NSA: Gründe für die Untätigkeit der Elite

Erosion der Werte Durch die Untätigkeit der deutschen politischen, medialen und wirtschaftlichen Elite, rückt die Gefahr eines Überwachungsstaates näher. Wie kam es dazu?

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Man kann trefflich über Wirtschaftspolitik, Außenpolitik oder Innenpolitik streiten. Aber in einem Punkt sollten sich alle demokratischen Parteien einig sein: Eine überwachte Gesellschaft darf es nicht geben! Denn eine überwachte Gesellschaft bedeutet das Ende der gesellschaftlichen Evolution und den Anfang von Autoritarismus und Totalitarismus. Aber seltsamerweise rührt sich im deutschen Bundestag, im Parlament, das sich aus gewählten Volksvertretern zusammensetzt, nur in der weitgehend entmachteten Rest-Opposition Widerstand gegen Beendigung der (informellen) Selbstbestimmung. Die nun offiziell verkündete Politik der US-Regierung, ein Recht zu besitzen, den digitalen Briefverkehr der Welt zu kontrollieren und auszuwerten steht im Gegensatz zu den europäischen Werten der Aufklärung, zum Grundgesetz und den Menschenrechten. Diese Politik erhöht die Spannungen in der Welt, leitet eine neue Runde des Wettrüstens ein und stellt eine Gefahr für die globale Gesellschaft ganz neuer Art dar. Und nichts Wesentliches passiert, obwohl die Verbitterung darüber, dass die gewählten deutschen Volksvertreter mit ihrem Amtseid „Schaden vom deutschen Volke abwenden“ so nachlässig umgehen immer mehr zunimmt. So dass inzwischen schon über Notwehr und Widerstandsrecht diskutiert wird. Wie konnte es dazu kommen?

Spätestens mit Bildung der Großen Koalition wurde vielen Menschen klar, dass wir nicht in einer Demokratie, sondern immer noch deren Vorstufe, einer Polyarchie leben. Welche Interessengruppen dabei den größten Einfluss haben, dürfte seit den, nach dem Vorstand eines Konzerns benannten, „Reformen“, oder spätestens der Bankenrettung, klar geworden sein. Was hat das nun damit zu tun, dass die überwiegende Mehrheit der Abgeordneten im deutschen Bundestag das Ende der Privatsphäre ihrer Bürger offensichtlich als unwichtig ansieht? Jene Volksvertreter, die gebildet sind, die ein Geschichtsbewusstsein haben sollten, von denen viele ausgesprochene Kritiker eines „sozialistischen Überwachungsstaates“ waren, und die „individuelle Freiheit“ auf ihre Fahnen geschrieben haben? Die Gründe sind mehrschichtig.

FALSCHE GEWICHTUNG DER INTERESSENVERTRETUNG IM PARLAMENT

Es geht in diesem Artikel nicht um das Desinteresse der einfachen Menschen an der NSA-Affäre, oder darum, wie die Parlamente in anderen Ländern oder wie das Europaparlament funktionieren. Eine solche Analyse und die Verknüpfung der verschiedenen Ursachen und Wirkungen würden diesen Artikel sprengen. Es geht um die Ignoranz speziell der deutschen Elite für Argumente gegen einen Überwachungsstaat. Es geht um die Förderung von Datensammelwut, Spionage und Denunziation durch die Elite dieses Landes. Beginnen wir mit der Zusammensetzung der Parlamente:

http://upload.wikimedia.org/wikipedia/de/0/0f/Bundestagsabgeordnete.png

Quelle: Wikipedia "bundestagsabgeordnete.png" cc-by-sa

Schon am 8.10.1998 hatte die Zeit in einem Artikel über „Die Macht der Beamten“ im Bundestag festgestellt: „De facto liegt der Anteil der Beamten sogar noch um einiges höher. Da sich unter den 669 Parlamentariern viele Berufspolitiker mit beamtenähnlicher Rechtsstellung befinden, dürfte die parteiübergreifende Fraktion der Staatsdiener annähernd die Fünfzig-Prozent-Marke erreicht haben.“ Diese Dominanz eines Berufsstandes in den Parlamenten, nicht nur dem Bundestag, ist eine höchst bedenkliche Situation. Wie die NSA-Affäre zeigt, kann diese Situation durchaus als gefährlich für den Parlamentarismus angesehen werden, denn diese Situation addiert sich zu der Tatsache, dass Deutschland immer noch keine wirkliche Trennung zwischen den staatlichen Gewalten realisiert hat.

Wenn man die aktuelle Zusammensetzung des deutschen Bundestages ansieht, erkennt man, dass sich seit 1998 nicht viel geändert hat. Das Schaubild betrachtend, wird man sich wundern, dass die absolute Mehrheit der Bevölkerung, nämlich der Teil, der unselbständig in Wirtschaftsbetrieben arbeitet, mit unter 10% im Bundestag vertreten ist. Dagegen wird der Bundestag dominiert durch Abgeordnete, die Beamte sind, oder aus beamtenähnlichen Berufssituationen kommen (46,5%). Die zweitwichtigste Berufsgruppe ist die der Selbständigen und freiberuflich Tätigen (35,5%). D.h. 82% der Abgeordneten vertreten das Interesse des Öffentlichen Dienstes oder vergleichbarer Berufe und von selbständigen Unternehmern.

