Die Folgen von #TortureReport

Folterenhüllungen Welche Folgen haben die Enthüllungen über die brutalen, menschenverachtendenden und grausamen Foltermethoden, die auch bis zum Tode führten, für die USA?

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Abu Ghraib
Abu Ghraib

Foto: Joe Raedle/Getty Images

Hundertausende von Berichte und Videos über Folterungen wurden von der CIA vernichtet. Dann, zensiert vom Täter selbst, erschien ein geheimer Bericht über einige tausend Seiten. Whistleblower mit Gewissen, und Gefolterte, die überlebt hatten, begannen die Wahrheit bekannt zu machen. Und nun endlich erhielt die Öffentlichkeit einen Bruchteil des Berichts, und damit Einsicht in systematische, regelmäßige und grausame Folter bis zum Todeseintritt. Niemand wird dafür bestraft werden, niemand zur Rechenschaft gezogen. Ex-Präsident Bush nannte die m.E. sadistisch veranlagten Folterknechte, die Prämien für "wirksamere" Methoden erhielten, „Patrioten“. Es liegt nichts näher, als diese Geisteshaltung mit der der Verhör-Praxis im Spätmittelalter zu vergleichen. Und es zeigt auf, dass die Weltmacht des 21. Jahrhunderts mit Führungsanspruch, immer noch in Dimensionen des Spätmittelalters denkt. Was auch durch die kreuzzugartigen Kriege bestätigt wird, was aber eine andere, wenn auch verbundene, Geschichte ist.

Über 20 ausländische Regierungen werden als Komplizen der Verbrechen der US-Regierung in dem Bericht erwähnt. In den meisten Ländern ist Folter offiziell gesetzliche verboten. Die Reaktionen sind bisher nur sporadisch, und meist wird behauptet, man hätte nichts gewusst. Was darauf hindeutet, dass auch in diesen Ländern keinerlei Folgen für die Täter zu erwarten sind.

Welche Folgen hat dies nun für die Gesellschaft der USA, für Deutschland und die ganze Welt?

DROHNEN STATT FOLTERN

Die erste Reaktion auf das Bekanntwerden von Folter in der Öffentlichkeit war … ein massives Aufstocken des Tötungsprogramms mit Drohnen. Da klar geworden war, für Insider lange vor dem jetzt veröffentlichten Bericht, dass Folter keine Aufklärung oder präventive Wirkung hat, entschloss sich die neue Regierung Obama, Verdächtige zu töten, statt aufwendig in Geheimgefängnissen zu verhören. Das hat zur Folge, dass die Drohnentötungsmaschinerie noch viel mehr Menschen tötet, und viel mehr in lebenslanges Leid versetzt, weil noch mehr Menschen geschädigt werden, selbst wenn Sie in keiner Beziehung zur „Zielperson“ stehen.

Aber weil gleichzeitig keine wirkliche Aufarbeitung von Schuld erfolgt, kann jeder zukünftige Präsident der USA jederzeit wieder auf Folter als Mittel der Politik zurück greifen.

NACH KRIEG IST FOLTER WIEDER GESLLSCHAFTSFÄHIG

Nachdem der illegale Angriffskrieg der USA gegen den Irak, der 1,45 Millionen Menschen getötet, und viele Millionen für das ganze Leben gezeichnet hat, ohne Folgen für den Aggressor blieb, wurde Krieg wieder als Mittel der Politik weltweit akzeptabel. In Deutschland drückte sich das eindeutig durch den Wunsch der Elite aus, „weltweit wieder eine Rolle zu spielen“, womit in erster Linie das Durchsetzen von politischen bzw. wirtschaftlichen Interessen mit Gewalt gemeint war. Verbrämt durch die Behauptung, Deutschland müsse Völkern beistehen, „Freiheit und Demokratie“ zu erkämpfen, was so offensichtlich geheuchelt ist, dass ich darauf erst gar nicht eingehen möchte.

Dann folgte auf der Weltbühne die Offenlegung des Umfanges von Bespitzelung, Bruch der Persönlichkeitssphäre, Spionage und Cyber-War-Angriffe durch die USA, wie sie bis dahin nur von Verschwörungstheoretikern behauptet worden war. Wieder hielten viele Menschen den Atem an, und fragten sich, welche Folgen das wohl haben würde. Inzwischen wissen wir, dass es für die Täter folgenlos bleibt, während die Offenbarer staatlicher Verbrechen ermordet, verfolgt, verurteilt werden. Statt 300 Jahre alte Ideale wie Briefgeheimnis, und Recht auf persönliche Freiheit und Spähre, wieder herzustellen, wurde der orwellsche Zustand des ewigen Krieges und seine Folgen, zur akzeptierten Wirklichkeit.

