Was tun gegen das Versagen der Medien?

Alternative Medien? Kommentare hinterlassen? Eigenen Blog schreiben? Oder Medien ignorieren? Spielt man selbst als Kritiker nicht das Spiel der elitären Medien mit?

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Noch vor einigen Jahren war ich ein überzeugter Hörer von DLF, WDR5 oder B5 Aktuell. Zum großen Leidwesen meiner Frau hörte ich bei langen Autofahrten ständig diese für sie langweiligen Wortbeiträge. Ich kaufte regelmäßig Spiegel oder Zeit, las besonders gerne die kostenlosen Ausgaben der gängigen Leitmedien im Flugzeug. Aber seit 2009 hatte sich meine Akzeptanz dessen, was ich dort hörte oder las, ständig weiter verringert. Heute freut sich meine Frau, denn wir hören lokale private Radiosender mit aktueller Musik. Und wenn dort einmal offensichtlich zu kurz geratene und voreingenommene Nachrichten gesendet werden, kann man, so meine Überzeugung, dafür nicht den Sender verantwortlich machen, der gar keine eigenen politischen Redaktionen hat.

Seit ich nur noch ganz selten die Ergüsse der Leitmedien genieße, hat meine Neigung, Kommentare zu schreiben, oder in einem Blog dagegen anzuschreiben, stark abgenommen. Denn lässt man sich damit nicht auf das Spiel ein, in dem die Massenmedien die Regeln bestimmen und den einzigen Vorteil davon tragen?

KOMMENTARE

Als die Ableger der großen Massenmedien im Internet begannen, Kommentarfunktionen einzurichten, und sogar Blogbereiche zu eröffnen, freuten sich viele, weil sie glaubten, die Medien wollten einen Dialog mit den Lesern beginnen. Tatsächlich aber ging es ganz alleine darum Clicks zu generieren, bzw. Werbefläche und Werbeeinnahmen zu vergrößern. Daher generiert jeder Kommentar, (und davon gibt es besonders viele auf umstrittenen, stark diskutierte Beiträge,) Einnahmen für die Mediengiganten. Aber nur wenige indexieren anscheinend diese Beiträge und machen sie durch Suchmaschinen aktiv zu Beiträgen, die die Pluralität der Meinungen im Internet vergrößern. (Löbliche Ausnahme erscheint mir Heise zu sein, auf dessen Seiten andererseits, eine ähnliche Politik wie durch die Huffington-Post perfektioniert wurde, zu beobachten ist: Artikel ohne Entlohnung des Schreibers erzeugen Werbeeinnahmen für den Betreiber der Seite. Was Heise trotzdem oder gerade deswegen zu einem der interessantesten Medienprojekte macht.)

D.h. die Kommentarspalten der Online-Medien haben nicht nur die Aufgabe, die Kundenbindung zu erhöhen, als Ventil zu dienen und dem Leser ein Kümmern um seine Meinung vorzugaukeln, sondern auch eine trivial pekuniäre.

Allerdings stellten die großen Medien bald fest, dass bei zu umfassender Kritik gegen den eigenen Artikel, die Wirkung erzeugt werden könnte, dass auch unbedarfte Leser beginnen, an der Führungsrolle des Mediums zu zweifeln. Das war der Hauptgrund für das immer strengere Zensieren der Kommentarfunktionen und Foren. Bis hin zum Schließen, wenn es die Leser gar zu bunt trieben.

Damit wiederum sinken aber die Ratings der Seiten. Je weniger Clicks, desto schwächer die Positionierung im Werbemarkt. Also müssen die Administratoren dieser Medien einen ständigen Spagat machen: Zwischen Beschädigung der Einnahmen durch sinkende Clickzahlen einerseits, oder Beschädigung des Rufes durch Infragestellen der Kompetenz, oder Blosstellung der propagandistischen Absichten der Artikelschreiber, andererseits.

Zunächst hatte ich Kommentierung abgelehnt. Da ich keine Wirkung sah, und nur den wirtschaftlichen Nutzen für den Seitenbetreiber. Durch die Aussage „mich interessieren die Kommentare unter den Artikeln mehr als die Artikel selbst“, die mir ein Kollege einmal gestand, begann sich diese Auffassung zu ändern. Eine kleine, nicht repräsentative Umfrage ließ mich dann zu der Einsicht kommen, dass die Kommentare Nebeneffekte haben, die ich zunächst nicht sah.

Welche Wirkung haben die kritischen Kommentare für die Online-Gemeinde?

  • Sie führend dazu, dass Menschen, die ein diffuses Gefühl der Unzufriedenheit ihn sich tragen, dieses aber nicht artikulieren können, konkrete Hinweise darauf finden, was ihr Gefühl ausgelöst haben könnte. Dadurch wird jenen, die eigentlich im Zweifel zugunsten des großen Leitmediums urteilen, ein Weg aufgezeigt, kritischer zu sein.
  • In Kommentaren finden sich oft wertvolle und kenntnisreiche Hinweise, die Lesern mehr Informationen und Entscheidungshilfen geben, als in den eigentlichen Artikeln zu finden sind. Oder man erkennt auch einfach das legitime Infragestellen von Erklärungen, mit Begründungen, die bis dahin unbekannt waren.
  • Kommentatoren werden angespornt, sich mit einem Thema zu beschäftigen, wenn sie das Gefühl haben, dass es unzureichend abgedeckt wird. Das fördert die individuelle Medienkompetenz ebenso wie die der anderen Kommentarleser.

