Der Tyrannenmord

Widerstandsrechte Ist Widerstand gerechtfertigt? Wenn ja, wann und mit welchen Mitteln? Welche Aussichten hat Widerstand gegen die Herrschenden im 21. Jahrhundert?

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IST WIDERSTAND GERECHTFERTIGT?

Wenn als neutral anzusehende wissenschaftliche Untersuchungen beweisen, dass eine gewisse Schicht der Gesellschaft, die demokratische Grundordnung beseitigt hat, wie zuletzt in den USA von zwei Universitäten festgestellt, stellt sich die Frage, die seit der Antike die Menschen beschäftigt. Nämlich ob der Mord eines Tyrannen gerechtfertigt sein kann. Was aber, wenn dieser stille Putsch durch Gruppen, Netzwerke und einem großen Teil der Elite durchgeführt wurde. In der Überzeugung, dass die Massen einfach zu dumm sind, um ihnen das Schicksal eines Landes anzuvertrauen. (Was z.B. die offen ausgesprochene Begründung für Putsche in Thailand ist.) Soll man alle Teilnehmer des Putsches töten?

In der französischen Revolution hat man das offensichtlich versucht. Und die Massenmorde von Stalin und Umerziehungslager von Mao waren auch dieser Versuch, die, in den Augen des „Tyrannenmörders“ Schuldigen, entweder zu töten, oder sie, quasi humaner, „umzuerziehen“. Die Protagonisten der Gewalt fühlten sich dabei im Recht. Und die immer noch verbreitete Verehrung, sowohl für die Französische Revolution, als auch für Stalin und Mao zeigen, dass viele Menschen dieser Ansicht zu sein scheinen.

Nun leben wir im 21. Jahrhundert. Und die Guillotinen verrosten langsam in den Museen. Und die Massenmorde von Stalin und Mao haben bewiesen, dass solche Taten in sich selbst den Widerspruch des Tyrannentums tragen, und zeitgeschichtlich nur eine kurze Wirkung. In Russland hatte sich nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion eine Oligarchie durch offensichtliches und verbrecherisches Bereichern an Allgemeineigentum zu einer neuen Führungselite gemacht. Was aber in Deutschland und bei seinen Verbündeten sogar bewundert wurde. Anders kann man die Verehrung im Westen, für einen verurteilten Verbrecher wie Chordorkowski nicht erklären. Eines Verbrechers, dessen Gerichtsverfahren vom europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, als nicht politisch motiviert und ohne repressiven Charakter, bezeichnet wurde.

In China hat sich eine Parteielite herausgebildet, die quasi-aristokratische Funktionen erfüllt. Nicht allerdings ohne, dass sei hier ausdrücklich gesagt, „den Finger am Puls der Nation“ zu haben, und sehr „populistisch“ auf die geäußerten Wünsche der Mehrheit eingehen. Mancher westliche Wähler würde sich wünschen, seine Politiker würden sich so nach seinen Wünschen richten. Was in den entsprechend positiv ausgefallenen Unzufriedenheitsumfragen, im Westen als "unglaubwürdig" abgetan wird.

Aber zurück zu den Guillotinen. Es gibt einen zweiten Grund, warum ein Tyrannenmord ganz einfach praktisch nicht mehr möglich ist. Schon die Monarchie-Theoretiker des ausgehenden Mittelalters hatten begriffen, dass sich die Macht eines Herrschers u.a. auf zwei wichtigen Säulen verteilte: A) der gefüllte Staatssäckel und B) Die Schwerter der Soldaten.

Übersetzen wir beides in die Neuzeit, stellen wir fest, dass die Bilder A) die Macht des Geldes und B) die „Nationale Sicherheit“, und damit verbundene Maßnahmen, dazu geführt haben, dass es zu einer Machtverteilung gekommen ist. Die Macht des Geldes übernimmt die Finanzelite des Landes und die Eigentümer großer Konzerne. B) Die nationale Sicherheit übernimmt die politische Elite.

Beide sind aufeinander angewiesen. So wie es früher auch ein absolutistischer Herrscher war. Der seine Truppen zum Plündern und Raubschatzen legitimierte, und dafür von diesen beschützt wurde.

