Der neue Zeuge wg MH17

Luft-Luft-Rakete und eine Bordkanone, sollen MH17 abgeschossen haben. So die überwiegende Meinung außerhalb der NATO-Länder. Jetzt tauchte ein Zeuge auf. Aber wie glaubwürdig ist er?

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Im Internet tauchte das Interview eines angeblichen Zeugen auf, der aussagte, dass MH17 am 17. Juli von einem ukrainischen Jet abgeschossen worden wäre. Der Zeuge will beobachtet haben, wie eine SU-25 mit zwei Luft-Luft-Raketen startete, und ohne zurückkam. Und angeblich soll der Pilot, Hauptmann Woloshin, verstört gewirkt haben, und etwas von falschem Flugzeuge gesagt haben.

So schön die Aussagen auch in das Konzept der weltweit am meisten verbreiteten These des Abschusses passen, so sehr sind aber einige Fragen in dem Interview offen geblieben. Und wir sollten uns gerade im Internet dafür hüten, zu vorschnell einer Meinung bedingungslos zu vertrauen. Fragen die mir spontan in den Kopf kommen sind folgende:

1. Der Zeuge behauptet, dass beide Luft-Luft-Raketen fehlten. Er erwähnt aber nichts von der Bordkanone und seiner Munitionierung. An den Spuren von MH17 Trümmern wurde bisher nur die Einwirkung einer Luft-Luft-Rakete und einer Bordkanone identifiziert. Natürlich könnte eine Rakete das Ziel verfehlt oder versagt haben (Haltbarkeit abgelaufen), aber das wurde nicht diskutiert.

2. Im Interview wird immer davon gesprochen, dass die Raketen möglicherweise aus großer Entfernung abgefeuert worden wären. Wir wissen aber, dass im Bereich des Pilotensitzes, in etwa in Höhe der Magengegend, ein ca. 30-50 cm großes Loch gefräst wurde. Wie Fachleute vermuten, durch die Bordkanone einer SU-25. Um aber so viele Treffer auf so kleiner Fläche verteilt zu erreichen, darf m.E. die Entfernung nur gering gewesen sein, maximal vielleicht 500 m, eher 300 m. Darüber wurde nicht diskutiert in dem Interview.

3. Der Zeuge sagte aus, dass zwei SU-25, die ungefähr zeitgleich aktiv waren um Bodenziele zu bekämpfen, am 17. Juli abgeschossen worden wären. Von der Ukraine aber der Abschuss auf den 16. Juli datiert worden wäre. Das sollte sich doch leicht prüfen lassen, indem die Abschüsse herangezogen werden, die von den Aufständischen gemeldet wurden. Ich war damals nicht nahe genug und tief genug involviert, um alle Meldungen gespeichert zu haben. Aber der Fernsehsender hätte das tun können. Warum tat er es nicht?

4. Schon vor einigen Wochen, wenn nicht Monaten, kursierte der Name eines angeblichen Piloten im Internet, der inzwischen in einem arabischen Land untergetaucht sein soll. Ich habe Fragen vermisst, die auf das Auftauchen des Namens bereits vor einiger Zeit Bezug nahmen, um zu prüfen, ob es sich beim Zeugen evt. um einen Trittbrettfahrer handelt.

5. Ob es einen Hauptmann Woloshin überhaupt gab oder gibt, und ob er in der fraglichen Zeit in der betreffenden Region im Einsatz war, sollte sich verifizieren lassen. Ich denke, das wäre schon die Aufgabe des Fernsehsenders gewesen, der das Interview verbreitete. Er sollte doch eine Kontaktperson in der Ukraine haben, die (vor der Ausstrahlung) einige Anrufe hätte tätigen können, um zumindest die Existenz der Person zu bestätigen.

6. In dem Interview ist mit keinem Wort die Belohnung von 30, später 47 Millionen Dollar erwähnt worden, die für die Aufklärung durch den Detektiv Josef Resch ausgesetzt worden war. Warum nicht?

7. Der Zeuge behauptet, innerhalb des Flughafens gewesen zu sein, und sogar gehört zu haben, was Hauptmann Woloshin sagte. Wenn er in so großer Nähe agierte, und jetzt im Fernsehen auftritt, dürfte seine Identität unmöglich zu verschleiern sein. Trotzdem scheint der Zeuge zu glauben, er könne seine Identität geheim halten. Worauf basiert sein Vertrauen?

8. Der Zeuge ist so wichtig, sollte er die Wahrheit sagen, dass er sofort in das Zeugenschutzprogramm des Internationalen Strafgerichtshofes in Den Haag aufgenommen werden müsste. Davon hört man aber nichts. Es hätte zur Sorgfalts- und Fürsorgepflicht des Fernsehsenders gehört, sofort mit entsprechenden Stellen in Kontakt zu treten, um einen Schutz des Zeugen zu gewährleisten. Davon hört man nichts.

Also m.E. noch zu viele offene Fragen, um sich ein sicheres Bild machen zu können. Wir sollten im Internet nicht die gleichen Fehler wie die Leitmedien machen. Sie greifen dankbar jeden Knochen auf, den ihnen Politiker hinwerfen, und verbreiten die Nachricht ohne eine Sekunde nachzudenken. Wenn sich der Knochen dann als Lüge herausstellt, distanziert man sich davon, wohlwissend, dass die propagandistische Wirkung damit nicht aus der Welt geschafft wurde.

Wir sollten anders vorgehen. Wir sollten ALLE Knochen, die uns hingeworfen werden, egal von welcher Seite, erst mal neugierig umdrehen, beschnüffeln und hinterfragen, bevor wir ihn als unseren Knochen nach Hause tragen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

LinksPazi

Unter dem Pseudonym Linkspazi bloggt Jochen Mitschka. Links, engagiert und gegen Heuchelei und Krieg. Statt Mainstream wiederholen, ihm antworten.

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