Nun folgt für die breite Öffentlichkeit das Bekanntmachen von Folter und Morden durch den Staat USA, und wieder fragt sich der Beobachter, ob jemand für das Verletzen von Menschenrechten und Verfassung verantwortlich gemacht wird. Und wieder wird nichts passieren. Achselzuckend akzeptiert die Mehrheit die Tatsache, dass Gesetze nur für diejenigen verbindlich sind, die sich nicht mit Gewalt wehren können.

Aber doch haben alle drei Entwicklungen dramatische Folgen.

GENERATIONEN LERNEN GEWALT

Wir bringen Generationen von jungen Menschen bei, dass Gewalt jedes Problem löst. Gewalt wird nicht mehr angesehen als geboren aus Angst oder Dominanzstreben, befeuert von Sadismus und Minderwertigkeitsgefühlen, und entschuldigt mit der Schutzbehauptung „Selbstverteidigung“. Gewalt ist heute, öffentlich verbreitet, die Lösung für jedes Problem. Systematisch werden die Hürden für die Legitimation von Gewalt immer niedriger gesetzt. Zu beobachten an den Maidanprotesten, aber auch an den immer schrecklicher werdenden Terroranschlägen, und an den Forderungen der Elite Deutschlands zur Aufrüstung, und zu Militäreinsätzen.

Wie soll die Menschheit jemals Gewalt als Mittel zum Erreichen von Zielen im Wettbewerb ablehnen, wenn sie sogar von einem Nobelpreisträger für Frieden regelrecht zelebriert wird? Durch diese Politik wird die soziale und gesellschaftliche Entwicklung der Mehrheit um mehr als 100 Jahre zurück geworfen. Und mit dem Akzeptieren von Gewalt wächst die Gefahr von Kriegen. Noch nie gab es mehr Krisengebiete mit bewaffneten Auseinandersetzungen. Und es liegt nahe, eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für einen neuen großen Krieg zu erkennen. Denn auch in ihren Manöverszenarien zeigt die Elite der USA, dass sie selbst Kriege mit Kernwaffen für beherrschbar und gewinnbar hält. Und der letzte Bundeskanzler, der sich aus einem solchen Szenario zurück gezogen hatte, war Helmut Kohl, beraten von seinem parlamentarischen Staatssekretär Willy Wimmer.

DIE VERNICHTUNG DER UNO

Die UNO-Konvention schreibt vor, dass die Staaten mit der Ratifizierung das Gewaltmonopol an die UNO abgeben, und sich auf reine und akute Verteidigung beschränken. Aber längst werden Texte neu interpretiert, Präventivkriege als Verteidigung bezeichnet, und schließlich hat die USA klar gemacht, dass man „es alleine durchzieht“, wenn die UNO nicht spurt.

Das, und die Ausübung von erheblichem Druck auf die UNO, haben dazu geführt, dass ein großer Teil der Welt die UNO nicht mehr akzeptiert. Die Idee, wie in den Statuten vorgesehen, eigene Rüstung zugunsten einer UNO-Streitmacht aufzugeben, wird heute von niemanden mehr ernst genommen. Die Tatsache, dass ein Land, mit ganz wenigen Vasallen, in der Lage ist, eine Entscheidung zu kippen, die fast die gesamte Weltgemeinschaft gefällt hat (siehe z.B. die Entscheidung zu Uranmunition) und das permanente Missachten von Resolutionen und Entscheidungen, wenn es den Interessen eines der Veto-Staaten nicht entspricht, hat die UNO in den Augen des größten Teils der Welt, zu einer zum großen Teil überflüssig gewordenen Scheinveranstaltung werden lassen.