Nur dass diesmal alles viel verflochtener ist, und, Stichwort militärisch industrieller Komplex, Gold und Schwert sich schon bald so selbständig gemacht haben, dass sie den sie legitimierenden Herrscher, den Souverän oder seinen Vertreter, gar nicht mehr benötigen.

Mit anderen Worten: Tyrannenmord ist heute praktisch gar nicht mehr möglich, weil die Macht der Schwerter, und die Macht des Goldes, als Synonym für Vermögen, auf globaler Ebene, einfach zu groß geworden ist.

WAS MACHT DEUTSCHLAND?

Nun Deutschland ist meiner Meinung nach eine Polyarchie, die in weiten Bereichen von der jeweiligen Regierung der USA „geleitet“ wird. Warum „Polyarchie“? Nun haben in allen deutschen Regierungen der Nachkriegszeit, die gleichen Einflussgruppen, nur geringfügig unterschiedliche Macht. Und dass der Wähler keinen Wechsel erzwingen kann, wurde bei der letzten Bundestagswahl deutlich. Sie hatten eine neue Politik links der Mitte gewählt, aber eine Große Koalition kam heraus. Diese Erkenntnis veranlasst immer mehr Menschen, gar nicht mehr wählen zu gehen, um dem System die Legitimation durch Wahlen zu entziehen. Was bisher aber wirkungslos ist, wie wir in den USA bei den letzten Zwischenwahlen sahen, zu denen nur noch weniger als die Hälfte der Wahlberechtigten überhaupt gingen.

Die Transatlantiker, also die Befürworter einer bedingungslosen Unterwerfung unter die Interessen der USA, erklären das mit den Worten: „Was gut ist für die USA ist automatisch auch gut für Deutschland“. Wenn man das nur oft genug wiederholt, und die Aussagenden entsprechende Podien erhalten und Ämter bekleiden, wird das auch Mehrheitsmeinung.

Insofern kann man Deutschland nicht isoliert betrachten. Was nicht in den USA möglich ist, wird auch nicht in Deutschland möglich sein. Nach der Änderung des Grundgesetzes, das den Einsatz der Bundeswehr im Inneren ermöglicht, stehen den Mächtigen also auch noch ca. 42.000 US-Soldaten zur Verfügung. Und durch nur eingemottete Standorte, kann das schnell auf das Doppelte aufgestockt werden. Abgesehen davon, dass die USA Rüstungsausgaben in einer Höhe bestreitet, die so groß sind, wie die der in der Rangfolge folgenden nächsten 10 Staaten.

Beenden wir diesen Exkurs mit einem Hoffnungsschimmer: In Griechenland würde laut Umfragen eine alternative linke Parteiengruppierung, Syriza, die Mehrheit im Parlament erreichen, ebenso in Spanien, die linkspopulistische Podemos. Die Frage ist, ob das Schwert und das Gold es zulassen werden, dass diese Parteien die Führung übernehmen. Bzw. wenn sie die Führung im Land übernehmen, ob ihnen erlaubt wird, es zu regieren … oder ob sie sich in das System einfügen. Also die Aktionen von Gold und Schwert legitimieren.

Wenn also der Tyrannenmord ziemlich aussichtslos in der Praxis ist, wie ist es mit der Gewalt allgemein?

IST GEWALT LEGITIMIERT?

Die meisten wagen es nicht, diese Frage zu beantworten. Sie weichen aus, und behalten sich vor, in Syrien Mörder Freiheitskämpfer zu nennen, und in Palästina Mitglieder der Hamas, die gegen die Besetzer ihres Landes kämpfen, Terroristen. Welche Gewalt in Deutschland legitim ist, wurde in linken Kreisen zur Zeit der RAF geführt worden, heute in rechten Kreisen im Umfeld der NSU, sowie in scheinlinken, bzw. neurechten Kreisen, die oft zur Antifa2.0 gehören. Und selbst viele biedere Normalbürger biegen sich ihr Weltbild gerade mal wieder so hin, wie es in die augenblickliche Gefühlslage, oder sagen wir besser Medien-Berichts-Lage,. passt, in welchen Fällen Gewalt gegen eine Staatsmacht legitimiert ist und wann nicht.

Die einzige demokratische Verfassung Thailands seit der von 1946, die 1947 durch einen von inzwischen 19 Militärcoups beseitigt worden war, galt nur von 1997 bis zum Militärcoup von 2006. Aber diese "Volksverfassung" verpflichtete jeden Staatsbürger, sie notfalls mit Gewalt zu verteidigen. Also waren die Soldaten, die am 19.09.2006 den Putsch ausführten, Terroristen. Sie hatten das Ziel, die verfassungsmäßige Grundordnung zu zerschlagen. Damals hatte nur ein harmloser Taxifahrer die Mahnung aus der Verfassung ernst genommen, und in einem Akt der waffenlosen Hilflosigkeit, einen Panzer mit seinem Taxi gerammt. Wenn aber in diesem Moment die Menschen zu den Waffen (welchen?) gegriffen hätten, und die Soldaten bekämpft hätten, wären sie die guten, die Soldaten die Bösen, die Terroristen gewesen, oder?

Die Frage erübrigte sich allerdings schon nach wenigen Stunden, als nämlich das vom Westen mit unzähligen Ehrungen bedachte Staatsoberhaupt, König Bhumibol, die Putschisten empfing und ihnen seinen Segen gab. Der Putsch lief dann innerhalb Thailands unter dem Motto: „Der Putsch für den König“. Durch die Unterschrift des Königs unter ein Dekret wurden nun diejenigen zu Terroristen, die sich für die demokratische Verfassung von 1997 einsetzten. Und die Soldaten waren die Guten. Sie bekamen Straffreiheit und Amnestie für alle auch in Zukunft begangenen Verbrechen, die mit dem Umsturz in Zusammenhang hingen. Abgesegnet von praktisch allen westlichen Freunden! Nach wenigen Monaten Zurückhaltung mit Zahlungen aus den USA an das Militär, wurden diese Milliarden- Zahlungen nach weniger als einem Jahr wieder rückwirkend vorgenommen. Auch nach dem Mord an über 90 Menschen, dem thailändischen "Tian’anmen Massaker" von 2010, und dem erneuten Putsch von 2014, erschien den westlichen Demokratien die Anwendung von Gewalt gegen die eigenen Bürger des Landes, und die Entmachtung der Wähler, als geringfügiger Mangel, die jedoch keinen Einfluss auf die Beziehungen hatten.

Schauen wir auf Jassir Arafat, er war zuerst Terrorist, dann Staatschef und später Friedensnobelpreisträger. Bis er, wie man inzwischen vermutet, aber nie eindeutig nachgewiesen wurde, möglicherweise durch Radioaktivität vergiftet wurde, als er einem möglichen Friedensplan zu nahe kam. Es gibt viele ähnliche Lebensläufe. Oder schauen wir nach Israel, sehen wir auch ähnlicher Fälle. Herauszuheben ist der Fall von Jitzchak Rabin. Zuerst Mitglied der, heute würde man sagen Terrororganisation Hagana, dann Premierminister. Schließlich erhielt er den Friedensnobelpreis und wurde dann ermordet, als er Friedenspläne verfolgte, die aber übrigens keinen zusammenhängenden palästinensischen Staat in den Grenzen der UNO-Resolutionen vorsahen. Aber immerhin den Anspruch Israels auf einen Teil des palästinensischen Territoriums aufgeben wollten.

Auch in Deutschland gibt es Beispiele, wie gespalten der Umgang mit Menschen ist, die Gewalttaten aus Überzeugung begehen. Graf Stauffenberg führte das Attentat vom 20. Juli 1944 gegen Hitler aus. Die Mehrheit der Bevölkerung Deutschlands empfand das als einen terroristischen Akt. Und selbst nach dem Krieg dauerte es noch Jahrzehnte, bis die ersten Straßen nach Stauffenberg benannt wurden, und Nachkommen mit dem gleichen Namen, nicht wie Aussätzige behandelt wurden, wenn sie versuchten, in der jungen Bundeswehr Karriere zu machen.

Als Soldaten in Myanmar bzw. Birma 2007 Mönche und Reporter im Verlauf friedlicher Demonstrationen erschossen, waren diese Soldaten Terroristen? Nein, denn sie vertraten die Staatsmacht. Und nun kommt es entscheidend darauf an, welche politische Meinung der Betrachter verfolgt. Inzwischen hat sich das Land für ausländische Investitionen geöffnet, eine Scheinverfassung und Scheinparlament eingerichtet, und schon gehört es nicht mehr zu den "Bösen" dieser Welt.

In Thailand wurden von Soldaten Menschen erschossen, mit Gewehrkolben erschlagen und wie Vieh in Lagen übereinander liegend, auf LKWs transportiert, so dass beim Transport Dutzende starben. Waren das terroristische Akte? Nein, die befehlshabenden Offiziere wurden noch befördert und erhielten sogar nach dem aktiven Dienst zusätzlich zu ihrer Pension, und ihrem horrenden Einkommen aus Korruption, noch lukrative Berateraufträge der Regierung. Sie hatten Terroristen bekämpft.

WELCHER WIDERSTAND IST ERLAUBT?

Die Freiheitskämpfer Thailands von 2010 kämpften mit brennenden Reifenstapeln, Steinschleudern und Mini-Molotow-Cocktails, gegen gepanzerte Mannschaftstransportwagen, Maschinengewehre, auch deutsche Sturmgewehre, um ihre demokratische Verfassung, und neue Wahlen zu erzwingen. Auslöser war die Entmachtung der gewählten Regierung durch einen Justizputsch, der durch die neue Militärverfassung legitimiert wurde. Der Einzug der Demonstranten in die Hauptstadt hatte einem Triumphzug geglichen, und war von den unfair Behandelten der Gesellschaft gefeiert worden. War dieser Widerstand ungesetzlich, wie von der US-Regierung verbreitet wurde, die Geheimdienstspezialisten {Sicherheitsexperten} zur Beratung des Militärs bereit stellte? (1)

Schauen wir uns die blutig nieder geschlagenen Demonstrationen in Bahrain an. Das Regime dort musste sogar Militärhilfe aus dem Nachbarland Saudi-Arabien, einem der schlimmsten Diktaturen der reichen Ölregion, holen, um die unbewaffneten Demonstranten mit viel Blut von den Straßen zu fegen. Im Verhältnis zur Einwohnerzahl waren die Opferzahlen nicht geringer als in Syrien zu Beginn der dortigen Revolte. Nachdem Totenstille durch Militärhilfe aus dem Ausland eingetreten war, erklärte das Deutsche Auswärtige Amt, dass Bahrain ja Reformen angekündigt hätte, weshalb weitere Maßnahmen nicht notwendig wären. Reformen, die bis heute keine nennenswerten Änderungen bewirkt haben, außer dass mehr Waffen, mehr Sicherheitskräfte und mehr Gefängnisse geschaffen wurden.

Ist hier bewaffneter Widerstand erlaubt? Nach Lesart des deutschen Außenministeriums sind dort Aufständische, die mit Waffen gegen die Regierung vorgehen ... Terroristen. Mitnichten die Sicherheitskräfte.

Als im Jahr 2006 in Bangkok ein Auto voller Sprengstoff auf Grund eines Tipps von der Polizei angehalten wurde, war der Fahrer Soldat, der einem der höheren Offiziere des Sicherheitskommandos als Fahrer diente. Sein Ziel war eine Straßen-Überführung gewesen, über die der damalige, gewählte Premierminister fahren sollte. Bei seiner Festnahme erklärte er vor Journalisten, dass sie sich alle noch wundern würden. Er wurde gegen Kaution auf freien Fuß gesetzt, Tage später kam es zum Putsch. Der Fahrer wurde Jahre später wegen „illegalen Transport von Sprengmitteln“ zu einer kleinen Bewährungsstrafe verurteilt, war aber inzwischen in der Armee bereits befördert worden. War er nun ein Held oder ein Terrorist? Die Putschisten sehen ihn vermutlich als einen Helden, während die Demokratiebewegung in ihm einen Terroristen sieht. Und wie immer entscheidet die Macht der Waffen darüber, wer letztendlich die „Wahrheit“ verkündet.

Und wenn wir uns Syrien anschauen sehen wir Grausamkeiten auf allen Seiten, die begangen werden. Und trotzdem feiern Menschen blutige Massaker und Terrorangriffe einer Seite, weil sie der eigenen persönlichen Meinung nach, der „richtigen“ Seite dienen. Obwohl bewiesen ist, dass es keine so genannten "moderaten Aufständischen" gibt, wird ihnen Waffen, Ausbildung und Geld zur Verfügung gestellt, oder zumindest "übersehen".

DIE FOLGEN DER LÖSUNG VON KONFLIKTEN MIT GEWALT

Was in Thailand und in anderen Ländern einer Generation von jungen Menschen durch diese Vorgänge klar wird: Je mehr Waffen du hast, je brutaler du vorgehst, desto eher kannst du deine Meinung durchsetzen. Du darfst eben nur nicht verlieren.

Das gleiche gilt für die jüngst wieder aufgeflammte Folterskandal-Diskussion der USA, der zur Auseinandersetzung darüber führte, ob Folter denn jetzt etwas genutzt hätte (dann wäre Folter legitimiert), oder nicht. Dabei sind Menschenrechte an keine Bedingungen geknüpft. Aber leider sind die auch nur noch leere Worthülsen.

Wenn die internationale Staatengemeinschaft erlaubt, dass Konflikte mit Waffengewalt ausgetragen werden, oder sogar wie im Fall von Libyen und Syrien, dabei helfen, wird wieder in einer ganzen Generation der Glauben erzeugt, dass Krieg, notfalls Folter und Mord (z.B. durch Drohnen) die Lösung aller Probleme wäre. Man muss eben nur stark genug sein, um zu gewinnen. Und genau diese Entwicklung muss man leider im Moment in Deutschland feststellen.

DER BEGRIFF TERRORIST

Andererseits muss man vorsichtig mit der Verurteilung von Menschen sein, die mit der Waffe in der Hand gegen eine von ihnen so empfundene Besatzungsmachtj, oder Tyrannen kämpfen. Man sollte insbesondere das Wort Terrorismus erst gar nicht verwenden. Es wurde aus politischen Gründen geschaffen und wird längst weltweit missbraucht, um eigene politische Ziele zu erreichen, insbesondere um Gewalt, Mord und Folter, organisierte Kriminalität usw, zu legitimieren. Diese Menschen müssen mit den Gesetzen verfolgt werden, die ihren Taten entsprechen. Strafgesetze gegen Mord, Entführung, Nötigung, Körperverletzung usw. Spezielle Terrorgesetze stellen den Einstieg zur politischen Justiz dar.

Diese Ansicht kann sich leider nicht durchsetzen, obwohl man deutlich sieht, dass Terrorismus in dem Maße zunimmt, mit dem sie mit Gegenterror bekämpft wird.

Und eines möchte ich noch hinzufügen. Wenn jemand unbewaffnete Zivilisten, egal wie stark diese ein verhasstes System unterstützen, gezielt tötet, der tötet auch jeden Anspruch darauf, als etwas anderes als Mörder angesehen zu werden. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Gewalt gegen die Staatsmacht gerichtet ist, oder von ihr ausgeht.

Wer also in Deutschland über Terrorangriffe in Syrien und im Iran jubelt, aber gleichzeitig Gewalttaten, die z.B. durch die Hamas oder einzelne Palästinenser-Gruppierungen zur "Befreiung Palästinas" begangen werden, verurteilt, sollte seine Einstellung einmal gründlich überdenken.

Mord an Unbeteiligten, auch wenn er nur als „Kollateralschaden“, wie bei den Drohnentötungen der USA, täglich stattfinden, ist ein Verbrechen, und muss ebenso mit den angemessenen Gesetzen verfolgt werden. Es gibt keinen „guten“ oder „bösen“ Mord.