Der Grund ist schnell gefunden, wenn man, als Mitglied einer der anderen Berufsgruppen, versucht, sich politisch zu engagieren. Der Grund kann mit einem Satz ausgedrückt werden: Es fehlt schlicht die Zeit. Der Zeitaufwand, den heute z.B. unselbständig Tätige aufbringen müssen, um die Familie zu ernähren, um allen Familienmitgliedern eine angemessene Schul- und Berufsbildung zukommen zu lassen, ist heute noch größer als in der Vergangenheit. Die Theorie, die Gesetzeslage und die Praxis klaffen so weit auseinander wie noch nie.

Da gibt es den Angestellten, der darf offiziell gar nicht mehr als 10 Stunden am Tag arbeiten, weil andernfalls der Vorgesetzte strafrechtlich belangt wird, falls er auf dem Heimweg übermüdet einen Unfall verursacht. Um trotzdem die ihm gesteckten Ziele zu erreichen, und dadurch nicht durch Gehaltsabzug bestraft zu werden, stempelt er eben aus und geht dann wieder zurück an seinen Arbeitsplatz, um doch noch zwei oder drei Stunden länger zu arbeiten. Oder da ist der LKW-Fahrer, der im Fernverkehr unterwegs ist, und an seinen freien Tagen versucht zusätzlich Geld zu verdienen, indem er bei einem befreundeten Bauunternehmen hilft, Gärten und Wege anzulegen. Und da ist die Arzthelferin, die nebenbei zwei Putzstellen hat, und dann noch alte Menschen besucht und für sie einkauft, weil die sonst niemanden mehr haben, der für sie einkauft. Alle diese Menschen haben eine Familie, haben Kinder, haben ein soziales Umfeld. Und sie haben gesundheitliche Bedürfnisse, sollten eigentlich Freizeitsport treiben, sich gesund ernähren. Wie sollen diese Menschen Zeit aufbringen, nicht nur um sich politisch zu informieren, sondern auch noch zu engagieren?

Schauen wir uns die Vorteile eines Beamten, der sich um ein politisches Mandat bemüht, noch einmal genauer an: Ein Beamter kann z.B. für den Bundestagswahlkampf zwei Monate Urlaub bei Weiterzahlung der Bezüge erhalten. Angestellte in der freien Wirtschaft haben zwar ein Anrecht auf Sonderurlaub, aber natürlich ohne Bezüge. Und ein Mitarbeiter, der diesen Urlaub nutzt, muss in nicht wenigen Betrieben fürchten, auf eine Liste gesetzt zu werden, die jene Mitarbeiter enthält, die bei der nächsten Entlassungswelle ganz zu Beginn ausgesondert werden. (Ausgenommen sind natürlich solche, die sich für Parteien engagieren, die den entsprechenden Arbeitgebern wohl gesonnen sind.)

Ein Beamter, der nach einer Legislaturperiode nicht mehr zur Wahl antritt oder nicht gewählt wird, hat ein Anrecht darauf, einen adäquaten Arbeitsplatz einzunehmen. Einen Arbeitsplatz, der seiner Tätigkeit vor dem Ausflug in die Politik entsprach. Der Angestellte eines Wirtschaftsbetriebes steht dann zunächst vor dem Aus, insbesondere, wenn er für eine Partei Politik gemacht hat, die vielleicht nicht für Wirtschaftsinteressen, sondern für Arbeitnehmerinteressen eingetreten ist.

Beamte sind, anders als Angestellte, zur unbedingten Loyalität gegenüber dem Staat verpflichtet und werden entsprechend durch den Staat mit Absicherung in allen Lebenslagen bis zum Lebensende belohnt. Können Beamte, wenn sie Volksvertreter sind, die Sorgen und Nöte eines lohnabhängig arbeitenden Menschen in der heutigen Globalisierung begreifen? Kann ein Beamter ermessen, wie gefährlich auch scheinbar harmlose Daten z.B. über Gesundheit und Verhalten im Privatleben, oder auch der „Gesinnung“, für einen Nicht-Beamten sein können?

Deutschland soll ein föderaler Staat mit repräsentativer Demokratie sein. Repräsentativ bedeutet, dass nicht der Souverän, das Volk, politische Sachentscheidungen fällt, sondern Vertreter, die das Volk repräsentieren. Wikipedia schreibt dazu: Nun ist „das Volk“ aber keine Einzelinstanz mit einem freien und gleich gerichteten oder gar homogenen Willen, sondern eine große Anzahl von gleichberechtigten Individuen, von denen jedes seinen eigenen Willen hat. Aufgabe demokratischer Systeme ist es also, sich so zu organisieren, dass dabei die Einzelinteressen ausgeglichen werden und sich die Entscheidungen nach einem mutmaßlichen Gesamtwillen richten. Kann dieser unterschiedliche Willen wirklich den Anteilen der Menschen entsprechend vertreten werden, wenn wir über 80% der Vertreter aus Berufen sehen, die nie die Zwänge der Menschen kennen gelernt haben, die unselbständig in Wirtschaftsbetrieben tätig sind?

Weiter gedacht kann man sich beispielweise die Frage stellen, ob es jemals zu der Durchsetzung des „Neo-Liberalismus“ in Deutschland gekommen wäre, wenn nicht Beamte und Selbständige in Deutschland die Politik gestalten würden.

