Voraussetzung für Demokratien genannt werden?

Selbst wenn der Leser in vielen Fällen mit meiner Analyse nicht einverstanden ist, sollte ihm zumindest ein mulmiges Gefühl erwachsen sein.

WAS MÜSSTE SICH ÄNDERN?

Die wichtigste Aufgabe wäre, die Grundbasis für Demokratie zu schaffen, nämlich eine pluralistische Meinungsvielfalt in den Medien. Private Medien sind angeblich Wirtschaftsunternehmen, die ausschließlich der Gewinnerzielung dienen. Wenn das der Fall ist, kann man nicht einsehen, warum sie das Privileg erhalten sollen, ausschließlich ihre eigene Meinung zu vertreten, und so politischen und gesellschaftlichen Einfluss zu nehmen. Die Mediengesetzgebung müsste auf den Kopf gestellt werden. Leitmedien müssten verpflichtet werden, Meinungsvielfalt zu garantieren, ganz im Sinne des klassischen Journalismus, den ja angeblich alle sowieso verpflichtet sind. Der aber tatsächlich nur als Waffe gegen Aktivisten eingesetzt wird, die journalistisch aktiv sind, aber eine Meinung vertreten.

Natürlich müssten auch die Gremien der Öffentlich Rechtlichen Medien reformiert werden. Statt daraus eine elitäre Veranstaltung und Einflussnahme von Interessenvertretungen zu machen, müssen die Räte zumindest zu einem Teil, von den Zuschauern gewählt werden. Und natürlich muss den veränderten gesellschaftlichen Verhältnissen Rechnung getragen werden, also muss z.B. der Einfluss der christlichen Kirchen reduziert, und der von Freidenkern berücksichtig werden.

Auch in den Parlamenten muss ein frischer Wind Einzug halten. Es geht nicht an, dass die Volksvertretung mehrheitlich aus Beamten und Selbständigen besteht, weil Gleichberechtigung für die Bewerbung um ein Mandat einfach nicht gegeben ist. Aber das wird wohl ein neuer Blogbeitrag. Und natürlich müssen die Rechte der Abgeordneten gestärkt werden. Wenn diese durch den Souverän ins Parlament geschickt wurden, dann aber ihrer Möglichkeit der Kontrolle entblößt werden, allein dadurch wird Demokratie zu einer leeren Hülse.

Und schließlich und wesentlich, muss eine echte Gewaltenteilung geschaffen werden. Die Justiz muss vollkommen von der Exekutive getrennt, direkt durch den Souverän gewählt werden, und sich selbst verwalten.

Wenn wir es nicht schaffen, solche oder ähnliche Reformen in Deutschland durchzuführen, werden bald die ersten wissenschaftlichen Arbeiten auftauchen, so wie in den USA, die uns dann wissenschaftlich fundiert bestätigen, dass wir keine Demokratie mehr sind.

NOCH EIN WORT ZUR EU

Niemand bestreitet, dass es "demokratische Defizite" in der EU gibt. Trotzdem übernehmen EU-Gremien und Institutionen immer mehr Aufgaben der nationalen Regierungen. Diese wiederum zucken vor den eigenen Wählern mit den Schultern, und behaupten: "Das wollten wir ja nicht, kommt von der EU, müssen wir machen". So geht das natürlich nicht. Das was für Deutschland weiter oben gesagt wurde, gilt natürlich auch und insbesondere für die EU.

Aber in der EU kommt noch ein weiterer Effekt hinzu. Je größer eine staatliche Organisation ist, desto weiter weg rückt sie vom Souverän. Nimmt ihn am Ende kaum noch wahr. Dehalb müssen regionale, wenn nicht staatliche Kontrollfunktionen geschaffen werden, in einer Mindestausprägung, wie in der föderal organisierten Bundesrepublik.

Ein Krieg wird natürlich jegliche politische Reform unmöglich machen. Vielleicht ist das ein angenehmer Nebeneffekt?

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

LinksPazi

Unter dem Pseudonym Linkspazi bloggt Jochen Mitschka. Links, engagiert und gegen Heuchelei und Krieg. Statt Mainstream wiederholen, ihm antworten.

LinksPazi

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