DER TYRANNENMORD

„Der Begriff Tyrannenmord bezeichnet die Tötung – meist durch Attentat – eines als ungerecht empfundenen Herrschers (Tyrannen), der das Volk bzw. die Bürger gewaltsam unterdrückt. Er ist ein politischer Mord. ... Bereits in der antiken Philosophie wurde diskutiert, ob der Tyrannenmord ein legitimes Mittel zur Befreiung der Bürger sei. Es stellt sich die ethische Frage, was für die Angehörigen eines Gemeinwesens (ob nun Polis oder Königreich) schwerer zu verantworten ist: dass die Mitbürger Unterdrückung, Gewalt oder gar den Tod durch den Tyrannen erleiden oder dass man die Schuld eines Mordes auf sich lädt, wenn man den Gewaltherrscher durch ein Attentat beseitigt. Weil dadurch auch die bestehende staatliche Ordnung (die Alleinherrschaft als Monarchie oder Diktatur) grundsätzlich in Frage gestellt wird, lehnten die „Monarchien“ der Neuzeit den Tyrannenmord als letztes Mittel der Politik vehement ab. Das deutsche Grundgesetz enthält seit 1968 ein Widerstandsrecht (Artikel 20) (Absatz 4). Es schließt den Tyrannenmord als letztes Mittel gegen einen verbrecherischen Diktator nicht aus.“ (Wikipedia)

Auch ein Tyrannenmord lädt Schuld auf den Mörder. Auch ein "Tyrannenmörder" muss sich rechtfertigen, und vor einem angemessenen Tribunal verantworten. Und dieses muss eine Güterabwägung vornehmen. Wenn man dieser Rechtfertigung aus dem Weg geht, ist und bleibt man ein Mörder. Den Lynchmord an einem bereits gestürzten Diktator Gaddafi nicht zu verhindern, obwohl man es gekonnt hätte, gehört in diese Kategorie. Aber die Ermordung war natürlich vorteilhaft für bestimmte Kreise. Sie verhinderte nicht nur, dass der Ermordete seiner gerechten(!) Strafe zugeführt wurde, sondern er verhindert auch die saubere Aufarbeitung der Geschichte, und ermöglicht die typische Sieger-Geschichtsschreibung. Während andererseits Mythenbildung gefördert wird, die vielleicht schon den nächsten Konflikt in sich birgt.

Eine deutsche Regierungschefin, die sich öffentlich über die Ermordung eines angeblichen Terroristenführers freut, ist ein trauriges Zeichen des Zustandes dieses Landes.

HOFFNUNGSSCHIMMER?

Nachdenklich gemacht hat mich die Aussage von Andreas von Bülow bei einer Veranstaltung in der Schweiz. In der anschließenden Diskussion sagte er, dass eine direkte Konfrontation mit den USA für Deutschland alleine in der derzeitigen Situation gefährlich werden könnte, und erwähnte, dass die Politik der unbedingten Anpassung an amerikanische Wünsche, durch die Bundeskanzlerin, bei gleichzeitigem Offenhaltung der Gespräche mit Russland, durch Außenminister Steinmeier, realpolitisch [möglicherweise, bis zu einer Veränderung der Lage in Europa (Podemos, Syriza usw.)], vielleicht eine kluge Politik ist. (Aussage in eckiger Klammer durch mich hinzugefügt.

Große Umwälzungen liegen in der Luft. Die USA haben ihre Position als größte Wirtschaftsmacht an China abgeben müssen, und das globale Finazsystem steht in absehbarer Zeit vor dem Zusammenbruch. Auch wenn Tyrannenmord keine Option für Widerstand ist, werden sich vielleicht in den nächsten Jahren Situationen ergeben, in denen beherztes Handeln zu einer Veränderung führen kann.

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(1) Die Mehrheit der Thailänder sah das offenbar nicht so. Denn die Opposition, die mit den Demonstranten sympathisierte, gewann im Juli 2011 zur Überraschung des Establishments mit einem Erdrutschsieg und führte bis zum nächsten Putsch 2014 eine Regierung an, die fast 3/4 der Thailänder repräsentiert.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

LinksPazi

Unter dem Pseudonym Linkspazi bloggt Jochen Mitschka. Links, engagiert und gegen Heuchelei und Krieg. Statt Mainstream wiederholen, ihm antworten.

LinksPazi

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