DIE VERNICHTUNG DER MENSCHENRECHTSKONVENTION

Die USA hat sich über Jahrzehnte die Rolle als Hort und Verteidiger der Menschenrechte beansprucht. Diese Selbsteinschätzung war schon seit geraumer Zeit in Frage gestellt worden. Zu deutlich waren die eigenen staatlichen Verbrechen, zu klar die Heuchelei. Nun aber dürfte es überhaupt kein Halten mehr geben. „Wir haben ein paar Leute gefoltert“, wie Präsident Obama schlaksig zugab, hat den Menschenrechten den letzten Stoß versetzt. Die jetzt bekannt werdenden Einzelheiten Beerdigen sie schließlich.

Ohne Bestrafung der Schuldigen in den USA wird kein nationales oder internationales Gericht die Legitimität erhalten, Folterer zu verurteilen. Die Forderung der Bestrafung von Staaten, die ebenfalls Folter eingesetzt haben, klingt im Nachhinein selbst für weniger Informierte hohl und heuchlerisch.

DIE VERACHTUNG DER NEUEN WELT

Während China die USA wirtschaftlich überholt, erkennt ein sehr großer Teil der Welt, dass sich die Erwartungen an verschiedene Staaten in den letzten 25 Jahren um 180° gedreht haben. Die Folterenthüllungen waren nur der letzte Ruck, damit diese Weltsicht einrastete.

Die USA und ihre Verbündeten, darunter mittelalterliche Monarchien und schrecklichste Diktatoren, werden nicht mehr als „freie Welt“ akzeptiert. Dieser Westen hofiert Verbrecher wie z.B. Chodorkowski, dessen Verurteilung selbst der europäische Gerichtshof als rechtstaatlich anerkannt hatte. Im Westen heißen sie Dissidenten. Damit soll der Anschein erweckt werden, sie wären die Erben des Geistes des Widerstandes gegen Unfreiheit und Diktatur. Auch wenn sie sich offen als neue Diktatoren empfehlen, ist ihnen die Gunst westlicher Politiker sicher.

Dagegen fliehen Whistleblower, die unter Einsatz ihres Lebens, ihrer Existenz, Verbrechen des Staates aufdeckten, .... heute nach Russland. Denn nur noch Russland kann ihnen ausreichend Sicherheit vor Verfolgung bieten. Schwer zu verdauende, verdrehte Welt für Ältere. Aber während der Westen unter einer gleichgeschalteten elitären Medienbeatmung nur ein leichtes Unwohlsein verspürt, hat die Welt da draußen, außerhalb des Einflussbereichs der NATO, längst begriffen, dass es gefährlich ist, dem untergehenden Imperium in die Quere zu kommen, ohne entsprechende Unterstützung.

EINE NEUE FRONT WEST VS OST

Die Welt, soweit sie es wagen kann, ist dabei, sich von den USA oder sogar vom Westen insgesamt zu distanzieren. Brasilien baut ein eigenes Unterseekabel zum europäischen Kontinent und will keine Internet-Verbindung mehr mit dem Nachbarn USA teilen. Indien droht mit der Stornierung von Hubschraubern in Frankreich, wenn Frankreich die Mistral-Schiffe nicht an Russland liefert, vereinbart auch gleich noch engere Zusammenarbeit in der Verteidigung mit Russland. China und Russland rücken enger zusammen und China bestellt so viele Güter in Russland, dass der Rückgang von Käufen aus Europa mehr als ausgeglichen wird. Die Türkei rückt an Russland heran, verweigert Teilnahme an den Sanktionen. Und Russland selbst behauptet zwar immer wieder, keinen neuen eisernen Vorhang aufbauen zu wollen, orientiert sich aber trotzdem weg von europäischen Partnern, hin zu solchen, von denen es erwartet, nicht wirtschaftlich erpresst, oder gar mit einem Krieg bedroht zu werden.

DAS ENDSPIEL

Noch können die USA Rüstungsaufgaben finanzieren, die so hoch sind, wie die nächsten 10 großen Militärmächte dieser Welt zusammen. Noch kann die NATO mit ihrer Militärmaschinerie, die die ganze Welt mehrmals vernichten könnte, Länder und Regionen erpressen. Aber in den letzten Jahren ist die Politik der USA einfach zu deutlich geworden. Und es ist längst keine Verschwörungstheorie mehr, sondern wird sogar im deutschen Öffentlich Rechtlichen Fernsehen offen ausgesprochen, dass mit Geheimdienstmaterial der USA, politische Entscheidungen von Partnern erpresst werden. So dass der Vasallengehorsam, mit dem die NATO-Staaten dem Konfrontationskurs der USA gegen Russland, entgegen ihrem eigenen Interesse, folgen, erklärbar wird. Aber eine solche Politik hat längst den Zenit des Einflusses verloren. Und es fehlt nur ein kleiner Auslöser, um eine Kettenreaktion auszulösen, und Verbündete zum Verlassen des quasi kolonialen Verhältnisses zu bewegen. Ein gefallener Titan aber dürfte schon bald zum Opfer der Hyänen werden.