Beamte wurden in absolutistischen Monarchien einst „Die Männer des Königs genannt“. Damit wollte man zum Ausdruck bringen, dass die Beamten die Überbringer des Willens des Souveräns waren. Heute ist das Volk der Souverän in Deutschland. Es sollten also „Die Männer und Frauen des Volkes“ sein. Aber haben unsere Parlamentarier das verstanden? Wenn man die Sprach- und Tatenlosigkeit der Parlamentarier bei der Aufgabe wichtige Bürger- und Menschenrechte zu verteidigen sieht, ist die Frage durchaus gerechtfertigt. Dabei soll nicht die fachliche Leistung vieler Beamter geschmälert werden, die oft weit mehr als das von ihnen geforderte Engagement zeigen. Es gibt viele Lehrer, Sozialarbeiter, Finanzbeamte oder auch Polizisten, die sich ihrer Verantwortung bewusst sind, und großen Einsatz im Dienst für die Gesellschaft zeigen. Die Frage ist aber, ob sie als Politiker automatisch befähigt sind, das ganze Spektrum der Gesellschaft zu verstehen und im Parlament entsprechend ihren Interessen und ihrem Willen zu vertreten.

DIE EROSION DES GRUNDGESETZES

In manchen Ländern werden Mitglieder von Regierungen, die Gesetze erlassen haben, welche gegen die Verfassung verstoßen, strafrechtlich verfolgt. In Deutschland nicht. Und so wurden dutzende von Gesetzen schließlich durch das Verfassungsgericht gekippt, obwohl auch dieses hochpolitisch zusammengesetzt ist. Und trotzdem entstand aus dem einst vorbildlichen deutschen Grundgesetz im Laufe der Jahre ein löchriger Käse, der übel riecht, sobald man die schöne Verpackung öffnet. Kein Krieg von deutschem Boden, Mitbestimmung, Verantwortung des Eigentums, und schließlich Privatsphäre, Briefgeheimnis. Man findet höchstens noch Spuren der ursprünglichen Absichten oder Hinweise in Sonntagsreden.

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Quelle: Bundeszentrale für politische Bildung CC (verändert)

Man muss sich das vor Augen halten: In Deutschland gibt es seit dem 10. August 1712 ein Verbot, Briefe zu öffnen. Diese Vorschrift war also zu einer Zeit eingeführt worden, als keinerlei technische Möglichkeit vorhanden war, wirklich auf breiter Basis alle Briefe zu lesen. Dann gab es in der Zwischenzeit immer wieder Phasen, wo das Gesetz ohne jede Wirksamkeit war. Welche Phasen das waren, wird jeder selbst wissen.

Und nun gibt es die technische Möglichkeit, jeden Brief zu lesen, jeden Absender und Empfänger auszuwerten, und ausgerechnet in dieser Situation, in der die totale Überwachung aller Briefe möglich wird, gerade jetzt wird das Briefgeheimnis defacto vollständig abgeschafft … statt es zu verschärfen und den erweiterten Missbrauchsmöglichkeiten anzupassen. Angesichts der neuen technischen Möglichkeiten, die den jeweiligen Postbeförderern oder ihren Herrschern zur Verfügung stehen, wird also nicht das Recht der Menschen in der Gesellschaft geschützt, sondern das Recht des eigenen und fremder Staaten das Briefgeheimnis zu verletzen.

Aber diese Erosion der Grundrechte hat sich seit Jahrzehnten entwickelt, so dass sich heute niemand mehr wirklich Gedanken darüber macht, was eigentlich der Geist unseres Grundgesetzes einmal war. Es gibt zwei Behörden, die unser Grundgesetz hätten schützen sollen. Der Geheimdienst mit dem in die Irre führenden Titel: Verfassungsschutz. Er vertrat aber noch nie die Interessen der geistigen Mütter und Väter des Grundgesetzes. Er diente immer, heute mehr denn je, der Absicherung des Parteiensystems zugunsten der großen „staatstragenden“ Parteien. Dies wird klar, wenn sogar ein weiteres höchstpolitisches Organ, das Verfassungsgericht, Menschen vor dem Verfassungsschutz in Schutz nehmen muss. So wie z.B. den Bundestagsabgeordneten Bodo Ramelow. Und das, obwohl dieses Gericht immer stärker von politischen Parteien durchdrungen wird, und zum Teil sogar aus Richtern besteht, die früher einmal selbst Gesetze verkündet haben. Gesetze, über die sie nun zu Gericht sitzen sollen?

FEHLENDE KONTROLLE DER EXEKUTIVE

Um die Willkür von Herrschern und ihrer Vollstrecker zu begrenzen, waren schon 1748 die Grundsätze der Gewaltenteilung entwickelt worden. Und zu Beginn des 20. Jahrhunderts hatte man sich sehr bemüht diese Grundsätze der Gewaltenteilung in das Staatsrecht einzuführen. Wikipedia schreibt: Gewaltenteilung … ist die Verteilung der Staatsgewalt auf mehrere Staatsorgane zum Zwecke der Machtbegrenzung und der Sicherung von Freiheit und Gleichheit.“

Die Gewaltenteilung in Deutschland ist meiner Meinung nach bis heute nicht erfüllt. Dies zeigt sich beispielhaft an drei Tatsachen:

1) Wenn eine Regierung ein Gesetz erlässt, welches gegen das Grundgesetz verstößt, wird niemand, der an dem Gesetzgebungsprozess beteiligt war, dafür zur Rechenschaft gezogen. Höchstens erteilt das Verfassungsgericht eine Rüge und fordert auf, den Mangel in einem bestimmten Zeitraum zu beheben. Oft bzw. meist bleibt das Gesetz bis dahin in Kraft. Niemand wird für den Fehler zur Rechenschaft gezogen. Verstöße gegen das Grundgesetz werden nicht geahndet. Obwohl ein Verstoß, der aus der Machtposition des Regierens heraus begangen wird, wesentlich gefährlicher für die Bevölkerung ist, als z.B. die Tat eines einzelnen politischen Extremisten, oder selbst einer Extremistengruppe.

2) Es gibt keine Anklagebehörde, die unabhängig von der Exekutive ist. Welcher Staatsanwalt wird seinen eigenen Vorgesetzten anklagen? Richter Udo Hochschild vom Verwaltungsgericht Dresden erklärt denn auch: „In Deutschland ist die Justiz fremdbestimmt. Sie wird von einer anderen Staatsgewalt – der Exekutive – gesteuert, an deren Spitze die Regierung steht. Deren Interesse ist primär auf Machterhalt gerichtet. Dieses sachfremde Interesse stellt eine Gefahr für die Unabhängigkeit der Rechtsprechung dar. Richter sind keine Diener der Macht, sondern Diener des Rechts. Deshalb müssen Richter von Machtinteressen frei organisiert sein. In Deutschland sind sie es nicht.“

3) Beamte schreiben Gesetze im Parlament, oder sie beurteilen zumindest Gesetzentwürfe die von Interessenverbänden vorgeschlagen werden, sie setzen sie in den Gemeinden, in den Ländern und im Bund durch, und beamtete Richter haben anschließend über diese Gesetze zu entscheiden. Werden Politiker bzw. Beamte für den neuen EU-Rettungsschirm tätig, sollen sie sogar gleich einmal eine im Voraus erteilte Amnestie erhalten.

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Schon seit über 50 Jahren wird das Dilemma der nicht realisierten Gewaltenteilung in Deutschland erkannt und bemängelt. Und dennoch wurde niemals versucht eine echte Gewaltenteilung wirklich zu realisieren. So wenig wie die Durchsetzung von Anti-Korruptionsregeln für Abgeordnete. Die Kontroverssendung des Bayrischen Rundfunks deutet darauf hin, welche Gründe das haben könnte.

Und so sind es seit über 50 Jahren eben immer die gleichen Berufsgruppen, die sich selbst regieren und über sich selbst urteilen. Und eine Änderung ist nicht in Sicht, und das scheint niemanden wirklich zu stören. Denn „jedem steht es ja frei, sich politisch zu beteiligen“.

Nun wird also stillschweigend ein Recht der Bürger abgeschafft, das es seit über 200 Jahren gibt und die deutschen Parlamentarier schweigen. Sie bereiten den Boden für eine überwachte Gesellschaft. Eine Gesellschaft, in der insbesondere durch die Auswertung von so genannten Meta-Daten, Herrschern die Möglichkeit eröffnet wird, ihre Gegner zu identifizieren und ihren Einfluss exakt zu bestimmen.

Metadaten verraten, wer mit wem kommuniziert und welchen Einfluss er auf Netzwerke ausübt. Ein solches Wissen hatten in der Vergangenheit keine autoritären Systeme, Herrscher oder Regierungen. Ein solches Wissen hätte sie unangreifbar gemacht. Nun aber sollen sie legal gesammelt und gespeichert werden. Welchem Missbrauch, absichtlich oder durch eine „Datenleckage“ unabsichtlich, damit Tür und Tor geöffnet wird, kann man nicht gefährlich genug einschätzen.

Das vor über 200 Jahren erstmalig eingeführt Briefgeheimnis schützte Einzelne. Im digitalen Zeitalter diesen Schutz aufzuheben bedeutet nicht nur die Gefährdung einzelner, sondern die Gefährdung einer ganzen Gesellschaft.

DIE KORRUMPIERTEN MASSENMEDIEN

Wir wissen, dass die Massen-Medien vermeiden, den vollen Umfang der Affäre zu kritisieren, nicht zuletzt, weil die Chefredakteure eng mit der von den USA dominierten NATO verwoben sind. Daraus entsteht auch eine Dominanz der Präsenz von Transatlantikern in den Medien, wie Hermann Ploppa uns erklärt:

Es hat sich nämlich in Deutschland mittlerweile jenes Modell der Herrschaft durch informelle Seilschaften – Walter Lippmann sprach etwas nobler vom "social set" – etabliert, das für die angloamerikanischen Gesellschaftsformationen so kennzeichnend ist. Ob im Deutschlandfunk, ob in Talkshows, oder wo auch immer: das Personal von "Experten", das zu jedem beliebigen Thema befragt wird, ist – gelinde gesagt – überschaubar. Und es gehört komplett zum "transatlantischen" Netzwerk.“

Wer als Journalist sein Reihenhaus bezahlen will, verhält sich vorsichtig konform. Wer Karriere machen will, kommt um die transatlantischen Netzwerke in den Medien nicht herum. Nur so erhält er Zugang zu den Think Tanks, zu den wichtigen Männern und Frauen in der Politik. Beispiele:

Georg Mascolo war bis 2013 der Chefredakteur des SPIEGELs. Dann wechselte er zu Springer und wurde dadurch quasi automatisch Mitglied des US-Think-Tank „Atlantik-Brücke“. Und der Springer-Verlag gehört zu den vehementesten Verteidigern jedweder US-Politik, und natürlich auch der NSA-Aktionen. Gutes Beispiel der Beitrag von Henryk M. Broder, in dem nicht die NSA-Politik sondern die deutsche „Aufregung“ darüber und der gefährliche „Patriotismus“ zum Thema gemacht wird. Der Verursacher wird zum Opfer, und die Empörten zu latenten Verbrechern stilisiert.