Dass diese, von den Medien durchaus nicht geplante Wirkung, inzwischen auch bei den Machern der Online-Angebote angekommen ist, kann längst beobachtet werden. Es wird versucht, Kommentatoren jede Legitimität abzusprechen, fundierte Aussagen treffen zu können. Es wird von bezahlten Putin-Trollen geredet, oder von Verschwörungstheoretikern, Antisemiten, Amerikahassern usw. Alles mit dem Ziel, die Aussagen in den Kommentaren pauschal zu verunglimpfen, ohne sich auf eine fundierte Diskussion einlassen zu müssen.

Natürlich gibt es auf der anderen Seite dann auch Ausfälle. Wie die Veröffentlichung einer angeblich von Springer stammende Rechnung für bezahltes Kommentieren. Wobei die Fälschung so plump war, dass man schon wieder daran denken konnte, ob es sich um eine Provokation eben jener Kräfte handeln könnte, die Aussagen im Internet pauschal als unglaubwürdig darstellen wollen. Es sei denn, diese Inhalte werden in offiziellen Medien-Beiträgen, zur (manchmal wahrscheinlichen) Wahrheit gekürt.

Und so überwiegt meiner Einschätzung nach derzeit die positive Wirkung von Kommentaren. Und je mehr Kommentarspalten und Foren geschlossen werden, desto heftiger wird diese Annahme bestätigt.

Allerdings hätte ich eine Bitte an Kommentatoren oder Forenbeitragsschreiber. Je seltener persönliche Angriffe, unflätige Ausdrücke oder unzureichend überprüfte Angaben gepostet werden, desto wirksamer wird dieser Teil des Internets für uns alle. Widersprechen Sie auch Aussagen, die scheinbar Ihre Meinung unterstützen, wenn Sie befürchten, dass sie unzureichend belegt sind. Jede falsche Aussage in Kommentaren oder Foren nutzt denen, die solche Aussagen als „ungeprüft“, „manipulativ“, „gelogen“, „demagogisch“ usw. abtun wollen. Je zuverlässiger und geprüfter die Beiträge sind, desto besser wird auch die Wirkung beim neutralen Teil der Leserschaft. Jenem Teil, der vielleicht gerade erst beginnt, das große Spiel zu durchschauen.

EIGENER BLOG

Eine Alternative zur Kommentar"Arbeit" ist ein eigener Blog. Von 2010 bis 2012 hatte ich in einem Blog bei blogspot.com über meine politischen Erfahrungen während eines bestimmten Lebensabschnittes gebloggt. Der Blog war frei von kommerzieller Werbung und vollständig von mir kontrolliert. Selbst heute noch, obwohl er lange inaktiv ist, wird er gefunden und besucht. Ein vollkommen unbedeutender Blog, der inzwischen ca. 500.000 Clicks angezogen hat, was nicht eindrucksvoll ist. Trotzdem hatte er eine bescheidene Wirkung. Wenn ich mir vorstelle, dass tausende von Bloggern das Gleiche tun, und diese sich dann vielleicht sogar vernetzen, könnte daraus eine ganz andere mediale Wirkung entstehen.

Es gibt schon zaghafte Ansätze von nicht kommerziellen Seiten, verschiedene Blogbeiträge zusammen zu fassen. Aber diejenigen die ich kenne, haben eine politische bzw. gesellschaftliche Ausrichtung. Was bisher fehlt, ist eine nicht kommerzielle(!) Organisation, die durch eine möglichst demokratische Selbstverwaltung der Blogger „regiert“ wird, und die ein Portal für Beiträge bereitstellt. Grundsätzlich sollten alle Beiträge erlaubt sein, die nicht gegen bestehende Gesetze verstoßen, jedoch sollten die Blogger, die sich dem System anschließen, durch ein Abstimmungssystem die Möglichkeit haben, Artikel auf die Hauptseite bzw. an die Spitze der Themenseite zu befördern, bzw. weiter in den Hintergrund zu schieben.

Solange es das nicht gibt, habe ich mich entschlossen, den Freitag zu unterstützen, und hier meine Blogbeiträge zukünftig zu veröffentlichen. Denn bei aller Kritik, die manchmal auch heftig ausfallen kann, halte ich den Freitag noch für eines der seriösesten kommerziellen Medienprojekte.

Falls aber jemand bei dem Portalprojekt mitmachen will, mag er sich gerne an mich wenden. Ich könnte die technische Infrastruktur zur Verfügung stellen, sollte ausreichend Interesse, also mindestens das von einem Dutzend Blogger, daran bestehen.

Aber vielleicht beginnt ja auch der Freitag, als Alternative darüber nachzudenken, seinen Blogbereich zu verselbständigen, und der Kontrolle der Kontributoren zu unterwerfen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

LinksPazi

Unter dem Pseudonym Linkspazi bloggt Jochen Mitschka. Links, engagiert und gegen Heuchelei und Krieg. Statt Mainstream wiederholen, ihm antworten.

LinksPazi

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden