Warum RTInternational unverzichtbar wurde

Putin-Miss-Versteher Einige Journalisten scheinen sich Sport daraus zu machen, Putin misszuverstehen, oder es so erscheinen zu lassen. Ein Beispiel hier, und warum es kontraproduktiv ist.

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Bisher habe ich ja eher konsumierend die Bloßstellungen unserer Medien durch die diversen Blogs verfolgt. Aber heute will ich auch einen kleinen Beitrag beisteuern, der m.E. nebenbei zeigt, wie wichtig heute Russia Today als alternative Informationsquelle wurde. Denn nur dort bekommt man, ungeschnitten und unzensiert, Interviews und Pressekonferenzen, UNO Sitzungen usw., in voller Länge. Während westliche Medien das den Zuschauern in der Regel „nicht zumuten“. Dabei ist heute wie nie zuvor, das Prüfen der Quellen von entscheidender Bedeutung, um sich selbst eine Meinung zu bilden.

Heute hatte Präsident Wladimir Putin seine jährliche große Pressekonferenz vor 1200 Journalisten abgehalten. Man könnte sagen "zelebriert". Vor einer überdimensionalen Videowand, in der die russische Föderation erschien, als einziger Sprecher auf einem Podium, aber bewusst niedriger positioniert als der Moderator. Dem er aber durchaus schon mal die Wahl des nächsten Fragestellers abnahm, und den er auch im Spaß klar machte, dass dieser zu seinem Stab gehörte (der sich unabkömmlich machen würde, weil er die Tücken der Übersetzungstechnik nicht ans Laufen brachte). Der Narzissmus ließ grüßen.

Über drei Stunden beantwortete er nicht abgesprochene und teilweise kontroverse Fragen. Abgesehen davon, dass ich keinen westlichen Staatsmann kenne, der das über sich ergehen lässt, ist diese Pressekonferenz immer sehr interessant, weil sie unerwartete Situationen erzeugt.
So einen Fall möchte ich hier beschreiben.

Eine offensichtlich kritisch gegenüber der Tschetschenienpolitik der lokalen Verwaltung gegenüber eingestellte Journalistin, Ksenja Sobtschak, deren Patenonkel er delikaterweise sein soll, hatte sich auf die Seite der Putin-Kritiker geschlagen.

Sie brachte Ramsan Kadyrow, den Präsidenten der Teilrepublik Tschetschenien, mit einem Brandanschlag gegen Angehörige von Terrorverdächtigen in Zusammenhang. Sie hatte außergewöhnlich viel Zeit zur Darlegung ihres Anliegens. Dann sagte Putin, offensichtlich selbstironisch und mit einem Lacher im Auditorium quittiert, „wieso haben Sie sie reden lassen“. Um dann aber sofort einzuschreiten, als man ihr das Wort abschneiden wollte, damit sie eine 2. Frage stellen konnte. Es lag offensichtlich nicht in seinem Interesse, die Kritik zu unterdrücken, denn er war ausreichend eloquent, um sie zu beantworten.

Aber genau den gegenteiligen Eindruck machten die Twitter-Mitteilungen westlicher Journalisten.

Christopher Miller 11:34 h: .@xenia_sobchak fordert #Putin heraus wegen außergesetzlichen Vergeltungsmaßnahmen in Tschetschenien. „Warum ließen sie sie sprechen?“ sagte Putin.

Darauf antwortete ich:

@ChristopherJM tut mir leid, aber in Wirklichkeit sagte er: Lasst sie die 2. Frage stellen … @Xenia_sobchak.

In einem Auszug Video kann man das auch ohne Russischkenntnisse erkennen.

Daraufhin entwickelte sich eine Twitter-Diskussion mit Marcin Cieslak, der bestätigte, dass Putin die erste Frage als Witz gemeint hatte, was er aber für unangemessen hielt. Worauf ich antwortete, dass es für Journalisten angemessen wäre, das den Lesern selbst zu überlassen. {Denn der ursprüngliche Kommentar, für sich alleine genommen, deutete mitnichten auf einen Scherz hin.}

HINTERGRÜNDE

Am Donnerstag den 04. Dezember hatten „kaukasische Rebellen“ wie der Spiegel und andere westliche Medien schrieben, sorgfältig das Wort Terrorist vermeidend, weil das ist wohl nur für Gegner „guter“ Regierungen reserviert, die tschetschenische Hauptstadt Grosny angegriffen. Sie töteten mindestens 10 Menschen und verletzten 28. Mindestens eine Schule und ein Verlagsgebäude gingen in Flammen auf.