Natürlich können aus Journalisten, die im Öffentlich Rechtlichen Rundfunk / TV treu „gedient“ haben, auch Regierungssprecher werden. Im Anschluss können sie sicher sein, entweder Organisatoren von wichtigen Wirtschafts- oder Regierungstreffen zu werden, oder auf Intendanten- oder Aufsichtsratsstühle in praktisch vom Parteienstaat kontrollierten Medien oder Firmen enden werden. Die Prinzipien des „Eingebetteten Journalismus“ sind längst von der Kriegsberichterstattung in die zivile politische Berichterstattung übernommen worden. Welche Folgen das hat, beschreibt Ken Jebsen in seiner ihm eigenen Polemik mit unzähligen Beispielen und Erklärungen.

Warum die Loyalität der Medien so wichtig ist, hat schon Edward Bernays gezeigt. Sein Standardwerk „Propaganda“ gehört zur Standardlektüre jedes aufstrebenden Politikers. Und spätestens seit Jacques Ellul und seinem Buch „Propaganda, The Formation of Men’s Attitudes“ weiß man, dass Propaganda keineswegs auf gebildete geringere Wirkung hat, als auf ungebildete, sondern das Gegenteil zutrifft. D.h. mit steigendem Bildungsniveau steigt die Empfänglichkeit der Bevölkerung für Propaganda. Zu glauben, dass nur Wirtschaftsunternehmen die jeweils neuesten Entwicklungen der Propaganda aus den USA importieren um ihre Gewinne zu erhöhen, hat sicher übersehen, wie auch die Parteitage der deutschen staatstragenden Parteien immer näher an die Inszenierungen in der US-Politik angenähert werden.

In ganz Europa ist nun also eine Medienkonzentration zu beobachten. D.h. Journalisten müssen noch mehr darauf achten als bisher, den Erwartungen der Mächtigen in Politik und Wirtschaft gerecht zu werden. Dies führt heute mehr als in der Vergangenheit zu einer Gefahr für die Gesellschaft. Heute werden Themen von den Medien erst aufgegriffen, wenn man sie nicht mehr übersehen kann, weil sie z.B. durch die sozialen Netzwerke bereits seit Monaten bekannt gemacht wurden (Beispiel Mollath oder auch eben die NSA-Affäre). Oder die Medien stürzen sich geifernd (schaut her wir haben keine Angst) auf zum Abschuss frei gegebene Bauernopfer (z.B. Bundespräsident Wolff). Womit die Medien als funktionierende Kontrollmechanismen der Politik vorgegaukelt werden, obwohl die wirklich großen Skandale auf Seite 3 oder 5 verschwinden.

Die Entwicklung wird in kürzester Zeit der in den USA folgen. Und vom Kommunikationsforscher Robert McChesney von der Universität illinois wird dargelegt, dass auch das Internet inzwischen davon vollständig beherrscht wird. Er schreibt, dass die … „Anfängliche Idylle im Internet - als eine „nicht-kommerzielle“ Oase, längst komplett auf den Kopf gestellt worden ist. Heute sei das Internet „zu dem historisch größten Generator von Monopolen“ geworden. Sowohl beim Zugang zum Internet (AT&T, Verizon, Comcast), als auch bei bei der Internetnutzung (Google, Facebook, Apple, Amazon) seien „riesige Monopole , mit immenser Macht entstanden, die eng mit der Regierung, der Sicherheitsdiensten und dem Militär zusammenarbeiten“. Was erklärt, warum die von Snowden angesprochenen Medien gar nicht an einer Veröffentlichung seiner NSA-Erkenntnisse interessiert waren. Als Präsident Richard Nixon wegen des Abhörens eines Hotels in die Schusslinie der Medien kam, ruhten diese nicht, bis eine ganze Kette von Verbrechen der damaligen Regierung aufgedeckt wurde. Man darf die Vermutung äußern, dass eine solche Entwicklung in der heutigen Medienlandschaft nicht mehr vorstellbar ist. Ob das auch für Deutschland zutrifft kann eifrig diskutiert werden.

Was passiert, wenn jemand plötzlich nicht mehr als „embedded“ angesehen wird, kann man am Schicksal Ken Jebsens sehen, der nach langjähriger erfolgreicher Mitarbeit in Öffentlich Rechtlichen Medien, zum „Aussätzigen“ der Medienbranche wurde. Ähnlich erging es Frieder Wagner der preisgekrönte Filme über Uranmunition drehte, die dann von keinem Verlag in die Kinos gebracht wurden. Und was schreibt Wikipedia als Folge dieses Filmprojekts: Auf Todesstaub folgten zwar zahlreiche Einladungen Wagners zu Vorträgen und Veröffentlichungen zum Thema Uranmunition, dennoch hat Wagner seit seiner Dokumentation Der Arzt und die verstrahlten Kinder von Basra keinen Auftrag mehr bekommen.“ Mit anderen Worten: Entweder du bist „embedded“ oder du suchst dir zum Gelderwerb besser einen anderen Beruf. Man kann zwar sagen was man möchte, aber man erhält kein Podium auf dem man Menschen erreichen kann. Ähnlich ergangen Christoph Hörstel, langjähriger ARD-Korrespondent mit über 1000 Beiträgen im Öffentlich Rechtlichen TV, der nach CIA- und USA-kritischen Aussagen in Ungnade fiel, und als „Verschwörungstheoretiker“ und „Taliban“-Lobbyist verleumdet wird. So noch heute in Wikipedia, obwohl seine Theorie des „Terrormanagements“ durch die CIA, mit der Contra Affäre , und der Entwicklungen in Syrien, in höchstem Maße unterstützt wird. Und selbst wenn die These unzutreffend ist, bleibt die Tatsache, dass unsere angeblich pluralistischen Medien solche dissidenten Meinungen in Medien mit Reichweiten nicht mehr zulassen. Das hat nichts mit Verschwörung zu tun, sondern mit adaptivem Verhalten der Medien, auf Grund der Entwicklung der letzten Jahrzehnte.

Und dieses „adaptive Verhalten“ verursacht die fehlende Skandalisierung der sich anbahnenden Überwachungsgesellschaft.

DIE POLITISCHE ELITE

Die deutsche Politiker-Elite der großen „staatstragenden“ Parteien ist überwiegend „Transatlantisch“. D.h. für sie ist die Freundschaft zur Regierung der USA durch Nichts zu hinterfragen. Insofern war es logisch, dass sich deutsche Politiker gegen ein Asyl für Edward Snowden in Deutschland eingesetzt hatten. Und ihr Einfluss ist so groß, dass es mit Sicherheit niemals zu einem wirksamen Asyl kommen wird. Und hier liegen auch die Gründe für das Herunterspielen der NSA-Affäre durch die deutsche Politik.

Friederike Beck hat in ihrem Buch „Das Guttenberg-Dossier: Das Wirken transatlantischer Netzwerke und ihre Einflussnahme auf die deutschen Eliten“ eindrucksvoll dargestellt, wie die Förderung durch das transatlantische Netzwerk funktioniert. Das Buch enthüllt aber auch, dass sich zu Guttenberg in bester Gesellschaft befindet mit vielen anderen transatlantisch geprägten "Größen" aus Politik, Wirtschaft oder Medien und welche Gefahren diese geschlossenen Netzwerke für unsere Demokratie bedeuten.“ (Kurzbeschreibung)

Und eine der Gefahren erkennen wir nun während der NSA-Affäre ganz deutlich: Die Forderungen der Regierung der USA über jeden alles zu Wissen, wird durch die Transatlantiker der deutschen Politik höher eingestuft, als der Schutz des Grundgesetzes, oder die Interessen der Bürger.

Die Warnungen, vor der quasi-religiös vorgetragenen Beschwörung „gemeinsamer Werte“, bei gleichzeitiger Aufgabe eigener Werte, sind keineswegs neu. Aber immer wurden sie als „Antiamerikanismus“ abgetan. In seinem Buch „Transatlantische Wechselwirkungen: Der Elitenwechsel in Deutschland nach 1945“ beschreibt der Historiker Stefan Scheil z.B. die Veränderungen in der Hochschulwelt, die sich durch eine transatlantische Personen-, Wissens- und Methodentransfer ausdrückten, und wie die USA die deutschen Hochschulen als wesentliches Instrument zur Prägung der neuen Elite begriffen und benutzten.

„Scheil vertritt die These, daß der bundesdeutsche Demokratiebegriff unter dem Einfluß dieser Vorgänge eine Doppelbedeutung erhielt. Der Respekt vor formalen Kriterien demokratischer Entscheidungsfindung sei durch den politischen Willen ergänzt worden, unter Demokratiebewußtsein die prinzipielle Akzeptanz politischer Maßnahmen der alliierten Nachkriegsordnung zu verstehen. Dazu zählten auch Maßnahmen, die im Widerspruch zum formalen Demokratiebegriff und seiner Anbindung an Menschen- und Völkerrecht standen. Sic (Kurzbeschreibung)

Die Auswirkungen wurden schließlich beim illegalen Kosovo-Krieg überdeutlich sichtbar. Er wurde mit einer Lüge legitimiert, und bis heute werden aus Steuermitteln Propaganda-Veranstaltungen, zur Rechtfertigung völkerrechtswidriger Aktionen der verschiedenen US-Regierungen, finanziert.

„Globale Führerschaft, internationale Vernetzung, transatlantische Netze, Dialog zwischen Wirtschaft, Politik und Universitäten und immer wieder Leadership: Young Leadership, National Leadership, Global Leadership. Das sind keine Begriffe aus einem Verschwörungshandbuch, es sind genau die Begriffe, welche die Lobby-Organisationen verwenden, für die Guttenberg als eine von vielen Marionetten fungiert. Und schauen Sie es sich an – über der Seite der AICGS lächelt uns vom Banner oben rechts Angela Merkel ungewohnt freudestrahlend entgegen.

