Pegida und Totalitarismus

Wir sind die Guten! Deshalb verbieten wir anderen anders zu denken. „Toleranz hat Grenzen“ … „Aber das kann nicht akzeptiert werden“. Verbote greifen um sich. Ist das der richtige Weg?

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Als heute klar wurde, dass eine Online-Petition zugunsten von Pegida gesperrt, also verboten wurde, war von vielen Linken Zustimmung zu hören. Pegida gilt dort als reaktionär, ausländerfeindlich, menschenverachtend, egoistisch. Und angeblich wäre die Grenze der Toleranz überschritten, und man könne das nicht zulassen.

Wieder einmal, so meine Meinung, denkt die Linke einen Schritt zu kurz. So wie manche Linke den Maidan bejubelten, der dann zum gewalttätigen Putsch führte, oder die Demonstrationen gegen Mursi in Ägypten, die schließlich wieder in einer Militärdiktatur endeten. Oder man ruft zum Sturz von Erdogan auf, weil er Demonstranten niederknüppeln lässt und Dissidenten verfolgt, ohne sich Gedanken zu machen, was denn nach dem Sturz passiert. Man sah damals und sieht heute immer nur die unmittelbare Ursache und Wirkung, ohne einen Schritt weiter zu denken.

Zurück zu Pegida. Angeblich soll die Online-Petition durch Druck der Partei Die Grünen gesperrt worden sein, und einige Linke, wie gesagt, freuten sich darüber. Aber was kam denn in dieser Sperre eigentlich zum Ausdruck? Eine solche Sperre ist nichts anderes als der Beginn eines totalitären Staates, der den Menschen vorschreibt, was sie sehen dürfen, denken dürfen, und was nicht.

Denkt doch mal einen Schritt weiter: Linke sind nicht mit der Kriegspolitik der Grünen einverstanden und gehen auf die Straße. Die Grünen sperren eine Online-Petition gegen den Krieg, weil sie sagen, das wäre unmoralisch, denn wir müssten „den Menschen in Land X helfen“, das wäre oberstes Gebot und alles andere wäre menschenverachtender Pazifismus. Was sagen jene Linke dann?

Totalitäre Regime zeichnen sich nicht dadurch aus, dass sie extrem rechts oder links stehen, oder besonders viele Menschen ins Gefängnis sperren. Dann wären die USA, mit den meisten Gefängnisinsassen der Welt, längst Weltmeister der totalitären Regime, während sie tatsächlich weniger weit auf dem Weg sind, wie manche Kleinbürgergesellschaften in Europa. Die USA sind zwar keine Demokratie mehr, sondern eine Oligarchie, aber noch(!) kein totalitäres Regime.

Totalitäre Regime sind oft zutiefst populistisch und auf die Mitte der Gesellschaft fokussiert. Totalitäre Regime schreiben vor, was man zu denken hat. Und wenn wir in Deutschland die Gleichschaltung der Mainstream-Medien bedauern, erkennen wir darin bereits den Weg zu einem totalitären Staat. Aber was sind Denkverbote denn anderes? Nur weil sie die für uns richtig erscheinende Gesinnung treffen sind sie richtig?

AUSEINANDERSETZUNG MIT PEGIDA

Denkverbote nutzen überhaupt nichts. Wie immer muss man an die Wurzeln gehen. Was sind die Wurzeln von Pegida? Nun das sind a) rechtspopulistische Medien, die über Jahre hinweg, und heute noch, aus den Ängsten der Menschen Profit schlagen, b) ein politisches System, was sich immer mehr von den Menschen entfernt, und ihnen das Gefühl der Ohnmacht vermittelt, c) Politiker, die zutiefst unglaubwürdig wurden, denen die Menschen nicht mehr vertrauen.

Deshalb muss hier angesetzt werden. Allen, Pegidagegnern und Pegida-Anhängern, muss klar gemacht werden, dass zunächst einmal eine funktionierende Demokratie hergestellt werden muss, bevor sich irgendetwas ändern kann. Der Ärger und die Frustration müssen zu den Wurzeln gelenkt werden, dahin, wo tatsächlich etwas nachhaltig geändert werden kann. Nicht im Sinne von Pegida, sondern im Sinne der Menschen, die gehört werden wollen.

Pegida-Anhänger und ihre Gegner müssen verstehen, dass sie im gleichen Boot sitzen, dass man sie manipuliert, ihren Zorn und ihre Wut geschickt so kanalisiert, dass sie aufeinander losgehen, statt auf den, der nicht im Boot sitzt, sondern es per Fernsteuerung aufs offene Meer schickt.