Anschließen wurden Brandanschläge auf die Häuser der Attentäter begangen, ohne dass es zu Verletzten gekommen war, was vorher anscheinend Terroristen angedroht worden war. Die westlichen Medien bezeichneten es zutreffend als unzulässigen Akt von außergesetzlicher Vergeltung. Dahinter sollte nach Vermutungen westlicher und kritischer russischer Medien, der mit harter Hand agierende Ramsan Kadyrow stecken.

Putin hätte jetzt darauf hinweisen können, dass es in Israel offizielle Politik ist, die Häuser von Terroristen zu sprengen. Er hätte darauf hinweisen können, welchen Druck die USA auf Angehörige von Terrorverdächtigen ausübt, um Informationen zu erreichen, und selbst auf Angehörige von Entführungsopfern. Bis auf einen zaghaften Hinweis darauf, dass die USA schließlich die Folter gegen Terrorismus erfunden hätten, tat er es nicht. Einerseits warb er um Verständnis für die Vergeltungstaten, andererseits verurteilte er sie und behauptete, dass Kadyrow sicher nichts mit den Brandanschlägen zu tun hatte. Konnte man erwarten, dass er sich ernsthaft gegen Kadyrow positioniert? Wenn noch nicht einmal ein Präsident der USA es wagt, einen Vorgänger wegen Folter zu belangen.

ZUSAMMENFASSUNG

In 3 Stunden wurden durchaus auch kritische Fragen gestellt. Teilweise, wie vom BBC-Vertreter, konnte man sie auch beleidigend und polemisch empfinden. Aber Putin lebte förmlich auf, wenn die Frage seinen Intellekt herausforderte. Und jede Kritik bot ihm die Möglichkeit seine vermeintliche Klasse zu beweisen. Weshalb ich einfach nicht verstehen kann, warum westliche Journalisten versuchen, den Eindruck zu erwecken, als ob kritische Fragen unterdrückt wurden. Je mehr er angegriffen und verleumdet wird, desto enger werden sich die Reihen seiner Verteidiger schließen, desto mehr werden sich auf seine Seite stellen, weil sie es als unfair empfinden.

Putin einfach als normalen Politiker zu beschreiben, der nicht besser und nicht schlechter ist als viele, von westlichen Journalisten verehrte westliche Länderfürsten, wäre langfristig wesentlich zielführender, um ihn auf sein normales Maß zurück zu führen.

Putin hat seinen Machiavelli gelesen wie alle anderen westlichen Politiker auch. Nur nutzt er die gelernten Techniken dazu, dem russischen Volk wieder den aufrechten Gang beizubringen Nachdem es, unter dem alkoholisierten Jelzin, der auch mal sein eigenes Parlament mit Panzer beschießen ließ, und den wild gewordenen US-Neoliberalen und verbrecherischen russischen Oligarchen, die das Land ohne Hemmungen, in nie vorher gesehenen Ausmaß, ausbeuteten, diesen aufrechten Gang verloren hatte.

Eine überhöhte Bekämpfung von Putin führt nur zu einer Glorifizierung, die das Bremsen seiner Macht verhindert, sollte er damit zu weit gehen, oder die Ziele nicht mehr im Fokus haben. Liebe Journalisten, nehmt ihn doch einfach als normalen Politiker, kritisiert seine Fehler sachlich, aber lasst die unnötige Verteufelung, die das Gegenteil bewirkt.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

LinksPazi

Unter dem Pseudonym Linkspazi bloggt Jochen Mitschka. Links, engagiert und gegen Heuchelei und Krieg. Statt Mainstream wiederholen, ihm antworten.

LinksPazi

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