In das ganze Szenarium passt exakt das Engagement der ehemaligen (CDU) Bildungsministerin Schavan, die die Schirmherrschaft des deutschen Ablegers von “Students in Free Enterprise” – S.I.F.E. – was jetzt Enactus heisst, innehatte. “Die Organisation wurde 1975 in den USA als Projekt des National Leadership Institute mit dem Namen SIFE gegründet. Ziel des Projekts war es, Studierende für die freie Marktwirtschaft zu begeistern und sie für die Rolle von Unternehmern und Unternehmen innerhalb der Marktwirtschaft zu sensibilisieren“ (15) Nicht nur, dass Frau Schavan ebenfalls ihren Doktor-Titel verlor, auch sie ist im Umfeld dieser Lobby-Organisationen zu finden und öffnete diesen kraft ihres Amtes Türen. Und welche Leute sind Finanziers dieser Studentischen Förderorganisation? Schauen Sie sich obiges Diagramm nochmals genauer an: Es sind die erzkonservativen US-Milliardäre Koch – auch Kochtopus genannt. Seit langem stehen Sie unter Verdacht, mit ihrem Geld die öffentlichen Meinung nach ihren Vorstellungen zu designen. Unter anderem zeichnen Sie dafür mitverantwortlich auch den Klimawandel als Lüge darzustellen. (Zitatquelle)“

Und natürlich gilt für die Wirtschaft Ähnliches wie für die Politik und die Medien. Wie uns wieder Hermann Ploppa vor Augen führt, wenn er schreibt:

„Gleichermaßen verdiente wie verdienende Leistungsträger aus Politik, Wissenschaft, Medien und Kultur treffen sich seit 1952 in der Atlantik-Brücke. In diesen Kreis wird man handverlesen. Sein langjähriger Präsident Arend Oetker bekennt in dankenswerter Offenheit: "Die USA werden von 200 Familien kontrolliert. Wir möchten gerne mit diesen Familien gut Freund sein." Das spiegelbildliche Gegenstück auf USA-Seite stellt der vom Hamburger Bankier Erich Warburg und dem CFR-Funktionär John McCloy 1952 gegründete American Council on Germany dar.

Es ist schöne Sitte, dass ein neuer deutscher Regierungschef sich im ersten Vierteljahr seiner Amtszeit in New York beim ACG einfindet und den US-Unternehmern Bericht erstattet. So auch Angela Merkel am 12. und 13. Januar 2006. Dort sagte sie: "Wir müssen uns entscheiden, ob wir uns in einem Kampf um Boeing und Airbus verklammern, oder ob wir uns auf die weit bedeutendere Frage konzentrieren, wie wir alle zusammen ... mit China umgehen sollen." Auf Kosten des deutschen Steuerzahlers darf schließlich noch das Aspen Institute in Berlin unter seinem Direktor Jeffrey Gedmin für die Irak-Invasion und gegen eine europäische Selbständigkeit agitieren.“ (Zitatquelle)

Es hat nichts mit Korruption im herkömmlichen Sinn zu tun, wenn sich inzwischen eine neue Aristokratie aus Politik- und Geldadel gebildet hat. Für die die Parlamente die logische Fortsetzung des einstigen höfischen Lebens darstellen. Wo Lobbyisten, Politiker, Wissenschaftler und Wirtschaftsmagnaten das Leben der Untertanen bestimmen. Sie sind alle auf die gleichen, meist elitären Schulen gegangen, bekamen die gleiche Ideologie und die gleiche Lebensauffassung eingehaucht. Diese Menschen verstehen sich ohne dass sie sich gegenseitig wirtschaftliche oder gesellschaftliche Vorteile verschaffen. Es ist nicht Korruption, sondern geistige Gleichschaltung. Und eins der wesentlichen Ängste dieser neuen Klasse der Gesellschaft ist es, dass sich in der Gesellschaft etwas gegen ihre Herrschaft zusammen brauen könnte.

DIE STAATS-PARTEIEN / DER PARTEIENSTAAT

Aber was wären die Politiker ohne die Parteien? Wolfgang J. Koschnick beschreibt die deutsche Gesellschaft mit den Worten von Wissenschaftlern, die sich mit postdemokratischen Systemen beschäftigen. Er nennt die BRD eine repräsentative Demokratie, die nichts als eine Scheindemokratie im institutionellen Gehäuse einer vollwertigen Demokratie wäre. Und er beschreibt die Parteitage der großen staatstragenden Parteien als solche, die an die Parteitage „bei den Kommunisten“ erinnern. Was vermutlich wenig schmeichelhaft gemeint war.

Für Koschnick stellt der in den letzten Jahrzehnten entstandene deutsche Parteienstaat sogar eine „milde Form der Diktatur“ da. Denn kein Amt, keine wichtige Position in öffentlichen Räumen wird ohne Einfluss der Parteien vergeben.

In Deutschland haben sich die Parteien den Staat restlos usurpiert. Es gibt keine parteilosen Machtträger mehr im Staat. Vertreter der Parteien beherrschen alle Staatsorgane und -funktionen, ja selbst den halb- und vorstaatlichen Raum wie gemeinnützige Einrichtungen, Stadtwerke, Gerichte, öffentlich-rechtliche Rundfunksender. Sie haben den Staat unter ihre Kontrolle genommen, lassen sich überwiegend von ihm finanzieren und bezahlen mit staatlichen Geldern ihre eigene Wahlpropaganda.“ (Zitatquelle) Kann man von einem solchen System erwarten, dass es freiwillig darauf verzichtet, einen Teil der Kontrollmöglichkeiten aufzugeben. Denn durch das Tolerieren der NSA-Politik wird nicht weniger legitimiert als die eigene Politik der Ausforschung und Datensammlung.

Warum auch die „staatstragenden“ Nicht-Regierungs-Parteien kein Interesse an der Aufarbeitung der NSA-Affäre haben, ergibt sich aus der Tatsache, dass alle bisher seit Gründung der BRD an Regierungen beteiligten Parteien wussten, tolerierten und sogar unterstützten, was jetzt Stück für Stück ans Licht kommt.