Die Folterenthüllungen sind ein weiterer Nagel im Sarg der Vorherrschaft, den sich die USA derzeit selbst zimmert. Mearsheimer und viele andere sagen bereits seit Jahren diese Entwicklung und daraus resultierend einen Krieg zwischen China und den USA voraus. Auch das dürfte dazu führen, dass China und Russland immer näher zusammen rücken. Während immer mehr Menschen weltweit, und Länderführungen klammheimlich, versuchen, mit der neuen aufstrebenden Weltmacht China, und dem Lieferanten von schier unheimlich großen Mengen an Bodenschätzen, Russland, immer bessere Beziehungen aufzubauen.

WIE WIRD DIE KONVERSION ZUSTANDE KOMMEN

Die Veröffentlichung der Folterberichte, die ohne Konsequenzen für die Täter und das System bleiben wird, beschleunigt den Niedergang der USA. Denn die Öffentliche Meinung weltweit beginnt der Regierung der USA die moralische Führungsposition abzusprechen. Länder beginnen ihren Handel auf eigene Währungen umzustellen, und so den so genannten Petrodollar zu schwächen. Nur die Tatsache, dass die USA auch die Weltwährung drucken und beherrschen, sorgt dafür, dass ihre ungeheuren Schulden noch nicht zum Zusammenbruch des Landes führten. Mit jedem internationalen Vertrag, der ohne den Dollar oder eine Umrechnung über den Dollar abgewickelt wird aber, vergrößert sich die Gefahr der Inflation und des finanziellen Kollaps.

Der Folterbericht zeigt der Welt auf, dass die USA ihre Führungspositione nur noch und ausschließlich auf Gewalt basiert. Und der Verlust der globalen Unterstützung wirkt sich auf Dauer so aus, wie das Wegbrechen der Akzeptanz eines Herrschers in einem diktatorisch regierten Land: Das System wendet immer mehr Gewalt an, bis es schließlich zu einer Konversion kommt, weil kein System ohne eine gewisse minimale Unterstützung durch die Bevölkerung aufrecht erhalten werden kann. Eine Angst erzeugende Vorstellung, wenn man daran denkt, über welches Vernichtungspotential die USA verfügen.

Es steht zu befürchten, dass der Zusammenbruch des Titanen weltweite Erschütterungen ungeheuren Ausmaßes annehmen wird. Denn nichts deutet darauf hin, dass die Elite der USA bereit ist, eine multipolare Welt zu akzeptieren, in der Fairness, Kooperation, Interessenausgleich und soziale Gerechtigkeit, an die Stelle von US-amerikanischer Dominanz tritt. Am Ende könnten die Menschen der USA diejenigen sein, die das größte Leid werden ertragen müssen. Die kapitalbasierte Rente und der Glaube an Geld und Börse, wird mit der großen, von allen ernsthaften Analysten erwarteten Finanz- und Wirtschaftskrise, zu großen Verwerfungen führen. Die Armen werden den Rest an Würde verlieren, die Mittelklasse wird sich plötzlich mittellos sehen, während die Superreichen selbst die Trinkwasserversorgung beherrschen. Und welche Rolle dann die vielen Soldaten und die Rüstungsausgaben spielen, bleibt abzuwarten. Ich möchte in dieser Situation nicht in einem Land leben, in dem weltweit die größte Anzahl an Waffen pro Bewohner in den Häusern liegen, und einem Land, in dem die Elite über Jahrzehnte den Menschen vormachte, dass nur Gewalt Probleme löst.

Diese Fragen bleiben aber offen: Wie lange wird sich der Titan noch aufrecht halten, wie viele Kriege wird er noch führen, und wie lange werden unsere Massenmedien versuchen, uns die wahre Situation zu verschleiern?

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

LinksPazi

Unter dem Pseudonym Linkspazi bloggt Jochen Mitschka. Links, engagiert und gegen Heuchelei und Krieg. Statt Mainstream wiederholen, ihm antworten.

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