Und wenn man sich schon mit Pegida sofort auseinandersetzen will, dann sollte man das so tun, wie es Ken Jebsen vormacht. Aber nicht „verbieten“.

GRENZEN DER TOLERANZ

Jetzt fragt ihr vielleicht „aber wir können nicht grenzenlos tolerant sein, sonst werden wir selbst zum Opfer“. Damit sind wir aber genau in den gleichen Denk-Schemata wie die Pegida-Anhänger gefangen. Die sagen auch „Aber wir können doch nicht grenzenlos Asylanten aufnehmen, sonst ….“ Angst, Übertreibung und Überspitzung sind keine guten Ratgeber. Mit den gleichen Argumenten kämpft der Staat darum seine eigenen Verbrechen zu verteidigen und werden Whistleblower verfolgt.

Im Recht gibt es die so genannten Nothilfe oder Notwehr-Regelung. D.h., um unmittelbare Gefahr für meine Gesundheit oder mein Leben abzuwehren, darf ich auch die körperliche Unversehrtheit eines Angreifers beschädigen. Wenn ich aber einen Schritt zu weit gehe, also noch mal nachtrete, obwohl er schon am Boden liegt, gerate ich in den Bereich von Exzessiv-Notwehr, und wenn ich zuschlage, bevor überhaupt klar ist, ob er mich angreifen will, befinde ich mich möglicherweise im Zustand einer Putativnotwehr. Beides sind Grauzonen, die unterschiedliche straf- und zivilrechtliche Konsequenzen haben können. Das Ziel muss sein, solche Grauzonen möglichst nicht entstehen zu lassen.

Wenden wir das, was für Notwehr gilt, auf Zensur und Verbote an. Dann sind die Grenzen der Toleranz dort erlaubt, wo die Grundlagen der demokratischen Grundordnung in Gefahr sind. Aber gefährden 10.000 oder 20.000 Demonstranten, die von einer vagen Angst vor „Überfremdung“ angetrieben werden, in einer Gesellschaft von 80 Millionen, die demokratische Grundordnung? Ich sage nein.

Die Grundordnung wird viel mehr bedroht durch Gesetze, die von einer Regierung erlassen werden, um die Bürger- und Menschenrechte im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland einzuschränken. Sie wird viel mehr dadurch bedroht, dass immer mehr Souveränität an überstaatliche Organisationen wie EU und NATO abgegeben werden. Sie wird viel mehr bedroht dadurch, dass die Regierung selbst gegen das Grundgesetz verstößt, ohne dass eine Justiz dagegen einschreitet.

NIX TUN?

Nun natürlich müssen mehrere Dinge getan werden. 1. Die Entlarvung der Pegida-Ängste und falschen Annahmen. Das geschah schon ganz gut durch jenen Panorama Bericht (ja, ich lob einen Beitrag des Öffentlich Rechtlichen Fernsehens) und o.g. Video von KenFM. Dadurch muss vermieden werden, dass Pegida zu einem Virus wird, das sich ausbreitet. 2. Pegida-Energie dorthin lenken, wo sie konstruktiv für eine Demokratisierung wirken kann. D.h. den Demonstranten muss klar gemacht werden, dass nicht „Die Ausländer“ das sind, das sie auf die Barrikaden treibt, sondern das Gefühl der Ungerechtigkeit, der Ohnmacht, des nicht gehört Werdens. Dass jene, die die Furcht vor Ausländer schüren, ihre eigene politische Agenda verfolgen, und keineswegs die Interessen der Demonstranten vertreten, sondern diese nur benutzen.

Verbote erzeugen das Gegenteil. Sie bestätigen die Menschen in ihren Vorurteilen und verhindern Gespräche und Aufklärung. Das Gift der Desinformation kann im Untergrund noch ungestörter arbeiten, die Mauer des Misstrauens wird noch undurchdringlicher.
Aber vielleicht wollen das ja Einige, damit wir nicht auf die Idee kommen, die wahren Probleme dieser Gesellschaft effektiv in Angriff zu nehmen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

LinksPazi

Unter dem Pseudonym Linkspazi bloggt Jochen Mitschka. Links, engagiert und gegen Heuchelei und Krieg. Statt Mainstream wiederholen, ihm antworten.

LinksPazi

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