FAZIT

Fehlende echte Gewaltenteilung, Parteienstaat, Beamte als dominierende Berufsgruppe im Parlament, transatlantische „Leader“-Netzwerke, Elitendenken, schleichender Abbau der Grundrechte, Verdrängung des Geistes des Nachkriegs-Grundgesetzes.

Und so erklärt sich, dass für die deutsche politische, wirtschaftliche und mediale Elite, die nunmehr offiziell zur Politik erklärte, offensive Spionagepolitik der US-Regierung, kein Problem ist. Sie wird eher als Herausforderung gesehen, die deutsche Gesellschaft darauf vorzubereiten, dass Deutschland, dass Europa, ebenfalls in diesem Sinne aktiv ist. Vorratsdatenspeicherung, und eine immer stärkere Erosion der im Grundgesetz verankerten Grundrechte sowie der allgemeinen Menschenrechte zeugen davon. Ebenso die geheimen Gespräche über einen Freihandelsvertrag zwischen der USA und der EU (TTIP) .

In diesem Sinne ist zu befürchten, dass die so oft gequälten „gemeinsamen Werte“ bald ausschließlich aus „transatlantischen Werten“ bestehen werden. Das Verfassungsprinzip „Demokratie“, an dem seit über 2000 Jahren mit Unterbrechungen in Europa gebastelt wird, scheint wieder einmal einen starken Rückschlag zu erleiden und sogar die Polyarchie wird zunehmend durch oligarchische und elitäre Ansprüche gefährdet.

So erodiert die Glaubwürdigkeit des deutschen Parlamentarismus erscheint, so sehr werden die Interessen der restlichen Welt missachtet. Denn eine Konzentration auf die deutsch- bzw. EU-atlantische (Waffen)Brüderschaft übersieht vollkommen die globalen Entwicklungen, die sich am Horizont abzeichnen.

Der russische Präsident Putin hat Russland aus der Abhängigkeit vom Internationalen Währungsfonds befreit, in den sein Land durch Jelzin manövriert worden war. Durch die spekulativ überhöhten Ölpreise der Jahre bis 2008 war es ihm sogar möglich, das Land schuldenfrei zu machen. China bereitet sich auf den Ausstieg aus dem Dollarsystem vor. Die einst die Beziehung zu den USA dominierende „Chimerica“ (18) verliert rapide an Bedeutung. Die „Shanghai Cooperation Organization“ (SCO) drängt den Einfluss der USA zurück, nicht nur in Asien. Die Welt ist auf dem besten Weg sich multipolar darzustellen. Die US-Eliten haben durch die von ihnen verursachten Krisen die Weltwirtschaft an den Rand des Abgrundes gebracht. Und trotzdem wollen sie nicht auf ihren Machtanspruch verzichten. Die deutschen Eliten folgen in Nibelungentreue nach.

Bei dem Transitionsprozess in eine auch wirtschaftlich multipolare Welt, kommt den wirtschaftlich starken Ländern wie Deutschland eine besondere Verantwortung zu. Indem sich Deutschland, und damit oft die ganze EU, aber als verlängerter Arm der USA missbrauchen lässt, verstoßen die handelnden Akteure nicht nur gegen die Interessen ihrer Länder, sondern die der ganzen Welt. Und wenn der angesehene Politikwissenschaftler John J. Mearsheimer einen Krieg zwischen den USA und China als unausweichlich bezeichnet, wird bewusst welche Gefahren in der Umstellung auf eine multipolare Welt verbunden sind und welche Herausforderungen auf die deutsche und europäische politische Elite zukommen wird.

DER HOFFNUNGSSCHIMMER?

Alle Politiker, nein, da gibt es eine kleine Fraktion im deutschen Bundestag, die wirklich internationalistisch denkt, die Widerstand leistet. Medial unter ständigem Kritik-Druck, gesellschaftlich permanent verleumdet, teilweise durch ständige Ausgrenzung verbittert, halten ausgerechnet viele von jenen die Fahne des Grundgesetzes hoch, die gerne vom Verfassungsschutz beobachtet werden. Werden sie es schaffen, dem gesellschaftlichen Widerstand eine Stimme zu geben und einen Re-Demokratisierungsprozess einzuleiten? Die Partei hat jetzt 4 Jahre Zeit, als Oppositionsführung zu zeigen, dass sie eine echte Alternative anbietet … oder ob sie sich selbst mehr verändert und anpasst, als die Politik zu verändern, um im großen Polittheater auch mal tragende Rollen spielen zu dürfen.

Die alten Nazis wurden zu Beginn der Bundesrepublik assimiliert, dann folgten die wilden 68er, und auch Politiker, die in einem vollkommen unterschiedlichen politischen System groß geworden sind, konnten nach der Wiedervereinigung weitgehend problemlos verschmolzen werden. Das System hat bisher jede „Unterwanderung“ problemlos verkraftet. Wenn nun auch der Widerstand gegen eine Überwachungsgesellschaft, und gegen eine unipolare Welt ohne Folgen bleibt, wird dieses Jahrhundert wohl doch wieder in einer Katastrophe enden.

Jochen Mitschka

Wikipedia verrät, mit welchem Engagement und Einsatz die Macher und Jakob Augstein dieses Projekt einer linksliberalen Zeitung derFreitag betreiben. Dafür sollte man dankbar sein, finde ich.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

LinksPazi

Unter dem Pseudonym Linkspazi bloggt Jochen Mitschka. Links, engagiert und gegen Heuchelei und Krieg. Statt Mainstream wiederholen, ihm antworten.

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